Der Ästige Igelkolben (Sparganium erectum), auch Aufrechter Igelkolben genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Igelkolben (Sparganium) in der Familie der Rohrkolbengewächse (Typhaceae). Die reifen Samen bilden eine Kugel mit nach außen gerichteten Spitzen. Aus dieser Samenanordnung leitet sich die Bezeichnung „Igelkolben“ ab.
Der Ästige Igelkolben ist eine ausdauernde krautige Pflanze und Wuchshöhen von bis zu 1,7 Metern erreicht. Sie wächst starr aufrecht, nie flutend. Es werden keine Schwimmblattformen wie beispielsweise beim Zwerg-Igelkolben (Sparganium natans) ausgebildet. Der Aufrechte Igelkolben verfügt über einen kräftigen „Wurzelstock“, (3 bis) 6 bis 9 Millimeter dick, mit bis 60 Zentimeter langem, kriechendem, stärkereichemRhizom. Der aufrechte Teil des Wurzelstocks ist knollig, 1,5 bis 4,5 Zentimeter dick und im Alter hart und holzig.[1] Die Laubblätter sind starr und derb, dunkelgrün, unten dreikantig, oben auf der Unterseite mit einem bis zur Spitze reichenden Kiel und allmählich lang zugespitzt. Die oberen Laubblätter sind hell, längs gestreift, matt und sind bis zu 50 Zentimeter lang sowie bis zu 1,5 Zentimeter breit.
Blütezeit ist Juni bis August oder September.[1] Die Pflanze bildet 30 bis 60 Zentimeter hohe Blütensprosse. Die Blütenstängel sind ästig verzweigt. Der Ästige Igelkolben ist einhäusig getrenntgeschlechtig (monözisch). Die eingeschlechtigen Blüten sind zu kugeligen Köpfchen vereinigt, die in einem rispig verzweigten Gesamtblütenstand stehen. An jedem Seitenast erscheinen in der Achsel eines laubblattartigen Tragblattes zunächst zwei bis drei weibliche Köpfe, darüber mehrere männliche Köpfe. Diese sind vor dem Aufblühen mit dunklen Blütenblattspitzen versehen, dadurch sieht ihr Blütenstand gescheckt aus. Die Narben sind lang und fädig. Die männlichen Blütenköpfchen haben vor dem Aufblühen einen Durchmesser von 5 Millimeter, aufgeblüht von 10 bis 12 Millimeter.[1] Die weiblichen Blütenköpfchen sind 12 bis 20 Millimeter breit.[1] Die Fruchtköpfchen sind mit den Schnäbeln 15 bis 32 Millimeter breit.[1] Die Nussfrucht ist meist bräunlich; sie ist ohne Schnabel 4 bis 12 Millimeter lang und 2 bis 7,5 Millimeter breit.[1] Als Unterscheidungsmerkmal der Unterarten werden die in Form und die Farbe der Früchte herangezogen.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 30 auch für die Unterarten Sparganium erectum subsp. erectum und Sparganium erectum subsp. neglectum.[2][1]
Der Ästige Igelkolben ist eine Sumpf- und Wasserpflanze sowie ein Schlammwurzler mit Rhizom, die meist im Wasser wurzelt. Die vegetative Vermehrung erfolgt durch Ausläufer (Wurzel-Kriechpionier).
Die Laubblätter verfügen über ein Durchlüftungsgewebe (Aerenchym) in Anpassung an den Sauerstoffmangel im überfluteten Milieu. Seine grünen Teile sind reich an nadelförmigen Calciumoxalat-Kristallen (Raphiden). Diese dienen als Fraßschutz. Aus den Blättern lassen sich nach dem Durchknicken wie bei der Gattung Cornus die Spiralversteifungen der Tracheen herausziehen.
Blütenökologisch handelt es sich um eine windblütige Art vom „unbeweglichen Typ“. Der Ästige Igelkolben ist vormännlich und sind die Samenanlagen zur Zeit der Bestäubung noch nicht voll entwickelt. Die Selbstbestäubung ist erfolgreich. Der Pollen wird auch von Insekten verzehrt, so dass diese ebenfalls Bestäuber sein können.
Je Blüte entstehen zahlreich, einsamige Steinfrüchte mit festem Kern und einem trocken-schwammigen Schwimmgewebe. Dadurch ist Schwimmausbreitung möglich. Die Schwimmdauer kann bis zu 12 Monate betragen. Die Früchte haben einen Griffelrest, deshalb ist auch Klettverbreitung als Bohrfrucht durch Wassertiere möglich.
Der Ästige Igelkolben ist von Europa bis Zentralasien und Sibirien und südlich bis Nordafrika verbreitet.[3] Er steigt bei Fetan in Unterengadin bis 1600 Meter Meereshöhe auf.[1]
Der Ästige Igelkolben wächst häufig im Uferröhricht stehender, nährstoffreicher Gewässer und an Gräben auf humosem, meist kalkhaltigem Schlammboden bis in Wassertiefen bis 50 Zentimeter. Er wächst vor allem dort, wo die Beschattung durch benachbarte Röhrichte geringer ist und kann dort Einartbestände ausbilden. Er ist ein Wechselwasserzeiger, eine Halblichtpflanze, im intermediären Kontinentalbereich wachsend, ein Schwachsäure- bis Schwachbasezeiger und bevorzugt stickstoffreiche Standorte. Er ist eine Kennart der Großröhrichte (Phragmition australis) und kann an Gewässern Einartbestände, sogenannte Igelkolbenröhrichte, ausbilden.
Die Erstveröffentlichung von Sparganium erectum erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Tomus 2, S. 971. Synonyme für Sparganium erectumL. sind: Sparganium polyedrum(Asch. & Graebn.) Juz., Sparganium ramosumHuds., Sparganium ramosum subsp. polyedrumAsch. & Graebn.[4]
Der Ästige Igelkolben (Sparganium erectum) ist eine formenreiche Art mit mehreren Unterarten, die sich ökologisch deutlich unterscheiden:[3]
Ästiger Igelkolben (Sparganium erectum subsp. erectum, Syn.: Sparganium ramosumCurtis, Sparganium ramosum subsp. polyedrumGraebn., Sparganium erectum subsp. polyedrum(Graebn.) Schinz & Thell.): Seine Früchte sind im oberen Teil flach oder kurz pyramidenförmig, matt und rauchbraun.[1] Er ist von Europa bis Sibirien und vom Mittelmeerraum bis zum Iran weitverbreitet.[3] Er kommt in Europa in fast allen Ländern vor und fehlt nur in Portugal, Island, Norwegen, Belgien, Polen, Belarus, Albanien und Nordmazedonien.[5] Er ist eine Charakterart des Sparganietum erecti aus dem Verband Phragmition.[6] Er gedeiht in Mitteleuropa besonders in kalkreichen Röhrichten.[7]
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landoltet al. 2010 sind in der Schweiz für diese Unterart: Feuchtezahl F = 5w+ (überschwemmt aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 3+ (unter-montan und ober-kollin), Nährstoffzahl N = 4 (nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[8]
Kleinfrüchtiger Igelkolben (Sparganium erectum subsp. microcarpum(Neuman) Domin, Syn.: Sparganium microcarpum(Neuman) Čelak., Sparganium ramosum subsp. microcarpum(Neuman) Lindm., Sparganium neglectum subsp. microcarpum(Neuman) Holub): Seine Früchte sind oberhalb der Mitte am breitesten; sie sind gelbbraun und glänzend und im oberen Teil zwiebelförmig.[1] Er ist von Europa bis Zentralasien verbreitet.[3] Er kommt in Europa in fast allen Ländern vor und fehlt nur in Portugal, Spanien, Italien, Belgien, den Niederlanden, Island, Polen, Belarus, Serbien, Kosovo, Moldau, Albanien, Nordmazedonien, Griechenland und im europäischen Teil der Türkei.[5] Er gedeiht in Mitteleuropa besonders in kalkarmen Röhrichten.[7] Die ökologischen Zeigerwerte nach Landoltet al. 2010 sind in der Schweiz für diese Unterart: Feuchtezahl F = 5w+ (überschwemmt aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 2 (sauer), Temperaturzahl T = 3 (montan), Nährstoffzahl N = 4 (nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[8]
Unbeachteter Igelkolben (Sparganium erectum subsp. neglectum(Beeby) Schinz & Thell., Syn.: Sparganium neglectumBeeby, Sparganium ramosum subsp. neglectum(Beeby) Neuman, Sparganium erectum var. neglectum(Beeby) K.Richt.): Seine Früchte sind einfarbig ledergelb.[1] Er ist von Europa bis zum Iran und in Nordafrika verbreitet.[3] Er kommt in Europa in fast allen Ländern vor und fehlt nur in Portugal, Belgien, Island, Litauen, Belarus, Montenegro und Nordmazedonien.[5] Er ist eine Charakterart des Glycerio-Sparganietum neglecti aus dem Verband Phragmition.[6] Er gedeiht in Mitteleuropa besonders in kalkarmen Röhrichten.[7] Die ökologischen Zeigerwerte nach Landoltet al. 2010 sind in der Schweiz für diese Unterart: Feuchtezahl F = 5w+ (überschwemmt aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 2 (sauer), Temperaturzahl T = 3+ (unter-montan und ober-kollin), Nährstoffzahl N = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 2 (subozeanisch).[8]
Eifrüchtiger Igelkolben (Sparganium erectum nothosubsp. oocarpum(Čelak.) Domin, Syn.: Sparganium × oocarpum(Čelak.) Fritsch, Sparganium neglectum var. oocarpumCelak., Sparganium neglectum subsp. oocarpum(Čelak.) Ostenf.) (= Sparganium erectum subsp. erectum × Sparganium erectum subsp. neglectum): Er kommt von Europa bis zum Kaukasusraum vor[3] und gedeiht in Mitteleuropa in Röhrichten.[7] Die Chromosomenzahl ist 2n = 30.[2]
Eine weitere Unterart, Sparganium erectum subsp. stoloniferum(Buch.-Ham. ex Graebn.) H.Hara, wird je nach Autor als eigene Art Sparganium stoloniferum(Buch.-Ham. ex Graebn.) Buch.-Ham. ex Juz. aufgefasst[3].
Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz (= Die Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Band2). Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2000, ISBN 3-8001-3364-4.
Erich Oberdorfer: Süddeutsche Pflanzengesellschaften. Teil I: Fels- und Mauergesellschaften, alpine Fluren, Wasser-, Verlandungs- und Moorgesellschaften. 4. Auflage, Gustav Fischer, Jena, Stuttgart, 1998, ISBN 3-437-35280-6.
Elfrune Wendelberger: Pflanzen der Feuchtgebiete – Gewässer, Moore, Auen, Büchergilde Gutenberg, München 1986, ISBN 3-7632-3265-6 (bzw. BLV-Verlag, ISBN 3-405-12967-2)
Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Portrait. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
↑ abcdefghijkUte Müller-Doblies, Dietrich Müller-Doblies: Familie Typhaceae. In: Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 3. Auflage, Band II, Teil 1. Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg 1980, ISBN 3-489-54020-4, S. 285–291.
↑ abcdefgSparganium erectum. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science, abgerufen am 24. August 2016.
↑Sparganium erectum bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 24. August 2016.
↑ abErich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S.116–117.
↑ abcdMichael Koltzenburg: Sparganium. In: Schmeil-Fitschen: Die Flora Deutschlands und angrenzender Länder. 98. Auflage. Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2024. ISBN 978-3-494-01943-7. S. 219.
↑ abcSparganium erectum L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 9. November 2023.