Der Vater war Erster Diener (maître d’hôtel) des Grafen von Montmorency und gründete später eine kleine Weinhandlung. Étienne-Nicolas Méhul begann seine musikalische Ausbildung als Organist im Franziskanerkloster seines Heimatortes. Später studierte er bei dem Organisten Wilhelm Hanser und wurde 1778 dessen Assistent oder Hilfsorganist im Benediktinerkloster Laval Dieu in Monthermé in den Ardennen.
Im Jahr 1779 übersiedelte er nach Paris, wo er bei dem Straßburger Komponisten und Cembalisten Jean Frédéric Edelmann Kompositionsunterricht nahm. Möglicherweise verdiente er seinen Lebensunterhalt als Organist, wofür es aber bisher keine Beweise gibt. In den 1780er Jahren arbeitete er als Lehrer und veröffentlichte in dieser Zeit zwei Bände mit Klaviersonaten. Der zweite Band war mit einer sogenannten „überlegten“ Violinstimme erschienen, die die Thematik im Klavier verdoppelt.
Neben François-Joseph Gossec galt er als der Komponist der Französischen Revolution. Sein Chant national du 14 Juillet 1800, der von Napoleon nach der Schlacht von Marengo bestellt worden war, bekam fast den Rang einer Nationalhymne, und 1794 entstand seine Revolutionsoper Horatius Coclès. 1795 wurde er Inspektor des Conservatoire und Mitglied der Académie des beaux-arts.
Méhul wurde vor allem durch seine mehr als vierzig Opern bekannt, von denen Joseph auch gegenwärtig noch aufgeführt wird. Die Oper entstand vor dem Hintergrund der Ägypten-Mode nach dem Ägyptenfeldzug von Napoleon und zu dessen Krönung. Das Thema nahm auf den Vornamen der Kaiserin, Joséphine, Bezug.[1]Carl Maria von Weber leitete eine Aufführung des Werkes 1817 anlässlich der Gründung der deutschen Hofoper in Dresden. Die bekannteste Melodie aus dieser Oper, die Romanze des Joseph A peine au sortir de l’enfance (dt. Ich war ein Jüngling noch an Jahren) wurde fälschlich als Vorlage für das Horst-Wessel-Lied ausgegeben, dieses geht jedoch vermutlich auf das deutsche Bänkellied Ich lebte einst im deutschen Vaterlande zurück.
Neben den Opern komponierte Méhul sechs große Klaviersonaten, drei Ballette, sechs Sinfonien, Bühnenmusiken und Messen.
Er hat sich – neben seinem Zeitgenossen und Rivalen Jean-François Lesueur – um die Erweiterung der Stoffe in der Oper sehr verdient gemacht. Auf ihn gehen einige kühne Neuerungen in der Orchestrierung zurück, und Méhul gilt als Pionier in der Verwendung von Leitmotiven. Méhuls Meisterschaft im Umgang mit sinfonischen Formen und rein orchestralen Werken kommt bereits in den Ouvertüren zu seinen Opern zum Ausdruck. Aus Ludwig van Beethovens Briefen ist zu ersehen, dass er den Kompositionen Méhuls großes Interesse entgegengebracht hat; der Einfluss des Franzosen auf seine Oper Fidelio ist unverkennbar.
1799: Ariodant, drame mêlée de musique, drei Akte, Libretto von François-Benoît Hoffman nach Ludovico AriostosOrlando furioso
1799: Adrien (ursprüngliche Fassung als Adrien, Empereur de Rome), Oper in drei Akten, Libretto von François-Benoît Hoffman nach MetastasiosAdriano in Siria
1806: Les deux aveugles de Tolède, opéra-comique, ein Akt, Libretto von Marsollier de Vivetières nach seinem Libretto Les deux aveugles de Bagdad und Geschichten aus Tausendundeiner Nacht
Méhul Étienne Nicolas 1763 – 1817. In: diplomatie.gouv.fr. Archiviert vom Original am 29. September 2007; abgerufen am 5. November 2020 (englisch, Kurzbiographie mit Musikbeispielen).
↑Erich Hubala: Das alte Ägypten und die bildende Kunst im 19. Jahrhundert. In: Wektkulturen und moderne Kunst. Die Begegnung der europäischen Kunst und Musik im 19. und 20. Jahrhundert mit Asien, Afrika, Ozeanien, Afro- und Indo-Amerika: Katalog zur Ausstellung veranstaltet vom Organisationskomitee für die Spiele der XX. Olympiade München 1972. Bruckmann, München 1972, ISBN 3-7654-1464-6, S. 36–41, hier S. 36.