Assos (griechischΆσσος) ist eine antike Stadt an der Südwestküste der Troas im Landkreis Ayvacık in der türkischen Provinz Çanakkale; das dort liegende heutige türkische Dorf heißt Behramkale.
Der Siedlungsplatz, ein 234 m hoher Felsen aus dunklem Trachyt direkt am Meer, war schon in der Bronzezeit besiedelt. Im 7. Jahrhundert v. Chr. wurde Assos von Methymna auf der benachbarten Insel Lesbos aus gegründet. Die Stadt war Mitglied im Attisch-Delischen Seebund, spielte aber anscheinend in den griechisch-persischen Konflikten des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. keine Rolle. Erst im Satrapenaufstand ist sie von Bedeutung, hier verschanzte sich 366 v. Chr. der aufständische SatrapAriobarzanes. Seit etwa 360 v. Chr. stand es unter Herrschaft des Eubulos und seines Nachfolgers Hermeias. In dieser Zeit lebte auch Aristoteles von 347 bis 345 v. Chr. in Assos. 334 bis 241 v. Chr. lag die Stadt im Herrschaftsgebiet Alexander des Großen und der nachfolgenden Seleukiden. 241 bis 133 v. Chr. gehörte Assos zum Reich der Attaliden von Pergamon, bevor es Teil des römischen Reiches wurde.
In byzantinischer Zeit war Assos Bischofssitz und gehörte zum ThemaÄgäis. Noch bis 1304 konnten die Byzantiner die Festung Assos, die sich nur noch im Bereich der alten Akropolis befand, gegen die Osmanen verteidigen, kurz darauf ging die Siedlung jedoch in deren Besitz über.
Die Stadtmauer ist in ihrer Ausdehnung von 3 km mit Türmen und Toren in großen Teilen noch sehr gut erhalten. Sie entstand in mehreren Bauphasen ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. Daneben sind Reste einer wohl noch archaischen Stadtmauer sichtbar.[1]
Der dorischeTempel der Athena an der höchsten Stelle des Stadtberges wurde um 530–520 v. Chr. errichtet. Einige der Säulen aus einheimischem Trachyt, die jedoch im Altertum mit weißem Marmorstuck überzogen waren, wurden im Rahmen der archäologischen Forschungen teilweise wieder aufgestellt. Der Athenatempel ist der einzige bekannte archaische Tempel dorischer Ordnung in Kleinasien. Von hier hat man einen guten Blick auf die gegenüberliegende Insel Lesbos.
Im Stadtgebiet, an den Hängen zwischen Agora und Meer, sind heute noch die Agora mit zwei Hallen (Stoen) auf der Nord- und Südseite, das Bouleuterion, das Gymnasion, das Theater und eine römische Therme erhalten. Westlich vor der Stadtmauer liegt eine gut erhaltene Nekropole mit Grabbauten und Sarkophagen.
Am Rande des heutigen Dorfes steht die Murat Hüdavendigar-Moschee aus der Zeit Murad I. (1326–1389), die zu den frühesten osmanischen Moscheen zählt. Sie wurde unter Verwendung zahlreicher antiker und byzantinischer Spolien gebaut.
Zahlreiche Funde, vor allem Teile der Tempelskulpturen, gelangten in den Louvre nach Paris[3] und in die Museen von Istanbul und Boston[4]. Die Funde aus den neueren Grabungen in Assos befinden sich im Troya Müzesi.
Joseph Thacher Clarke: Report on the Investigations at Assos, 1881 (= Papers of the Archaeological Institute of America. Classical Series 1). Boston 1882 (Digitalisat).
Joseph Thacher Clarke, Francis H. Bacon Robert Koldewey: Report on the Investigations at Assos, 1882, 1883, Part I (= Papers of the Archaeological Institute of America. Classical Series 2). New York 1898 (Digitalisat).
Joseph Thacher Clarke, Francis H. Bacon, Robert Koldewey: Investigations at Assos. Expedition of the Archaeological Institute of America. Drawings and photographs of the buildings and objects discovered during the excavations of 1881, 1882, 1883. 2 Bände, London 1902–1921 (Digitalisat).
Nurettin Arslan, Klaus Rheidt: Assos. Bericht über die Ausgrabungen und Forschungen zur Stadtentwicklungsgeschichte 2006 bis 2011. In: Archäologischer Anzeiger 2013/1, S. 195–246 (Digitalisat).
Nurettin Arslan, Eva-Maria Mohr, Klaus Rheidt (Hrsg.): Assos. Neue Forschungsergebnisse zur Baugeschichte und Archäologie der südlichen Troas (= Asia Minor Studien. Band 78). Habelt, Bonn 2016, ISBN 978-3-7749-3951-6.
Assos Kazısı
Band 1: Nurettin Arslan: Assos – Behram: Tarih, arkeoloji, diplomasi. Ege Yayınları, Istanbul 2024, ISBN 978-625-8056-79-2.
Band 2: Gonca Cankardeş Şenol, Erkan Alkaç, Oya Tuncer: Amphora Mühürleri. Ege Yayınları, Istanbul 2022, ISBN 978-625-8056-46-4.
Athenatempel
Ursula Finster-Hotz: Der Bauschmuck des Athenatempels von Assos. Studien zur Ikonographie. Giorgio Brettschneider, Rom 1984, ISBN 88-85007-78-3.
↑Haiko Türk: Die Mauer als Spiegel der Stadt. Neue Forschungen zu den Befestigungsanlagen in Assos. In: A. Kuhrmann, Leo Schmidt (Hrsg.): Forschen, Bauen & Erhalten. Jahrbuch 2009/2010, Berlin/Bonn 2009, ISBN 978-3-939721-17-8, S. 30–41; Haiko Türk: Ein neues Gesicht für die Stadt. Die Befestigungsanlagen von Assos in der Troas. In: Koldewey-Gesellschaft (Hrsg.): Bericht über die 46. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung, Konstanz 12.-16.05.2010. Dresden 2012, S. 119–128; Haiko Türk: Entlang – entgegen – hindurch. Die Bedeutung der Befestigungsanlagen für die Erschließung der Stadt Assos. In: Dietmar Kurapkat, Peter I. Schneider, Ulrike Wulf-Rheidt (Hrsg.): Die Architektur des Weges. Gestaltete Bewegung im gebauten Raum. Schnell & Steiner, Regensburg 2014, S. 27–38.
↑Klaus Rheidt: Robert Koldewey in Assos. In: Post aus Babylon. Robert Koldewey, Bauforscher und Ausgräber: Briefe aus Kleinasien, Italien, Deutschland und dem Vorderen Orient von 1882 bis 1922. Phoibos-Verlag, Wien 2018, ISBN 978-3-85161-191-5, S. 31–41 (Digitalisat).