Klassifikation nach ICD-10 | |
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I01.1 | Akute rheumatische Endokarditis |
I09.1 | Rheumatische Krankheiten des Endokards, Herzklappe nicht näher bezeichnet - Chronische rheumatische Endokarditis |
I33 | Akute und subakute Endokarditis |
I38 | Endokarditis, Herzklappe nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die Endokarditis (Plural: Endokarditiden; lateinisch Endocarditis) oder Herzinnenhautentzündung ist eine Entzündung der Herzinnenhaut (Endokard), die die Herzhöhlen und den herznahen Anteil der Arterien und Venen auskleidet und auch die Struktur der Herzklappensegel bildet. Unbehandelt ist der Krankheitsverlauf meist tödlich. Man unterscheidet infektiöse (bakterielle) von nichtinfektiösen (abakteriellen) Endokarditiden. In Westeuropa ist die bakterielle Endokarditis selten geworden und seit der Einführung von Antibiotika auch behandelbar. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Todesfälle durch Endokarditis infolge der Ausbreitung von nosokomialen Infektionen mit multiresistenten Erregern allerdings wieder an. Eine erhöhte Gefahr, an einer Endokarditis zu erkranken, besteht ferner bei Vorliegen von angeborenen oder erworbenen Herzfehlern (insbesondere nach Herzklappenersatz).
Abakterielle Endokarditis (nichtinfektiöse Endokarditis)
Infektiöse Endokarditis
- hochakut verlaufende bakterielle Endokarditis, genannt auch akute septische Endokarditis und Endocarditis ulcerosa (Erreger: Staphylococcus aureus, Streptococcus, Enterococcus)
- subakut verlaufende bakterielle Endokarditis = Endocarditis lenta (Erreger: Viridans-Streptokokken, wie Streptococcus sanguinis (früher als S. sanguis bezeichnet), S. equinus (früher als S. bovis bezeichnet), S. mutans, S. mitis)
Bei allen Herzfehlern, bei denen der Blutstrom im Herzen nicht „normal“ ist, kann es durch Verwirbelungen des Blutstromes an immer wieder den gleichen Stellen zu kleinsten Verletzungen der Herzinnenhaut kommen. Diese Stellen sind dann anfällig für eine Entzündung, wenn (meistens) Bakterien ins Blut kommen und von dort aus eine Infektion beginnt, die auf weitere Anteile der Herzinnenhaut und eine oder mehrere Herzklappen übergreift.
Durch Wunden (darunter auch invasive ärztliche Maßnahmen), Verletzungen innerhalb der Mundhöhle, fieberhafte Erkrankungen (z. B. Bronchitis, Lungenentzündung, Mandelentzündung und Harnwegsinfekte) können Bakterien ins Blut gelangen und, insbesondere nach Herzklappenersatz, die Basis für eine Endokarditis bilden, die bei herzgesunden Menschen durch das lymphoretikuläre System (Leber, Milz, Lymphknoten, Fresszellen) rechtzeitig verhindert wird.
Häufig treten auch Endokarditiden bei i.v.-Drogenabhängigen auf, bei denen dann meist eine hochakute bakterielle Endokarditis zu finden ist.
Eine verminderte Immunabwehr, etwa durch HIV-Infektion, begünstigt das Auftreten einer Endokarditis.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde die Infektion mit nosokomialen Keimen auch in Bezug auf Endokarditis ein zunehmend ernstes Problem. In Deutschland ist für fast jede zweite Endokarditis S. aureus verantwortlich, wobei die Keime etwa 50 % nosokomial erworben wurden und verschiedene Multiresistenzen aufwiesen. Infolge dieser Entwicklung stieg die Letalität bei Endokarditis wieder deutlich an, in Deutschland von 1105 (1990) auf 1790 Todesfälle im Jahre 2013.[1]
Die auslösenden Keime einer Endokarditis sind Bakterien (Brucella melitensis, Streptokokken, Staphylokokken, Enterokokken, Enterobakterien, Gonokokken, Bakterien der sog. HACEK-Gruppe u. a.) und gelegentlich Hefepilze. Hinweise auf die Möglichkeit einer viralen Endokarditis gibt es außerhalb weniger tierexperimenteller Studien nicht.[2][3]
Das Risiko für eine infektiöse Endokarditis wird wie folgt angegeben:
Patienten mit mittlerem und hohem Endokarditisrisiko haben in aller Regel von ihrem Kardiologen einen Endokarditispass bekommen, den sie z. B. bei Zahnarztbehandlungen vorlegen.
Im Zuge der Blutvergiftung (Sepsis) und dem septischen bzw. toxischen Schock bei giftbildenden Bakterien kann es zu einem akuten Organausfall kommen (Nierenversagen, sog. Schockniere und/oder Lungenversagen, sog. Schocklunge).
Einen zentralen Stellenwert in der Diagnostik der Endokarditis nehmen heute die (modifizierten) Duke-Kriterien ein. Für die Diagnostik einer Endokarditis stehen die Echokardiografie, Blutkulturen zur bakteriologischen Untersuchung, feingewebliche Untersuchungen und die klinische Untersuchung zur Verfügung, zum Teil mit weiteren bildgebenden Methoden. Der Nachweis von Herzklappenveränderungen oder neu aufgetretenen Vegetationen im Herzen oder der Nachweis von Keimen in der Blutkultur sind sichere Zeichen. Beide Nachweise sind aber manchmal schwer zu erbringen, weil sich trotz vorliegender Endokarditis noch keine Klappenveränderungen/Vegetationen gebildet haben oder der Nachweis von Keimen in der Blutkultur nicht gelingt, weil der Patient vorher schon Antibiotika bekommen hat.
Gelingt der Nachweis von Bakterien in der Blutkultur nicht (5 bis 10 % der Fälle) oder ist er noch nicht bekannt, dann muss bei der akuten Infektion und beim Vorliegen der klinischen Zeichen kalkuliert („blind“) behandelt werden. Hierbei wird bei der Auswahl der Antibiotika das unterschiedliche Erregerspektrum bei Vorliegen von natürlicher Herzklappen (Nativklappen) und Klappenprothesen berücksichtigt. Man führt klinisch unter anfänglich strenger Bettruhe eine breit wirksame intravenöse antibiotische Therapie über eine Zeit von vier bis sechs Wochen durch, wobei mindestens die ersten zwei Therapiewochen unter stationärer Kontrolle erfolgen. Danach folgt eine ein- bis zweiwöchige kritische Beobachtung. Bei einem subakuten Verlauf kann das Vorliegen mikrobiologischer Untersuchungsergebnisse gegebenenfalls abgewartet werden und dann gezielt antibiotisch behandelt werden.
Eine einmal durchgemachte Endokarditis bewirkt ein erhöhtes Risiko für eine weitere Erkrankung. Deshalb ist die Prophylaxe (s. u.) von besonderer Wichtigkeit.
Bei aktiver Endokarditis kommt auch eine chirurgische Therapie in Betracht, zum Beispiel bei lebensbedrohlichen Herzklappeninsuffizienzen, Abszessen oder größeren bzw. sich ausbreitenden Vegetationen im Bereich von Herzklappen, schwer therapierbaren Erregern oder trotz Therapie weiterbestehendem Fieber bzw. weiterbestehener Keimzahl im Blut, Sepsis und septischem Schock, akuter Embolie im Gehirn und bei Endokarditis durch Infektion einer Gelenkprothese.
Bei planbaren Eingriffen (Zahnmedizin, Endoskopie, Operation s. o.) ist bei Patienten mit erhöhtem Endokarditisrisiko an eine Prophylaxe zu denken, die beispielsweise aus der Gabe eines Antibiotikums ca. eine Stunde vor der Behandlung und ggf. einer zweiten Gabe einige Stunden danach besteht. Eine gute Mundhygiene ist grundsätzlich vorteilhaft; sie reduziert die Keimzahl ständig und nicht nur bei Zahnarztbesuchen.
Neue Richtlinien zur Prophylaxe einer bakteriellen Endokarditis einschließlich einer umfassenden Diskussion über deren Entstehungsmöglichkeiten wurden 2007 von der American Heart Association (AHA) veröffentlicht.[5] Die AHA bewertete das Risiko einer Endokarditisinfektion deutlich zurückhaltender als bisher und hielt die bisher geübte Prophylaxe in einem Großteil der Fälle für verzichtbar. Auch die Europäische Gesellschaft für Kardiologie beschränkte in ihren Leitlinien 2009 die prophylaktische Gabe von Antibiotika auf Hochrisikopatienten.[6]
Eine Endokarditisprophylaxe ist bei folgenden Patienten mit hohem Endokarditis-Risiko derzeit notwendig:[7]
Die Durchführung einer Endokarditis-Prophylaxe erfolgt mit Antibiotika wie Amoxicillin (oder Ampicillin), bei Penicillinallergie mit Clindamycin (alternativ Cefalexin oder Clarithromycin), Cefazolin oder Ceftriaxon.[8]
Bei allen Erkrankungen, die durch eine bakterielle Infektion (s. o.) ausgelöst wurden, ist eine Behandlung mit einem Antibiotikum über ausreichend lange Zeit erforderlich, um die Entstehung einer Endokarditis zusätzlich oder als Folge der Grunderkrankung zu verhindern. Auch bei einem primär viralen Infekt (gegen die ein Antibiotikum nicht wirkt) kann eine Antibiotikagabe zur Vermeidung einer bakteriellen Superinfektion sinnvoll sein.
Im Jahr 1795 beschrieb Matthew Baillie die Endokarditis.[9]