Drehwurzen, auch Wendelähren und Schraubenstendel genannt, bilden die GattungSpiranthes in der Familie der Orchideen (Orchidaceae). Die Gattung enthält 33 bis 50[1]Arten, hauptsächlich aus Nordamerika, aber auch aus Europa, Asien, Afrika und Australien.
Die Arten der Gattung Spiranthes sind terrestrisch wachsende, kleine, ausdauernde, krautige Pflanzen. Die Wurzeln entspringen büschelweise an der Basis des Sprosses, sie sind fleischig, schlank zylindrisch bis spindelförmig verdickt, nicht behaart. Die Laubblätter stehen in einer Rosette dicht beieinander, seltener sind sie in der unteren Hälfte des Sprosses verteilt. Die Blattform ist oval bis linealisch, der Blattgrund geht keilförmig ohne Stiel oder mit einem undeutlich abgesetzten Stiel in eine den Stängel umfassende Scheide über. Zur Blütezeit sind die Blätter häufig schon verwelkt.[1][2][3]
Der endständige, aufrechte, traubigeBlütenstand enthält viele Blüten, die ein- oder mehrzeilig spiralig angeordnet sind. Der Blütenstandsschaft ist nur im oberen Bereich behaart, oft mit Drüsenhaaren. Die Hochblätter, die den Blütenstandsstiel teilweise verhüllen, sind röhrenförmig und enden spitz. Die Tragblätter sind oval bis lanzettlich und können behaart sein.[1][2][3]
Die resupinierten, duftenden, zwittrigen Blüten sind zygomorph und dreizählig. Der Fruchtknoten ist spindelförmig, behaart und verdreht. Er weist nach oben, während die röhrenförmige Blütenhülle waagrecht steht oder leicht nickend ist. Die Blütenhüllblätter sind weiß, hellgelb oder hellgrün, bei wenigen Arten rosafarben. Die Sepalen sind einander ungefähr gleich geformt, nicht miteinander verwachsen, die Außenseite kann etwas behaart sein. Die Ränder der drei äußeren Blütenblätter liegen an der Basis aneinander und formen eine Röhre, die Spitzen sind meist zurückgeschlagen. Die seitlichen Petalen haften an den äußeren Blütenblättern an, sie sind spatelförmig bis lanzettlich. Die Lippe ist an der Basis abrupt verschmälert (genagelt), der Nagel ist kurz und keilförmig. Die Lippe setzt sich mit der längs nach unten gebogenen, im Querschnitt u-förmigen Spreite fort. An der Basis der Spreite befinden sich am Rand zwei verdickte, nach hinten gerichtete Nektardrüsen. Der vordere Rand der Lippe ist häufig gewellt. Die Säule ist kurz und etwas keulenförmig, an der Unterseite ist sie behaart. Das Staubblatt ist oval, es wird teilweise von einem dünnen Gewebe der Säule umhüllt (Klinandrium). Die Pollinien sind gelb, schmal oval mit einer tiefen Längsfurche. Sie hängen – über Stielchen oder direkt – an einer länglichen Klebscheibe (Viscidium). Die Narbe ist halbkreisförmig bis oval. Das Trenngewebe zwischen Narbe und Staubblatt (Rostellum) ist dreieckig, an der Spitze zweilappig mit v-förmigem Einschnitt, die resultierenden Lappen (zwischen denen das Viscidium sitzt) sind dünn und spitz.[1][2][3]
Drehwurzen kommen bis in Höhenlagen von 3600 Meter vor. Die Standorte sind meist offene, sonnige Stellen, etwa in Grasland oder lichten Wäldern. Meist handelt es sich um frische bis leicht trockene Böden, einige Arten haben sich auf nasse oder zeitweise überflutete Standorte spezialisiert.[2]
Spiranthes wird innerhalb der TribusCranichideae in die Subtribus Spiranthinae eingeordnet. Die Gattung Spiranthes wurde 1817 von Richard in De Orchideis Europaeis Annotationes Seite 20, 28, 36 aufgestellt. Lektotyp ist Spiranthes spiralis. Der Name Spiranthes wurde gegenüber den älteren Bezeichnungen OrchiastrumSég. und AristoteleaLour. als nomen conservandum beibehalten. Er leitet sich von den griechischen Worten σπεῖρα speira für „Spirale“ und ἄνθος anthos für „Blüte“, ab.
Die Drehwurzen haben eine fast weltweite Verbreitung. Die größte Artenvielfalt findet man in Nordamerika, aber auch Zentralamerika und der äußerste Norden Südamerikas werden besiedelt. Weitere Arten kommen in Europa, Nordafrika und Asien vor. In Südostasien erstreckt sich das Verbreitungsgebiet über die indonesische Inselwelt bis nach Australien und Neuseeland.[5]
Folgende Arten waren 2003 laut der Checkliste der Kew Gardens in der Gattung Spiranthes enthalten,[5] dies wird von anderen Autoren anders bewertet:
Sommer-Drehwurz (Spiranthes aestivalis(Poir.) Rich.), kommt in Europa und Nordafrika vor
Spiranthes arcisepalaM.C.Pace: Die 2017 erstbeschriebene Art kommt vom östlichen Kanada bis Virginia vor.[5]
Spiranthes australis(R.Br.) Lindl. (Syn.: Spiranthes alticolaD.L.Jones, Spiranthes angustilabrisJ.J.Sm., Spiranthes elytraD.L.Jones & R.J.Bates, Neottia australisR.Br.): Sie kommt vom östlichen europäischen Russland bis zu den Inseln im südwestlichen Pazifik vor.[5]
Spiranthes brevilabrisLindl.: Sie kommt mit beiden Varietäten von den südöstlichen Vereinigten Staaten bis ins östliche Texas vor.[5]
Spiranthes brevilabrisLindl. var. brevilabris
Spiranthes brevilabris var. floridana(Wherry) Luer
Spiranthes caseiCatling & Cruise var. casei: Sie kommt vom östlichen Kanada bis in die nordöstlichen Vereinigten Staaten vor.[5]
Spiranthes casei var. novaescotiaeCatling: Sie kommt nur in Nova Scotia vor.[5]
Spiranthes cernua(L.) Rich. (Syn.: Spiranthes parksiiCorrell): Sie kommt im östlichen Kanada und in den zentralen und östlichen Vereinigten Staaten vor.[5]
Spiranthes eatoniiAmes ex P.M.Br.: Sie kommt von den südöstlichen Vereinigten Staaten bis ins östliche Texas vor.[5]
Spiranthes flexuosa(Sm.) Lindl. (Syn.: Spiranthes himalayensisSurvesw., Kumar & Mei Sun): Sie kommt vom nördlichen Afghanistan bis zum südlich-zentralen Japan und dem westlichen Malesien vor.[5]
Spiranthes × hongkongensisS.Y.Hu & Barretto = Spiranthes flexuosa × Spiranthes sinensis. Sie kommt im südöstlichen China, im östlichen Borneo, in Taiwan und auf den Nansei-Inseln vor.[5]
Spiranthes × intermediaAmes = Spiranthes lacera × Spiranthes vernalis: Sie kommt vom südöstlichen Kanada bis zu den nordöstlichen Vereinigten Staaten vor.[5]
Spiranthes × kapnosperiaM.C.Pace = Spiranthes cernua × Spiranthes ochroleuca: Sie kommt in den östlich-zentralen Vereinigten Staaten vor.[5]
Spiranthes lacera(Raf.) Raf.: Sie kommt in Kanada und in den Vereinigten Staaten vor.[5] Mit zwei Varietäten:
Spiranthes lacera var. gracilis(Bigelow) Luer: Sie kommt vom südlichen Ontario bis zu den zentralen und östlichen Vereinigten Staaten vor.[5]
Spiranthes lacera(Raf.) Raf. var. lacera: Sie kommt vom zentralen und östlichen Kanada bis zu den östlich-zentralen und nordöstlichen Vereinigten Staaten vor.[5]
Romanzoffs Drehwurz, Irische Drehwurz oder Amerikanische Drehwurz (Spiranthes romanzoffianaCham.): Sie kommt vom subarktischen Amerika bis in die nördlichen und westlich-zentralen Vereinigten Staaten vor, auch in Großbritannien und in Irland vor.[5] In Europa gedeiht sie in moorigen und sumpfigen Wiesen in Höhenlagen zwischen 0 und 240 Metern Meereshöhe.[6]
Spiranthes × simpsoniiCatling & Sheviak = Spiranthes lacera × Spiranthes romanzoffiana: Sie kommt vom südöstlichen Kanada bis zu den nördlich-zentralen Vereinigten Staaten vor.[5]
Chinesische Drehwurz (Spiranthes sinensis(Pers.) Ames): Sie kommt von Assam bis ins südlich-zentrale Japan und Neukaledonien vor.[5]
Herbst-Drehwurz (Spiranthes spiralis(L.) Chevall., Syn.: Spiranthes autumnalis(Balb.) Rich.): Sie kommt in Europa, in Vorderasien bis zum zentralen Himalaja und in Nordafrika vor.[5]
Spiranthes × stellataP.M.Br., Dueck & K.M.Cameron = Spiranthes perexilis × Spiranthes romanzoffiana: Sie kommt im zentralen Kalifornien vor.[5]
Spiranthes torta(Thunb.) Garay & H.R.Sweet: Sie kommt von Mexiko bis Costa Rica und vom südlichen Florida bis in die Karibik und außerdem in Französisch-Guayana vor.[5]
Spiranthes tuberosaRaf.: Sie kommt in den östlichen und in den östlich-zentralen Vereinigten Staaten vor.[5]
Spiranthes vernalisEngelm. & A.Gray: Sie kommt von den östlichen und östlich-zentralen Vereinigten Staaten bis Guatemala und außerdem auf den Bahamas vor.[5]
Spiranthes hachijoensis, 2023 erstbeschriebene Art, die in Japan vorkommt und Spiranthes australis ähnelt, jedoch haarlosen Blütenstiel aufweist.[7][8]
Alec M. Pridgeon, Phillip Cribb, Mark W. Chase, Finn Rasmussen (Hrsg.): Genera Orchidacearum. Orchidoideae (Part 2). Vanilloideae. Band3. Oxford University Press, New York und Oxford 2003, ISBN 0-19-850711-9, S.258–266.
Xinqi Chen, Stephan W. Gale, Phillip J. Cribb: Spiranthes. In: Wu Zhengyi, Peter H. Raven (Hrsg.): Flora of China. Band25. Missouri Botanical Garden Press, St. Louis, S.24 (eFloras.org – 1994+).
Charles John Sheviak, Paul Martin Brown: Spiranthes. In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Band26. Oxford University Press, New York und Oxford, S.530 (eFloras.org – 1993+).
Walter Erhardt et al.: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7
↑ abcde
Xinqi Chen, Stephan W. Gale, Phillip J. Cribb: Spiranthes. In: Wu Zhengyi, Peter H. Raven (Hrsg.): Flora of China. Band25. Missouri Botanical Garden Press, St. Louis, S.24 (eFloras.org – 1994+).
↑ abcdef
Alec M. Pridgeon, Phillip Cribb, Mark W. Chase, Finn Rasmussen (Hrsg.): Genera Orchidacearum. Orchidoideae (Part 2). Vanilloideae. Band3. Oxford University Press, New York und Oxford 2003, ISBN 0-19-850711-9, S.258–266.
↑ abcd
Charles J. Sheviak, Paul Martin Brown: Spiranthes. In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Band26. Oxford University Press, New York und Oxford, S.530 (eFloras.org – 1993+).
↑
Gerardo A. Salazar, Mark W. Chase, Miguel A. Soto Arenas, Martin Ingrouille: Phylogenetics of Cranichideae with emphasis on Spiranthinae (Orchidaceae, Orchidoideae): evidence from plastid and nuclear DNA sequences. In: American Journal of Botany. Band90, 2003, S.777–795 (amjbot.org).
↑
Kenji Suetsugu, Shun K. Hirota, Hiroshi Hayakawa et al.: Spiranthes hachijoensis (Orchidaceae), a new species within the S. sinensis species complex in Japan, based on morphological, phylogenetic, and ecological evidence. In: Journal of Plant Research. 2023, doi:10.1007/s10265-023-01448-6.