Akademismus bedeutet laut Duden eine „künstlerische Betätigung und Auffassung, die das Formale überbetont und im Dogmatischen erstarrt ist“.[1][2] Der Begriff wird auch als seltener gebrauchte Bezeichnung für die in der Romantik so wichtige wie bald verspottete Akademische Kunst verwendet.[3] Ebenso werden mit dem Begriff übertrieben theoretische und nicht praxisnahe universitäre Verhaltensweisen und Strukturen kritisiert.
Der Begriff Akademismus geht über den Bereich der Malerei und Skulptur hinaus, die eine strenge Einhaltung der formalen technischen und ästhetischen Regeln der Kunstakademien einhielten. Im Bereich der bildenden Kunst werden so unter anderem architektonischer Historismus, Neoklassizismus, Eklektizismus und die Künstlergruppe Novecento bezeichnet, insbesondere in Italien wurde dem gegenüber der Rationalismus gestellt. Es wurden darüber hinaus ebenso musikalische[4] und literarische Werke bezeichnet. Adolf Stern konstatierte bereits 1882 einen Zusammenhang zwischen der Gegenreformation und einem aufkommenden Akademismus in der Literatur.[5]
Die Verächtlichmachung des Akademismus Mitte des 19. Jahrhunderts geht auch auf wesentliche Änderungen im Kunstmarkt zurück. Aufgrund der besseren Verfügbarkeit industriell hergestellter Farben und Leinwände wie auch dem starken Anstieg der Zahl der Künstler im Paris des 19. Jahrhunderts wurden die Galeristen des 19. Jahrhunderts im Licht dessen, was der Soziologe Pierre Bourdieu den Anti-Ökonomismus des Kunstfeldes nannte, in den Hintergrund gedrängt.[6]
Der Salon als Kunstausstellung lockte zu jener Zeit, als die technischen visuellen Massenmedien noch nicht existierten, Hunderttausende von Besuchern an. Die Galeristen blieben aber außen vor. Davon zeugen bekannte Gruppenporträts im anti-akademistischen Künstlermilieu der 1860er und 1870er Jahre. Auf ihnen finden sich neben Malern zwar durchaus Schriftsteller wie Baudelaire und Zola aber niemals Händler oder Galeristen. Sie wurden damals genauso wenig wie Berthe Morisot und Mary Cassatt – die erfolgreichsten impressionistischen Malerinnen – in Porträts künstlerischer Netzwerke einbezogen.[6]
Der akademische Künstlertypus wurde von Pierre Bourdieu demgemäß im Anschluss an Max Webers Typologie als „priesterlich“ eingestuft, im Gegensatz zu dem an Neuerung orientierten „prophetischen“ Typus, wie ihn etwa Manet und ein Teil der Impressionisten repräsentierten, insbesondere Monet und Degas. In der Errichtung der damaligen Museen, das diesen priesterlich orientierten Typus von Malern aufzuwerten drohte, sah Bourdieu ein allgemeineres Anliegen am Werk, als bloß die Rehabilitierung einer solchen von ihm als „scholastisch“ eingestuften Kunst. Er interpretierte es als den Versuch, den Typus des „homo academicus“, verstanden als eine zum akademischen Maler homologe Figur, im universitären Feld aufzuwerten.[6]
Im Roman Alte Meister des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard hat sich der Protagonist, der Kunstkritiker Reger, ein imaginäres Museum erschaffen, wo alle großen Künstler, seien es Maler, Musiker oder Schriftsteller, präsent sind. Die Menschheit sei ein gigantischer Staat geworden, von dem einem schon beim Aufstehen übel werde und der mit seinem Akademismus verhindere, dass Menschen frei denken könnten.[7]
Thomas Wegmann und Norbert Christian Wolf sehen Akademismus auch bei dem Umgang mit Populärkultur gegeben. Pornographie, Comics und Horrorfilme würden zunehmend kosmetisch aufgewertet und der Postmoderne im Sinne Leslie Fiedlers zugeordnet.[8] Darüber würden aber die enormen Veränderungen der Populärkultur seit den 1960er Jahren vernachlässigt.[9]
Der Soziologe Alvin W. Gouldner kritisierte in den späten 1960er Jahren die akademische Soziologie und den Akademismus.[10] Er verurteilte „Theoretiker, die ihre Systeme mit Watte in den Ohren entwickelten, taub für die anklagenden Stimmen sozialer Bewegungen“.[11]
Der Medienwissenschaftler Michael Haller kritisiert den „Akademismus der deutschen Universitäten mit ihren Berührungsängsten gegenüber der Berufswelt“.[12] Als Beispiel nennt er in einem Beitrag zur Didaktik der Journalistik die gängige Praxis bei Bachelorstudiengängen, die zwar offiziell eine zunehmende Berufsorientierung vermitteln sollen, faktisch aber nach wie vor dem Ideal der Forschungsorientierung nachtrauern. In der Lehre würde weiterhin Wissensvermittlung im Frontalunterricht betrieben, der Anspruch der Praxisorientierung wie der Berufsnähe nur propagiert und mangels Fähigkeit dazu an die Fachhochschulen verwiesen. Damit führe der überkommene Akademismus in ein abstrakt-akademisches und sich weiter von der Praxis entfernendes Wolkenkuckucksheim.[13]
Der Fernsehautor Armin Maiwald verwies in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit auf die Verwendung des Begriffs durch Karl Popper, der „die ganze hochschwallige Ausdrucksweise vieler Philosophen für den typisch deutschen Akademismus hielt“.[14]