1929 wurde er auf einen Lehrstuhl für Auslandskunde in Heidelberg berufen und hielt dort ab April 1932 die Professur und war Mitglied im Gumbel-Untersuchungsausschuss. Nach dem Ausscheiden von Alfred Weber war Bergstraesser vorübergehender Institutionsleiter und von 1933 bis 1934 Professor an der Staats- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
1935 kam es zu Boykottaktionen nationalsozialistischer Studenten gegen ihn und zu einer vorübergehenden Einstellungen der Lehrveranstaltungen. September 1935 folgte eine Beurlaubung und der Umzug nach München, um Verfolgungen zu entgehen. Februar 1936 zog er das Urlaubsgesuch zurück, jedoch wurde ihm bereits im August, auf Basis der Reichshabilitationsordnung, die Lehrbefugnis entzogen und am 30. September gekündigt.[3]
1937 verließ Bergstraesser Deutschland, weil seine teils jüdische Abstammung – seit 1933 bekannt – zur Entlassung aus dem Universitätsdienst geführt hatte, und ging in die USA. Dort wurde er indes zunächst von der FBI Enemy Control Unit zweimal als vermeintlicher Nazi-Spion inhaftiert. Hintergrund dieser Verhaftungen war, dass Bergstraesser 1932 an der Entlassung des pazifistischen jüdischen Kollegen Emil Julius Gumbel aus dem Hochschulbetrieb beteiligt gewesen war. Zudem hatte er, der sich selbst als Weimarer Liberaler verstand, 1933/34 zwei Artikel veröffentlicht, die als NS-freundlich gelesen werden konnten.[4]
Später lehrte er bis 1954 an mehreren US-Universitäten – zuletzt als Professor für Deutsche Literatur und Geschichte an der Universität Chicago, wo Georg Iggers 1944 zu seinen ersten Schülern zählte.[5] Hier trug er maßgeblich zur deutsch-amerikanischen Verständigung bei, unter anderem als Mitherausgeber einer „Deutschen Geschichte“ (New York 1944) sowie als Veranstalter der Goethe-Tagung 1949 in Aspen (Colorado) (zusammen mit Albert Schweitzer). Gut bekannt war er mit Carl Joachim Friedrich, der an der Harvard University lehrte. 1954 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde als Professor für Soziologie und Politikwissenschaft an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg berufen.
Er war von 1925 bis zu seinem Tod mit Erika Emma Johanna, geb. Sellschopp (* 23. Januar 1900 in Satow; † 29. Oktober 1977 in Freiburg) verheiratet; das Paar hatte zwei Kinder.
Bereits in seinem 1931 erschienenen Werk über „Staat und Wirtschaft Frankreichs“ dokumentiert sich Bergstraessers spätere Konzeption einer Politikwissenschaft als einer „synoptischen“, das heißt volkswirtschaftliche, historisch-kulturelle und politisch-institutionelle Sichtweisen integrierenden Disziplin. Ein weiteres Element von Bergstraessers Politikverständnis findet sich in der Schrift „Sinn und Grenzen der Verständigung zwischen Nationen“.[9] Darin geht es ihm um die Überwindung provinziellen nationalstaatlichen Denkens und um die Öffnung der eigenen geistigen Überlieferung für die Begegnung mit fremden Kulturen.
Nach seiner Berufung auf den Freiburger Lehrstuhl ging es ihm um die Durchsetzung eines „normativen, in der geistigen Überlieferung beheimateten Politikverständnisses“ (sog. „Freiburger Schule“ der Politikwissenschaft). Damit verbunden war das Bemühen um eine „praxisbezogene, empirisch-synoptische Analyse der politischen Realität“. Einen besonderen Stellenwert gewannen in diesem Zusammenhang die Länder der Dritten Welt, deren Bedeutung für die Weltpolitik Bergstraesser als einer der ersten erkannt und in die bundesdeutsche Politikwissenschaft eingebracht hat.
Die wirtschaftlichen Mächte und die Bildung des Staatswillens nach der deutschen Revolution. Studie zur Frage der berufständischen Verfassung. Dissertation. Heidelberg 1924.
Landwirtschaft und Agrarkrise in Frankreich. Habilitationsschrift. Heidelberg 1928.
Sinn und Grenzen der Verständigung zwischen den Nationen. Duncker & Humblot, München/Leipzig 1930 (= Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Band 9).
Nation und Wirtschaft. Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 1933.
Die weltpolitische Dynamik der Gegenwart. In: Die Internationale Politik. 1955, München 1958, S. 1–51.
Politik in Wissenschaft und Bildung. Schriften und Reden. Freiburg 1961. 2. Auflage 1966.
Goethe’s Image of Man and Society. Chicago 1949. Neudruck Freiburg 1962.
Gedanken zu Verfahren und Aufgaben der kulturwissenschaftlichen Gegenwartsforschung. In: Gottfried-Karl Kindermann (Hrsg.): Kulturen im Umbruch. Studien zur Problematik und Analyse des Kulturwandels in Entwicklungsländern. Freiburg 1962, S. 401–422.
Hrsg. mit Dieter Oberndörfer: Klassiker der Staatsphilosophie. Ausgewählte Texte. Band 1. Köhler, Stuttgart 1962, 1975.
Weltpolitik als Wissenschaft. Geschichtliches Bewußtsein und politische Erziehung. Hrsg. von Dieter Oberndörfer. Köln/Opladen 1965.
Staat und Dichtung. Hrsg. von Erika Bergstraesser. Rombach, Freiburg 1967.
Bibliographie. In: Arnold Bergstraesser: Weltpolitik als Wissenschaft. Geschichtliches Bewußtsein und politische Erziehung. Hrsg. von Dieter Oberndörfer. Köln/Opladen 1965, S. 261–265.
Ernst Fraenkel: Arnold Bergstraesser und die deutsche Politikwissenschaft. In: Arnold Bergstraesser: Weltpolitik als Wissenschaft. Geschichtliches Bewußtsein und politische Erziehung. Hrsg. von Dieter Oberndörfer. Köln/Opladen 1965, S. 252–259.
Claus-Dieter Krohn: Der Fall Bergstraesser in Amerika. In: Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch. 4, 1986, S. 254–275.
Sebastian Liebold: Starkes Frankreich – instabiles Deutschland. Die Kulturstudien von Curtius/Bergstraesser und Vermeil zwischen Versailler Frieden und Berliner Notverordnungen. LIT, Berlin 2008.
Horst Schmitt: Ein „typischer Heidelberger im Guten wie im Gefährlichen“. Arnold Bergstraesser und die Ruperto Carola 1923–1936. In: Reinhard Blomert u. a. (Hrsg.): Heidelberger Sozial- und Staatswissenschaften. Das Institut für Sozial- und Staatswissenschaften zwischen 1918 und 1958. Metropolis, Marburg 1997, ISBN 3-89518-098-X, S. 167–196.
Horst Schmitt: Existenzielle Wissenschaft und Synopse. Zum Wissenschafts- und Methodenbegriff des „jungen“ Arnold Bergstraesser. In: Politische Vierteljahresschrift. 30, Heft 3, 1989, S. 466–481.
Horst Schmitt: Politikwissenschaft und freiheitliche Demokratie. Eine Studie zum „politischen Forschungsprogramm“ der „Freiburger Schule“ 1954–1970. Nomos, Baden-Baden 1995, ISBN 3-7890-3785-0 (Zugleich: Dissertation, Universität Hamburg, 1993), besonders S. 40–91.
Jürgen Schwarz: Arnold Bergstraesser und die Studentenschaft der frühen zwanziger Jahre. In: Zeitschrift für Politik. 15, Heft 3, 1968, S. 300–311.
Alfons Söllner: Normative Verwestlichung? Die politische Kultur der frühen Bundesrepublik und Arnold Bergstraesser. In: Alfons Söllner: Fluchtpunkte. Studien zur politischen Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts. Nomos, Baden-Baden 2006, S. 181–200.
Manuel Sarkisyanz: Arnold Bergstraesser. 1896–1964 zum vierzigjährigen Gedenken. Vom Bekennertum zum Professorentum. Vom Umgang mit Deutschlands Idealismus, Romantik und Jugendbewegung. Mein Buch, Hamburg 2004, ISBN 3-86516-094-8.
Prof. Dr. Arnold Bergsträsser. In: Norbert Giovannini, Claudia Rink, Frank Moraw: Erinnern, bewahren, gedenken. Die jüdischen Einwohner Heidelbergs und ihre Angehörigen 1933–1945. Das Wunderhorn, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-88423-353-5, S.49.
Kilian Schultes: Die Staats- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Heidelberg 1934–1946. Heidelberg 2010 (zugleich: Heidelberg, Univ., Diss., 2007).
↑Carlo Schmid: Erinnerungen. In: Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Band3. Scherz, Bern, München, Wien 1979, ISBN 3-502-16666-8, S.36.
↑Prof. Dr. Arnold Bergsträsser. In: Norbert Giovannini, Claudia Rink, Frank Moraw: Erinnern, bewahren, gedenken: die jüdischen Einwohner Heidelbergs und ihre Angehörigen 1933–1945. Das Wunderhorn, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-88423-353-5, S.49.
↑Horst Schmitt: Ein typischer Heidelberger im Guten wie im Gefährlichen. Arnold Bergstraesser und die Ruperta Carola 1932–1936. In: Reinhard Blomert u. a. (Hrsg.): Heidelberger Sozial- und Staatswissenschaften. Das Institut für Sozial- und Staatswissenschaften zwischen 1918 und 1958. Marburg 1997, S. 167–196.
↑Wilma und Georg Iggers: Zwei Seiten der Geschichte. Lebensbericht aus unruhigen Zeiten. Göttingen 2002, S. 82 f.
↑Katharina Burges: Internationale Beziehungen in Deutschland. Vorgeschichte und institutionelle Anfänge bis zum Beginn der 1960er Jahre. In: Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialwissenschaften (ISW), Nr. 58, ISW, Braunschweig 2004, ISSN0949-2267.
↑Die Generation der um und nach 1900 Geborenen und von der bündischen Jugendbewegung Geprägten, für die A. B.s Richtlinien zum Kulturaustausch mit Frankreich (sc. in dieser Schrift) maßgeblich gewesen waren, ließ sich umstandslos von den Nationalsozialisten engagieren und rückte in führende Positionen der deutsch-französischen Kulturbeziehungen ein: ... Otto Abetz, ... Karl Epting ... Zitat: Hans Manfred Bock: Tradition und Topik des populären Frankreich-Klischees in Deutschland von 1925 bis 1955. In: Francia, Jg. 14 (1986), S. 475–508, hier S. 491.