Drehfrucht (Streptocarpus), auch eingedeutscht Streptokarpus genannt, ist eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Gesneriengewächse (Gesneriaceae). Die etwa 135 Arten gedeihen hauptsächlich in den Wäldern des tropischen und südlichen Südafrikas und Madagaskars. Viele Sorten werden als Zimmerpflanzen verwendet.
Sowohl ihren deutschsprachigen Trivialnamen Drehfrucht als auch den botanischen Namen Streptocarpus bekam diese Pflanzengattung aufgrund der spiralig gedrehten, langen Früchte, welche von den meisten Arten gebildet werden. Der botanische Gattungsname Streptocarpus leitet sich aus den griechischen Wörtern: στρεπτός, streptos für gedreht und καρπός, karpos für Frucht ab.
Streptocarpus-Arten sind ein- bis mehrjährige, also monokarpe hapaxanthe Pflanzen oder meist ausdauernde, also pollakanthe, polykarpische Pflanzen. Sie wachsen als immergrüne, krautige Pflanzen, die selten an ihrer Basis verholzen. Der größere Teil der Arten ist acaulescent, das bedeutet die Sprossachse ist gestaucht. Einige Arten bilden mehr oder weniger lange Sprossachsen aus, die selbständig aufrecht, kriechend bis überhängend sind.
Die Laubblätter der meisten Arten sind in grundständigen Rosetten angeordnet. Ausnahmen sind einige Arten, welche nur ein einziges großes Blatt bilden, das durch ein Basalmeristem lebenslang wächst, wie zum Beispiel Streptocarpus wendlandii und Streptocarpus dunnii. Bei den Arten der Untergattung Streptocarpella sind die Laubblätter gegenstängig an den Stängeln entlang verteilt; zu ihnen gehört beispielsweise Streptocarpus saxorum. Die meist fein behaarten und leicht brechenden Laubblätter sind bei der Untergattung Streptocarpella mehr oder weniger lang gestielt und meist ungestielt. Die einfachen Blattspreiten sind bei der Untergattung Streptocarpus meist länglich und bei der Untergattung Streptocarpella meist fast kreisförmig, selten verkehrt eiförmig bis elliptisch.
Auf seitenständig an langen Blütenstandsschäften stehen die Blüten selten einzeln, meist zu einigen bis vielen in zymösenBlütenständen.
Die einzelnen Blüten halten einen Tag bis mehrere Wochen je nach Art. Die zwittrigen, zygomorphenBlüten sind fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die fünf Kelchblätter sind meist frei oder höchstens an ihrer Basis verwachsen. Die fünf Blütenkronblätter sind röhrig verwachsen und die Kronröhre endet zweilippig. Die Farben der Kronblätter reichen von blau über violett und rosa bis rot und weiß. Von den zwei Paaren Staubblättern ist nur eines fertil, von dem anderen zu Staminodien reduziertem Paar fehlt meistens ein Staminodium. Die Staubfäden sind in der Mitte oft verdickt. Die Nektarien sind ringförmig oder kurz becherförmig. Zwei Fruchtblätter sind zu einem eiförmigen bis zylindrischen, unterständigen, meist einkammerigen Fruchtknoten verwachsen. Die Narbe ist je nach Art unterschiedlich.
Die mehr oder weniger zylindrischen, sich während der Entwicklung spiralig drehenden Kapselfrüchte, öffnen sich bei Reife mit einem Schlitz und die Spirale dreht sich auf, wenn sie alt sind. Dann springen sie in vier Klappen auf und enthalten viele Samen. Die sehr feinen (winzigen) Samen besitzen eine netzartige oder warzige Oberfläche. Ein Gramm Samen enthält circa 40.000 bis 80.000 Korn.
Von einigen Drehfrucht-Arten und -Hybriden werden Sorten als Zimmerpflanzen verwendet.[1]
Die Hauptblütezeit der Sorten reicht von Februar bis Oktober, die einzelnen Blüten halten einen bis mehrere Tage je nach Sorte. Die Blütenfarben der Sorten reichen von blau über violett und rosa bis rot und weiß. Auch Züchtungen mit mehrfarbigen Blüten gibt es.
Die Sorten der Drehfrucht mögen es entsprechend ihrer tropischen Herkunft ganzjährig warm ohne direkte Sonne und haben gern eine hohe Luftfeuchtigkeit. Beim Gießen ist darauf zu achten, nur auf die Erde, nicht aber auf oder zwischen die Blätter zu gießen, da dies zur Fäulnis führen kann. Bei mäßigem Gießen blüht die Drehfrucht lange und intensiv. Die Drehfrucht ist ein Lichtkeimer. Meist wird sie jedoch durch Blattstecklinge vermehrt.[1]
Die Gattung Streptocarpus wurde 1828 durch John Lindley in Botanical Register; Consisting of Coloured Figures of Exotic Plants Cultivated in British Gardens; with their History and Mode of Treatment, London, vol. 14 – Appendix to the first … A Sketch of the Vegetation of the Swan River Colony. …, Tafel 1173 aufgestellt. Die Typusart ist Streptocarpus rexii(Bowie ex Hook.) Lindl. Es gibt ein HomonymStreptocarpusPoech, das ein Synonym von EncalyptaHedw. in der Moosfamilie Encalyptaceae ist.[2]
Die Verwandtschaftsgruppe Streptocarpus, Acanthonema, Colpogyne, Hovanella, Linnaeopsis, Nodonema, Saintpaulia, Schizoboea und Trachystigma wird kontrovers diskutiert. Nach Nishii et al. 2015 gehören alle diese Gattungen in eine erweiterte Gattung Streptocarpus ist gegliedert in die zwei Untergattungen Streptocarpus und Streptocarpella mit einigen Sektionen.[3]
Diese erweiterte Gattung Streptocarpus s. l. gehört zur Subtribus Streptocarpinae aus der Tribus Trichosporeae Nees innerhalb der Familie der Gesneriaceae.[4] Bei manchen Autoren sind auch die Arten der Gattung Saintpaulia in die Gattung Streptocarpus eingegliedert. Die vier asiatischen Arten gehören wahrscheinlich zu anderen Gattungen mit gedrehten Früchten. Die Gattung Streptocarpus ist in die zwei Untergattungen Streptocarpus (2n = meist 32 und Vielfache davon: 64, 96, 128) und StreptocarpellaEngl. (2n = meist 30) gegliedert.
In der Gattung Streptocarpus s. l. gibt es etwa 135 Arten (hier mit Angabe des Heimatlandes)[5]:
Streptocarpus insularisHutchinson & Dalziel (Syn.: Streptocarpus denticulatusEngl. non Turrill): Es ist ein Endemit der Insel Bioko vor der westafrikanischen Küste.
Streptocarpus ionanthus(H.Wendl.) Christenh.: Diese Neukombination erfolgte 2012. Die etwa zehn Unterarten kommen nur in jeweils kleinen Gebieten in Kenia und östlichen sowie südwestlichen Tansania vor.
Streptocarpus nitidus(B.L.Burtt) Mich.Möller & Haston: Diese Neukombination erfolgte 2012.
Streptocarpus nobilisC.B.Clarke (Syn.: Streptocarpus albiflorusEngler, Streptocarpus albiflorus f. nanusEngler, Streptocarpus atroviolaceusEngler, Streptocarpus balsaminoidesEngler, Streptocarpus balsaminoides var. tenuifoliusEngler, Streptocarpus balsaminoides var. winkleriEngler, Streptocarpus chariensisA.Chev. nom. nud., Streptocarpus kerstingiiEngler, Streptocarpus lagosensisC.B.Clarke in Dyer, Streptocarpus ledermanniiEngler, Streptocarpus princepsMildbr. & Engler, Streptocarpus violascensEngler, Streptocarpus violascens f. nanusEngler): Sie ist weitverbreitet im tropischen Westafrika von Gambia über Kamerun bis zur Zentralafrikanischen Republik.
Die Gattung Streptocarpus ist seit langem ein Forschungsobjekt, bei dem verschiedene Aspekte der Botanik wie die Phylogenie und Ontogenie verschiedener Arten unter anderem mit Hilfe biochemischer und molekularbiologischer Methoden untersucht werden. Dieter Heß entdeckte 1961 die mRNA als Auslöser der Blühinduktion bei Streptocarpus wendlandii.
Anton Weber, Laurence E. Skog: The Genera of Gesneriaceae von der Fakultät Botanik der Universität Wien & Department of Systematic Biology, Botany Smithsonian Institution, 2007: Streptocarpus.
Kanae Nishii, Mark Hughes, Marie Briggs, Elspeth Haston, Frieda Christie, Margaret J. DeVilliers, Thea Hanekom, Wiets G. Roos, Dirk U. Bellstedt, Michael Möller: Streptocarpus redefined to include all Afro-Malagasy Gesneriaceae: Molecular phylogenies prove congruent with geographical distribution and basic chromosome numbers and uncover remarkable morphological homoplasies. In: Taxon, Volume 64, Issue 6, Dezember 2015, S. 1243–1274. doi:10.12705/646.8
↑ ab
Gordon Cheers (Hrsg.): Botanica: Das ABC der Pflanzen. 10.000 Arten in Text und Bild. Könemann Verlagsgesellschaft, 2003, ISBN 3-8331-1600-5, S.862–863.
↑Streptocarpus bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis
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Kanae Nishii, Mark Hughes, Marie Briggs, Elspeth Haston, Frieda Christie, Margaret J. DeVilliers, Thea Hanekom, Wiets G. Roos, Dirk U. Bellstedt, Michael Möller: Streptocarpus redefined to include all Afro-Malagasy Gesneriaceae: Molecular phylogenies prove congruent with geographical distribution and basic chromosome numbers and uncover remarkable morphological homoplasies. In: Taxon, Volume 64, Issue 6, Dezember 2015, S. 1243–1274. doi:10.12705/646.8
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Anton Weber, David J. Middleton, John L. Clark, Michael Möller: Keys to the infrafamilial taxa and genera of Gesneriaceae. In: Rheedea, Volume 30, Issue 1, Mai 2020, S. 5–47. doi:10.22244/rheedea.2020.30.01.02