Béla Barényi wurde in der Keller’schen Villa am Bach in Hirtenberg geboren. Da sein Vater Eugen Barényi (1866–1917)[3] aus Preßburg stammte, wurde er bei Gründung der ČSR (1918) tschechoslowakischer Staatsbürger. Barényis Vater war (bei Dienstende) Major[4] in der k.u.k. Armee, (ab 1895) Lehrer an der Infanteriekadettenschule Kamenitz sowie Professor für Naturwissenschaften an der Militär-Realschule in Fischau; seine Mutter, Maria, stammte aus der wohlhabenden Familie Keller.[5] Barényis Urgroßvater war Seraphin Keller (1823–1882), Gründer der Hirtenberger Patronenfabrik, sein Großvater, Fridolin Keller (1849–1923), ab 1890 mit einem eigenen Unternehmen Guldenmillionär[6] geworden, besaß einen luxury Austro-Daimler[1] und begründete bzw. vertiefte somit Bélas Interesse am Automobilbau. Bélas Bruder, Friedrich Barényi (1901–1984),[3] war als Mathematiker bei Junkers an der Entwicklung des ersten Düsentriebwerks beteiligt.
Nach der Volksschule in Preßburg, Bürger- und Realschule (Wien und Waidhofen an der Ybbs)[7] sowie einem ausgezeichneten Abschluss[8] an der öffentlich-rechtlichenPrivatfachschule für Maschinenbau und Elektrotechnik in der Siebenbrunnengasse 35 in Wien-Margareten, sammelte er ab 1928 Berufserfahrung bei den Steyr-Werken in Wien, den Adlerwerken in Frankfurt, GETEFO in Berlin sowie der Société Pendelastic bzw. Soprotec in Paris.[3]
Ab 1939 arbeitete Barényi auf Vermittlung seines Studienfreunds Karl Wilfert für die Daimler-Benz AG und machte die passive Sicherheit von Autos zu seinem Berufs- und Lebensziel. Ein Jahr später wurde er deutscher Staatsbürger und heiratete im selben Jahr Maria Killian[7] – die Ehe blieb kinderlos. Gemeinsam mit Daimler-Benz-Entwicklungsvorstand Hans Scherenberg formulierte Barényi 1966 die bis heute gültige Aufteilung von aktiver und passiver Sicherheit.
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann er mit den Projekten Terracruiser und Concadoro. 1946 wurde er als politisch belastet entlassen, aber bereits 1948 wurde er wieder als Entwicklungsingenieur mit dem Aufgabengebiet Spezialuntersuchungen und Ausarbeitung von Konstruktionsvorschlägen eingestellt.
1953 setzte Barényi seine Ansprüche auf die von Ferdinand Porsche angemeldeten Patente vor Gericht durch. Barényi konnte nachweisen, dass er bereits in den 1920er Jahren das Konzept des Käfers detailliert dargelegt, aber nicht ausreichend durch Patente abgesichert hatte. 1955 verklagte Barényi die Volkswagenwerk G.m.b.H. auf Urheberrechtsverletzung, woraufhin seine Urheberschaft am VW Typ 1 gerichtlich anerkannt wurde.
Seine Visionen, Konstruktionen und Erfindungen machten Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz zu den sichersten ihrer Zeit. Erstes Projekt war ein neuartiger Plattformrahmen für das Mercedes-Benz-170V-Cabriolet (Baureihe W 136), der Insassen bei einem Seitenaufprall besser schützte als bei früheren Konstruktionen. Seine am 30. Oktober 1952 ausgegebene Patentschrift mit der Nummer (DE-)854157[10] gilt heute als die Basis der passiven Sicherheit im Fahrzeugbau.[11] Die Serieneinführung dieses Konzepts erfolgte 1953 bei der „Ponton“-Baureihe W 120. 1948 erfand er ein Prinzip für versenkte Scheibenwischer, die in abgeschaltetem Zustand von der Karosserie verdeckt sind und dadurch ein geringeres Verletzungsrisiko für Fußgänger bedeuten. Verwirklicht wurde diese Idee in der von 1979 bis 1991 gebauten S-KlasseW 126. Die Sicherheitslenksäule geht auf eine Barényi-Idee aus dem Jahr 1947 zurück.
1951 gelang Barényi ein Durchbruch in der Sicherheitsentwicklung, als er die Grundlage der Sicherheitsfahrgastzelle zum Patent anmeldete. Die definierte Knautschzone[10] in Verbindung mit einer hochfesten Fahrgastzelle ist ein Meilenstein der passiven Sicherheit. In der im August 1959 präsentierten Oberklasse-Baureihe W 111, der „Heckflosse“, ging diese Innovation erstmals in Serie. 1963 erfand Barényi die „Sicherheitslenkwelle für Kraftfahrzeuge“ und ließ diese Technik patentieren. Als vollständiges System hatte diese Sicherheitslenkung 1976 in der Baureihe W 123 Premiere. Neben seinem Engagement für die passive Sicherheit entwickelte Barényi auch wegweisende Automobilkonzepte wie das Wohnmobil Mercedes-Benz Großer Reisewagen und das Kompaktfahrzeug K-5.
Ab 1955 bis zu seiner Pensionierung 1974 leitete er die Vorentwicklung bei Daimler-Benz. Sein Haus in Maichingen und das darin eingerichtete Archiv verkaufte Barényi Mitte der 1990er Jahre an die Mercedes-Benz AG.[12]
Béla Barényi, der Vater der passiven Sicherheit, Urheber von 2500[12] angemeldeten Patenten, starb am 30. Mai 1997 im Alter von 90 Jahren in Böblingen. Teile seines Nachlasses erhielt das Technische Museum Wien.
Die Stadt Baden bei Wien benannte 1990 in ihrem Kurpark einen Béla-Barényi-Sitz; am 1. März 1994 wurde an der Villa Welzergasse 33 (ehemalige Villa Georgsberg bzw., ab 12. Juni 1920[16], Schloß-Hotel „Bellevue“)[17] eine Gedenktafel enthüllt.[18]
Ihm zu Ehren wird seit 2005 von der Arbeitsgemeinschaft für Motorveteranen (AMV) und von Bosch für Leistungen an Personen, die sich in der Vergangenheit um den Kraftfahrzeugverkehr verdient gemacht haben, der Béla-Barényi-Preis in der Wiener Zentrale des ÖAMTC verliehen.[19]
Joachim Fischer: Béla Barényi. Es geht um das vernünftige Auto. Motor-Revue, Stuttgart 1974.
Béla Barényi: Viele hupen nimmer. Kraftfahrzeugtechnisches Archiv Barenyi, Maichingen 1984.
Béla Barényi: Porsche hatte einen Vordermann. Selbstverlag Barényi, Maichingen 1987.
Harry Niemann: Béla Barényi, Nestor der passiven Sicherheit. Mercedes-Benz-AG, Stuttgart-Untertürkheim 1994.
Harry Niemann: Béla Barényi – Sicherheitstechnik made by Mercedes-Benz. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-613-02274-5.
Harry Niemann: Pioniere und Meilensteine. Geschichte des Insassen- und Partnerschutzes bei Mercedes-Benz. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-613-04136-3.
Fritz Hanauska: Heimatbuch der Marktgemeinde Hirtenberg. Marktgemeinde Hirtenberg, Hirtenberg 1980, OBV.
Viktor Wallner: Von der Kommandantur zum Kongresscasino. 50 Jahre Baden in Daten und Bildern. 1945–1995. Neue Badener Blätter, Band 6,1, ZDB-ID 2161928-1. Verlag der Gesellschaft der Freunde Badens und der Städtischen Sammlungen, Baden 1993(?), OBV.
Deutsches Patent- und Markenamt: Prof. h.c. Béla Barényi. In: dpma.de, Die Erfindergalerie des Deutschen Patent- und Markenamts, 2008, abgerufen am 16. September 2011.
↑1887 von Karl Hinträger (1859–1913) erbaut für den Hirtenberger Stadtbaumeister Josef Tischler. 1919 schenkte Karoline Keller (1853–1934), Ehefrau von Fridolin Keller, die Villa der Gemeinde, deren Bürgermeister Felix Stika (1887–1971) sie zu einem Rathaus (Gemeindeamt) adaptieren ließ. 1945 wurde das Gebäude von zurückweichenden Wehrmachtsangehörigen in Brand gesteckt und brannte bis zum Keller aus. Dem widmungsgemäßen Wiederaufbau 1950 folgte die festliche Eröffnung am 3. Dezember selben Jahres. Anlieferung und Zufahrt wurden dem Bauvorhaben erleichtert durch die am 9. Februar 1949 dem Verkehr übergebene nächstgelegene Triesting-Brücke, die, 1944 durch Frühjahrshochwasser zerstört, das Erreichen der Nachbargemeinde Enzesfeld sowie der Bahnhaltestelle Hirtenberg empfindlich erschwert hatte. 2003/04 wurde der Verwaltungsbau geschleift und auf der Liegenschaft ein neues Gemeindeamt errichtet. — Hanauska: Hirtenberg, S. 272 f.; Allgemeine Bauzeitung, 1887 (LII. Jahrgang); (Abbruchjahr:) NÖ-Atlas, Luftbilder 2003 und 2007.
↑Mit seiner Abschlussarbeit zu den Grundlagen des späteren Volkswagenkonzepts (Zentralrohrrahmen mit Boxermotor im Heck und Stromlinienkarosserie in Pontonbauweise) nahm er bereits (1925/26) entscheidende Konstruktionsmerkmale des VW vorweg. – Aus: Niemann: Barenyi, Bela.
↑Béla Barényi und sein Team im Hause Daimler-Benz. Beiträge zur Entwicklung eines verkehrsgerechten, sicheren und wirtschaftlichen Alltagsautos ; zusammengestellt aus Anlaß der Verleihung des Aachener und Münchener Preises für Technik und angewandte Naturwissenschaften 1981. Kraftfahrzeugtechnisches Archiv Barenyi, Maichingen 1981, OBV.
↑Wallner: Von der Kommandantur zum Kongresscasino, S. 63.
↑Höchste Auszeichnung der österreichischen Veteranenszene. Ehrenvoll – der Bela Barenyi-Preis. In: Klub der Fahrzeugfreunde und Technikhistoriker Österreichs, 6. September 2008, abgerufen am 13. September 2011. – Online (PDF; 654 kB) (Memento vom 20. September 2009 im Internet Archive).
↑Oldtimer. Martin Pfundner. ÖAMTC Fahrtechnik GmbH, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. November 2016; abgerufen am 28. November 2024.