Wohn- und Sterbehaus von Albrecht Goes in Stuttgart-Rohr (Im langen Hau 5)Grabstein auf dem Pragfriedhof in Stuttgart
Albrecht Goes wurde 1908 im evangelischen Pfarrhaus in Langenbeutingen geboren, wo er auch seine Kindheit verbrachte. Nach dem frühen Tod seiner Mutter 1911 kam er 1915 zur Großmutter nach Berlin-Steglitz, wo er bis 1919 das Gymnasium Steglitz besuchte.[1] Von 1919 bis 1922 ging er in Göppingen zur Schule. 1922 trat er nach bestandenem Landexamen in das evangelisch-theologische Seminar im Kloster Schöntal ein. 1924 wechselte er (wie die ganze Klasse) nach Urach. Sein Zimmergenosse war der Schriftsteller Gerd Gaiser.
Ab 1926 studierte er Germanistik und Geschichte, später Evangelische Theologie in Tübingen und ab 1928 in Berlin, wo er von Romano Guardini beeinflusst wurde. Goes wurde 1930 in der Tuttlinger Stadtkirche zum Pfarrer ordiniert und war 1931 Stadtvikar in der Martinskirche in Stuttgart. 1933 trat er seine erste Pfarrstelle in Unterbalzheim bei Illertissen an. Im selben Jahr heirateten er und Elisabeth Schneider. Das Ehepaar hatte die drei Töchter Christin, Brigitte und Rose. Ab 1938 war er Pfarrer in Gebersheim.
Im Zweiten Weltkrieg wurde er 1940 einberufen und zum Funker ausgebildet und danach in Rumänien eingesetzt. 1942 bis 1945 war er als Geistlicher im Lazarett und im Gefängnis in Russland, Polen, Ungarn und Österreich tätig. Nach dem Krieg war er wieder Pfarrer in Gebersheim, bis er 1953 den Pfarrdienst quittierte und von da an als freier Schriftsteller wirkte. Er predigte weiterhin zweimal im Monat. 1954 zog er nach Stuttgart-Rohr um.
Buchdeckel zur Erzählung Unruhige Nacht aus dem Friedrich-Wittig-Verlag, Hamburg (1950)
Bereits 1932 erschienen mit Verse und dann 1934 mit Der Hirte erste Gedichtbände. Weitere Publikationen zwischen 1935 (Heimat ist gut) und Kriegsende – ein Gedicht aus Der Nachbar (1940) wurde bereits 1938 in der umstrittenen Zeitschrift Das Innere Reich gedruckt[5] – gaben Anlass zu der Annahme, dass Goes in der NS-Zeit „seine anakreontischen Gedichte ohne Schwierigkeiten […] veröffentlichen“ konnte.[6] Goes wurde auch in der Krakauer Zeitung im besetzten Generalgouvernement gedruckt.[7]
1950 veröffentlichte er die ErzählungUnruhige Nacht, die die Ereignisse eines Abends und einer Nacht in dem von den Deutschen besetzten Proskurow (Ukraine) im Oktober 1942 beschreiben. Übersetzungen dieser Novelle erschienen in England, Frankreich, Italien, Dänemark, Schweden, Finnland, USA, Argentinien und Japan.
Die 1954 erschienene Erzählung Das Brandopfer thematisiert die Judenverfolgung während des Dritten Reiches anhand einer schlichten Metzgersfrau, die zuletzt durch (die ihr dann verwehrte) Selbstopferung Gerechtigkeit sucht. Das in einfacher Sprache geschriebene Werk gilt bis heute als Beitrag zu Dialog und Versöhnung von Juden und Christen. Dem Autor wurde im Jahr 1978 für diesen Beitrag die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen.
Die beiden Werke Unruhige Nacht und Das Brandopfer wurden verfilmt.
Um Albrecht Goes, dessen Werk oft mit dem Albrecht Haushofers, Reinhold Schneiders, Rudolf Alexander Schröders oder dem der Gertrud von Le Fort verglichen wird, ist es nach seinem Tod still geworden. Dass er jedoch nicht vergessen ist, zeigen neue Bücher und Neuauflagen zum 100. Geburtstag und ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm aus diesem Anlass.
Klaus Goebel: Ein guter Brief ist die Leistung eines Menschen, der sich selbst mit allem dem Seinen zusammenfassen kann. Albrecht Goes und Heinrich Wolfgang Seidel korrespondierten 1936-1944 miteinander. Deutschlandfunk, 16. Januar 2001.
Volker Spangenberg: Der Gott, der mich sieht. Zum Predigtwerk von Albrecht Goes. In: Ingolf U. Dalferth u. a. (Hrsg.): Denkwürdiges Geheimnis. Beiträge zur Gotteslehre. Festschrift für Eberhard Jüngel zum 70. Geburtstag. Tübingen 2004, S. 515–537.
Peter Haigis: Sie halfen Juden. Schwäbische Pfarrhäuser im Widerstand. Edition Gemeindeblatt, Evangelische Gemeindepresse Stuttgart 2007, ISBN 978-3-920207-18-6, S. 200 f.
Almuth Seidelmann: Zeitgeschichtsdarstellung in den Erzählungen „Brewise und Wille“ von Gertrude Stein und „Unruhige Nacht“ von Albrecht Goes, Marburg 2008 (zugl. Frankfurt (Main), Univ., Magisterarbeit, 2001).
Helmut Zwanger: Albrecht Goes. Freund Martin Bubers und des Judentums. Eine Hommage. Tübingen 2008.
Willy Bourgoignie: Auf der Suche nach reiner Menschlichkeit. Der schwäbische Dichter Albrecht Goes. In: Studio Germanica Gandensia, 7, 1965, S. 255–286.
Jürgen Israel: Albrecht Goes, die DDR und das Judentum. Vortrag, AphorismA-Verlag, Berlin 2010.
Manfred Schäfer: Albrecht Goes. In: Manfred Schäfer: Literaten in Oberstdorf. Von Gottfried Benn bis Carl Zuckmayer. LIT Verlag, Münster 2023, ISBN 978-3-643-15248-0, S. 63–66.
↑ abHartmut Müller: Er versteht, das Seine zu sagen, In: Heilbronner Stimme vom 22. März 2008, S. 40
↑Der tote Bauer. In: Das Innere Reich. Juni 1938, S. 273–274.
↑Karl-Heinz Schoeps: Literatur Im Dritten Reich. Bern / Frankfurt am Main / New York 1992, ISBN 978-3-261-04589-8, S. 196 (im Kapitel Nichtfaschistische und antifaschistische Literatur).