Dracula (Orchideen)

Dracula

Dracula ubangina

Systematik
Ordnung: Spargelartige (Asparagales)
Familie: Orchideen (Orchidaceae)
Unterfamilie: Epidendroideae
Tribus: Epidendreae
Untertribus: Pleurothallidinae
Gattung: Dracula
Wissenschaftlicher Name
Dracula
Luer

Die Gattung Dracula gehört der Familie der Orchideen (Orchidaceae) an. Sie wurde erst 1978 durch den Botaniker Carlyle A. Luer als eigene Gattung eingestuft, vorher galt sie der Gattung Masdevallia zugehörig (Masdevallia Section Saccilabiatae). Sie umfasst etwa 130 meist epiphytische Arten, die vom südlichen Mexiko bis nach Peru beheimatet sind.[1] Der Name bedeutet kleiner Drache und ist eine Hommage an die von Heinrich Gustav Reichenbach beschriebene Art Dracula chimaera, sowie an die drei äußeren Blütenblätter, die schwanzähnlich auslaufen und an fliegende Fledermäuse erinnern[2] (es heißt, Luer habe die Publizität, die er der Gattung mit diesem Namen verschafft hat, später bereut[3]). Die dunkle Farbe und ein dazu passender Geruch sind offenbar als Nachahmung von Pilz-Fruchtkörpern entstanden. Die Arten der Gattung werden von Fliegen bestäubt, die normalerweise an Pilzen leben.

Die Arten der Gattung Dracula sind meist epiphytische, seltener terrestrische, krautige Pflanzen. Sie wachsen horstig oder mit einem kriechenden oder aufsteigenden Rhizom. Die Wurzeln sind von einem zwei oder drei Zelllagen dicken Velamen umgeben. Der Spross ist von röhrenförmigen Niederblättern umhüllt, er trägt am Ende ein einzelnes, dünn-ledriges Laubblatt. Das Blatt ist längs der Mittelrippe gekielt oder mit mehreren längs verlaufenden Adern versehen. Die Blattform ist linealisch bis elliptisch, das Blatt endet meist spitz, die Blattbasis ist stielartig verschmälert. Auf beiden Blattseiten sind drüsige Haare vorhanden.[4]

Blüte von Dracula iricolor

Der traubige Blütenstand enthält meist mehrere, sich nacheinander öffnende Blüten, selten ist er einblütig. Die Tragblätter der Blüten umfassen den Blütenstandsstiel röhrenförmig. Der Fruchtknoten ist unbehaart, die Blüten sind resupiniert. Die drei äußeren Blütenhüllblätter (Sepalen) sind oval geformt, sie enden spitz oder stumpf und besitzen einen lang auslaufenden Fortsatz. Sie sind in unterschiedlichem Grad miteinander verwachsen. Die seitlichen Petalen sind klein, länglich geformt und von knorpliger Textur. Sie sind am Ende zu zwei warzigen Taschen zusammengezogen. Die Lippe ist spatelförmig und fleischig, sie ist gelenkig mit der Säule verbunden. Die Säule ist im Querschnitt halbkreisförmig, an den Seiten geflügelt. Sie bildet einen „Fuß“, an dem die Lippe ansetzt. Das Staubblatt enthält zwei seitlich zusammengedrückte Pollinien, die Narbe besteht aus einer Fläche. Es werden elliptische Kapselfrüchte gebildet.[4]

Die Arten der Gattung Dracula sind in Mittel- und Südamerika beheimatet, das Verbreitungsgebiet reicht vom Süden Mexikos bis nach Peru. Die meisten Arten sind aus den Ländern des Andengürtels beschrieben. In Kolumbien leben 72 Arten,[5] in Ecuador 53, in Costa Rica nur noch vier. Die Gattung fehlt z. B. auf den Antillen, in Venezuela, Bolivien und Brasilien.

Die meisten Arten sind aus ungestörten Tropenwäldern bekannt geworden, nur wenige auch aus Sekundärwäldern, sie sind meist selten mit kleinem Verbreitungsgebiet. Die Gattung findet man in Höhenlagen von 300 bis 2.800 Metern, die größte Artenvielfalt jedoch vor allem in Wäldern der Gebirgsregenwaldstufe von etwa 1.500 bis 2.500 Höhenmetern.[4]

Die Dracula-Arten sind Epiphyten in immerfeuchten Wäldern, wo sie in einer Moos- oder Humusschicht wachsen.[4]

Bei einigen Arten verströmen die Blüten einen Geruch nach Pilzen. Bei Dracula chestertonii wurden die Duftstoffe 1-Octen-3-ol und 3-Octanon festgestellt, Dracula chimaera riecht ähnlich. Der Duft lockt Fliegen als Bestäuber an, die normalerweise an Pilzen leben.[4] In Einzelfällen kommt es hier sogar zur Eiablage durch getäuschte Fliegen.[6] Bei den Arten Dracula lafleurii und Dracula felix wurden an Pilzen lebende Fruchtfliegen (Drosophilidae) als Bestäuber identifiziert. Die Bestäubung erfolgt hier durch einen Klemm-Mechanismus des Säulchens, der die Fliegen temporär einklemmt.[2] Eine Ausnahme bildet Dracula sodiroi, die von Vögeln bestäubt wird.[4]

Die Gattungen Dracula und Masdevallia zeichnen sich durch spektakuläre Blüten in der sonst unscheinbaren Untertribus Pleurothallidinae aus. Dadurch sind sie bei Sammlern und Züchtern begehrt, einige Arten werden kommerziell gehandelt.[7] Durch illegales Besammeln und Abholzung von Tropenwäldern sind zahlreiche Arten in ihrem Bestand bedroht, möglicherweise sind vierzehn der beschriebenen Arten bereits ausgestorben. Die Arten sind besonders gefährdet durch ihre Seltenheit und ihr meist nur kleines Verbreitungsgebiet. Zahlreiche Arten sind nur von einem einzigen Fundort bekannt, mehr als zwei Drittel der Arten von drei oder weniger. Handelsbeschränkungen durch Aufnahme in das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) werden erwogen.[8]

Dracula chestertonii
Dracula chimaera
Dracula diabola
Dracula erythrochaete
Dracula gorgona
Dracula lotax
Dracula minax
Dracula posadarum
Dracula robledorum
Dracula sijmii
Dracula simia
Dracula vampira
Dracula vespertilio

Systematik und botanische Geschichte

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Die Gattung Dracula gehört zur Subtribus Pleurothallidinae. Nach DNA-Analysen stellt sie eine monophyletische Gruppe dar. Nah verwandt sind die Gattungen Diodonopsis, Masdevallia, Porroglossum und Trisetella; Dracula ist die Schwestergruppe zu einer Klade aus Masdevallia und Porroglossum. Innerhalb der Pleurothallidinae stellt Dracula eine der jüngsten Gruppen dar, entsprechend unterscheiden sich die einzelnen Arten auf der Ebene der DNA nur wenig voneinander.[4]

Die Gattung wurde 1978 von Carlyle August Luer in Selbyana Band 2, Seite 190 aufgestellt. Luer publizierte mehrere Arbeiten zu dieser Gattung, unter anderem eine Unterteilung in Untergattungen, Sektionen, Subsektionen und Serien. Diese Aufteilung spiegelt wahrscheinlich nicht die Verwandtschaftsverhältnisse der Arten wider, wird aber zu Bestimmungszwecken als nützlich angesehen.[4]

Die folgende alphabetische Liste der Gattung Dracula umfasst 138 Arten und drei Naturhybriden, die von den Wissenschaftlern von Kew Gardens, London, als gültig akzeptiert sind.[9]

Und die Hybriden:

Einzelnachweise

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  1. Dracula Luer – Specimen Country Map. In: Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, abgerufen am 7. Juli 2012 (englisch).
  2. a b Lorena Endara, David A. Grimaldi, Bitty A. Roy: Lord of the flies: Pollination of Dracula orchids. In: Lankesteriana 10(1): 1-11. 2010. (Online; PDF-Datei; 4,39 MB)
  3. nach Clare Drinkell (2007): 586. Dracula cordobae, Orchidaceae. Curtis's Botanical Magazine, 24: 101–107. doi:10.1111/j.1467-8748.2007.00570.x
  4. a b c d e f g h Alec M. Pridgeon, Phillip Cribb, Mark W. Chase (Hrsg.): Genera Orchidacearum. Epidendroideae (Part one). 2. Auflage. Band 4/1. Oxford University Press, New York und Oxford 2005, ISBN 0-19-850712-7, S. 349–351.
  5. Calderón Sáenz, Eduardo Farfán Camargo, Julián Camilo (2003): Especies de los géneros Dracula y Masdevallia (Orchidaceae) en Colombia. Biota Colombiana 4(2): 187-201 (PDF).
  6. Roman Kaiser (2006): Flowers and Fungi Use Scents to Mimic Each Other. Science 311: 806-807. doi:10.1126/science.1119499
  7. zur Zucht vgl. Dracula Luer by Culturesheet.org (Memento vom 14. April 2013 im Webarchiv archive.today).
  8. Harold Koopowitz, Alan Thornhill, Mark Anderson (1993): Species distribution profiles of the neotropical orchids Masdevallia and Dracula (Pleurothallidinae, Orchidaceae); implications for conservation. Biodiversity and Conservation Volume 2, Number 6: 681-690, doi:10.1007/BF00051967.
  9. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar as at au av aw ax ay az ba bb bc bd be bf bg bh bi bj bk bl bm bn bo bp bq br bs bt bu bv bw bx by bz ca cb cc cd ce cf cg ch ci cj ck cl cm cn co cp cq cr cs ct cu cv cw cx cy cz da db dc dd de df dg dh di dj dk dl dm dn do dp dq dr ds dt du dv dw dx dy dz ea eb ec ed ee ef eg Dracula. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science, abgerufen am 8. Mai 2020.
Commons: Dracula – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien