Ägidius Hunnius der Ältere, auch: Hunn (* 21. Dezember 1550 in Winnenden; † 4. April 1603 in Wittenberg) war ein deutscher lutherischer Theologe, Professor der Theologie in Marburg und Wittenberg, Propst und Generalsuperintendent des sächsischen Kurkreises in Wittenberg.
Hunnius wurde als ältester Sohn des Färbermeisters Egidius (Gilg, Gilles) Hunnius und seiner Frau Apollionia NN. geboren. Nach seiner Taufe durch Kapar Leyser, den Vater des Polykarp Leyser des Älteren, verlebte er zunächst seine ersten Lebensjahre in seiner Heimatstadt. Ab 1563 besuchte er die Klosterschulen in Adelberg und Maulbronn, wo er die Reife für das Studium an einer Universität erwarb. Am 1. November immatrikulierte er sich an der Universität Tübingen und erhielt ein Stipendiat des Herzogs Christoph von Württemberg. Nachdem er 1567 den akademischen Grad eines Magisters erlangt hatte, wurde er am Tübinger Stift Repetent bei Jacob Heerbrand. Nach weiteren Studien bei Jakob Andreae und Dietrich Schnepf wurde er 1574 Diakon und ging auf Empfehlung Heerbrands als Professor der Theologie an die Universität Marburg. Um den dafür entsprechenden akademischen Grad zu besitzen, promovierte er am 16. Juli 1576 in Tübingen zum Doktor der Theologie und begann am 8. August mit seinen Vorlesungen über das Johannesevangelium.
Hunnius, der vom Gnesioluthertum geprägt war, traf in Marburg auf kein befriedigendes religiöses Umfeld. Nach der hessischen Kirchenordnung gab es keine Fortentwicklung im kirchlichen Leben. Die Wittenberger Konkordie und das Testament des Landgrafen Philipp von Hessen bestimmten das Kirchenwesen. Dies jedoch widerstrebte Hunnius, dem die Zustände nicht gut genug lutherisch waren, und er versuchte, diese zu erweitern. Daraufhin geriet er mit Wilhelm IV. von Hessen-Kassel in eine Auseinandersetzung um die Ubiquitätslehre. Hinzu kam noch, dass Hunnius sich für die Einführung der Konkordienformel einsetzte und Wilhelm diese nicht zuließ, was zu einer politischen und konfessionellen Spaltung in Hessen führte. Deshalb dürfte Wilhelm sehr froh gewesen sein, als Hunnius vom sächsischen Administrator Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar am 19. November 1591 das Angebot erhielt, als Professor der Theologie an die Universität Wittenberg zu gehen. Wilhelm gab ihn dazu im Frühjahr 1592 frei.
Am 1. Mai 1592 traf er in Wittenberg ein, hielt am 4. Mai seine erste Predigt und führte am 25. Mai seine erste Disputation durch. Daraufhin wurde er am 4. Juni Propst an der Wittenberger Schlosskirche und am 5. Juni als Professor primarius gewählt, womit er Mitglied im Wittenberger Konsistorium war. Alsbald begann die Auseinandersetzung mit Samuel Huber, den er anfänglich unterstützte. Huber verbreitete, dass die Konkordienformel kryptocalvinistisch sei, und vertrat seine Lehre vom „Gnadenuniversalismus“. Hunnius und sein Freund Polykarp Leyser der Ältere, der ebenfalls an der Wittenberger Universität wirkte, beriefen ein Kolloquium ein. Alle Vermittlungsversuche schlugen jedoch im Streit mit Huber fehl, so dass dieser 1594 aus den universitären Ämtern entlassen und 1595 aus Kursachsen ausgewiesen wurde. Hunnius selbst sorgte für eine weitere Entwicklung der lutherischen Orthodoxie und übernahm nach dem Weggang Leysers im Juli 1594 als Hofprediger nach Dresden dessen Stelle als Oberpfarrer an der Stadtkirche Wittenberg und Generalsuperintendent des sächsischen Kurkreises.
Nachdem Heerbrand sein Amt in 1599 niedergelegt hatte, wurde Hunnius von seinem württembergischen Dienstherrn Friedrich I. nach Tübingen zurückberufen. Dennoch gelang es Christian II. von Sachsen, Hunnius in Wittenberg zu halten. Auch ein Angebot als Generalsuperintendent in Leipzig lehnte Hunnius 1594 ab. Denn in Wittenberg war Hunnius durch die Schenkung des Hauses der Wittenberger Propstei sesshaft geworden. Auch wurden ihm von der Stadt Wittenberg Privilegien eingeräumt, wie z. B. ein zusätzliches Braurecht, die ihn in Wittenberg halten sollten. Hunnius selbst nahm an den Religionsgesprächen in Regensburg teil, die der lutherische Philipp Ludwig von der Pfalz-Neuburg einberufen hatte. Dort setzte er sich mit den Jesuiten Jakob Gretser und Adam Tanner auseinander. Durch ständige Überarbeitung verstarb Hunnius noch auf dem Sterbebett ergreifende Predigten schreibend 1603 in seinem Wittenberger Haus. Salomon Gesner hielt seine Leichenpredigt, die auch im Druck erschien.
Hunnius war einer der bedeutendsten Vertreter der lutherische Frühorthodoxie. Selbst Martin Chemnitz lobte ihn als lutherischen Theologen und seine Schüler anerkannten ihn als Autorität der vierten lutherischen Generation. Seine Prägung der lutherischen Orthodoxie beruht auf der Fähigkeit, das Konkordienluthertum tiefgreifend gestaltet zu haben. Dabei stützte sich Hunnius auf den rechtfertigenden Glauben, wo Gott die einzige Bedingung des Heils ist und damit faktisch als prädestinativer logischer Bestandteil seines beharrenden Glaubens hervorsticht. Damit unterschied Hunnius die Aspekte der Gemeinschaft in der Kirche, was ihm bleibenden Erfolg in der Dogmatik verschaffte. Dennoch muss auch gesagt sein, dass sich Hunnius nicht eindringlich genug mit den metatheoretischen Fragen der Theologie auseinandersetzte. Aber ihm gebührt das Verdienst, der eigentliche Begründer der lutherischen Orthodoxie in Wittenberg zu sein.
Hunnius war ein sehr polemischer Autor, der sich wortgewaltig vor allem gegen den Calvinismus wandte. Im Lager der lutherischen Theologen stritt er vor allem mit Daniel Hoffmann über die Ubiquität und mit Samuel Huber über dessen Meinung von der Allgemeinheit der göttlichen Gnadenwahl. Auch gegen die katholische Kirche und deren Theologie trat er in seinen Schriften über den Papst, den Ablass u. a. entgegen, was sich auch im Regensburger Religionsgespräch bei der Auseinandersetzung mit den Jesuiten Gretser und Tanner widerspiegelt und in seiner Schrift relatio historica de habito nuper Ratisbonae colloquio (1602) eine Fortsetzung findet. In seinem Schwiegersohn fand Hunnius einen sorgfältigen Herausgeber seiner dogmatischen Schriften, die in fünf Bänden erschienen sind. Vor allem setzte er sich gern mit der Paulusexegese auseinander und verfasste zum Ausgleich auch biblische Dramen.
Im 17. Jahrhundert war er außerdem für seine Postillen bekannt, die in drei Auflagen erschienen und die neben denen Luthers weite Verbreitung fanden.[1]
Hunnius Großvater Michael Hunn († nach 1551), sowie sein Vater Johann Hunn (1484–1518?) waren Bürgermeister in Marbach am Neckar, ersterer auch 1539 Vogtamtsverweser. Aus Michael Hunns Ehe gingen vier Töchter und zwei Söhne hervor.
Der Ehe des Egidius Hunn und seiner Frau Apollionia NN. entstammen die Kinder:
Aus seiner am 10. Januar 1576 geschlossenen Ehe mit Eleonore (* 1554 in Schönbuch, Württemberg; † 27. November 1620 in Wittenberg), der einzigen Tochter des herzoglichen Burgvogts in Waldorf Johann Felder und seiner Frau Bertha Thörs stammen acht Kinder. Von diesen weiß man:
Personendaten | |
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NAME | Hunnius, Ägidius der Ältere |
ALTERNATIVNAMEN | Hunn, Ägidius |
KURZBESCHREIBUNG | lutherischer Theologe, Propst und Generalsuperintendent des sächsischen Kurkreises in Wittenberg |
GEBURTSDATUM | 21. Dezember 1550 |
GEBURTSORT | Winnenden |
STERBEDATUM | 4. April 1603 |
STERBEORT | Wittenberg |