Fernand Pouillon

Fernand Pouillon (* 14. Mai 1912 in Cancon, Département Lot-et-Garonne; † 24. Juli 1986 in Belcastel) war ein französischer Architekt, Städteplaner und Schriftsteller.

Fernand Pouillon war einer der Baumeister, die am Wiederaufbau Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich beteiligt waren. Er hat zahlreiche Überbauungen und öffentliche Aufträge in Marseille, Aix-en-Provence, im Großraum Paris, in Algerien und im Iran geplant und ausgeführt.

Hotel El Marsa in Sidi-Ferruch, Algerien

Fernand Pouillon wurde 1912 in Cancon als Sohn eines Bauingenieurs geboren. Zunächst wollte er Maler werden und studierte ab 1929 an der École des Beaux-Arts in Marseille. Von 1932 bis 1934 studierte er Architektur in Paris. 1936 konstruierte er – als 22-Jähriger und ohne Diplom – in Aix-en-Provence seine erste Immobilie, was vor dem Vichy-Regime noch möglich war. Erst 1942 erhielt er sein Architekturdiplom. Bis 1944 verwirklichte er unter der Leitung von Eugène Beaudouin (1898–1983) Arbeiten für die Stadt Marseille. Von 1944 bis 1953 war Pouillon mit seinem Partner René Egger aktiv am Wiederaufbau des alten Hafenviertels von Marseille beteiligt, das von der SS 1943 gesprengt worden war. Von 1944 bis 1947 war er Mitglied der Kommunistischen Partei. In den 1950er Jahren realisiert er viele öffentliche Gebäude in Aix-en-Provence, Marseille und in Französisch-Algerien.

1961 wurde er beauftragt, einen Komplex von Billigwohnungen im Außenbereich von Paris zu errichten. In diesem Projekt trat er als Unternehmer und als Architekt auf, was nach der damaligen Gesetzeslage illegal war. Pouillon wurde von der Konkurrenz angezeigt, sein Unternehmen wurde von der Staatsanwaltschaft überprüft, was zu seiner Verurteilung zu vier Jahren Haft führte. Nach acht Monaten Gefängnis begann er einen Hungerstreik, spielte den Schwererkrankten und wurde daraufhin in einen anderen, weniger gut bewachten Teil des Gefängnisses verlegt. Dort schmuggelte sein Bruder ein Seil ein, mit dessen Hilfe er aus einem Fenster entkommen konnte. Mit Hilfe seiner Freunde an der Sorbonne, die in die Fluchtpläne eingeweiht waren, entkam er, zunächst nach Fiesole in der Toskana, und von da aus nach Algerien.

Die Freundesgruppe an der Sorbonne sammelte inzwischen Entlastungsmaterial zu seinem Fall, um seine Unschuld zu beweisen. 1963 kehrte er nach Frankreich zurück und stellte sich dem Gericht. In einem aufsehenerregenden Prozess sprach ihn das Gericht von der Anklage frei, allerdings wurde er wegen seiner Flucht aus dem Gefängnis bestraft. Im Gefängnis verfasste er seinen einzigen Roman Singende Steine (Orig.: Les pierres sauvages), einen Tagebuchroman über den Bau des Zisterzienser-Klosters Le Thoronet aus der Sicht des Baumeisters Wilhelm Baltz.

Die Jahre 1966 bis 1972 verbrachte er im freiwilligen Exil in Algerien, wo er als Architekt tätig war. In Algerien baute er Hotels, Verwaltungsgebäude, Postämter und Bauten für die Universitäten.

1968 veröffentlichte er unter dem Titel "Memoires d'un architecte" seine Erinnerungen. Im Juni 1971 wurde er im Zuge einer Amnestie von Georges Pompidou begnadigt und 1980 wieder den Pariser Architektenverband (Ordre des Architectes de Paris) aufgenommen. 1984 kehrte er nach Frankreich zurück. 1985 ernannte ihn François Mitterrand zum Offizier der Ehrenlegion.

Pouillon war viermal verheiratet und hatte sechs Kinder. Er starb im Alter von 74 Jahren im Château de Belcastel und wurde auf seinen Wunsch auf dem Dorffriedhof anonym begraben.

In Frankreich herrschte nach dem Krieg ein großer Mangel an Wohnungen. Pouillons Ziel war es, qualitätvolle aber kostengünstige Wohnbauten zu errichten, die sich möglichst viele Menschen finanziell leisten konnten. Er behauptete, innerhalb von 200 Tagen und einem Budget von 200 Millionen Francs 200 Wohnungen bauen zu können.[1] Dieses Projekt gelang. 1953 wurde er von der Stadt Algier beauftragt, ein vergleichbares Projekt zu wiederholen und dabei den lokalen Baustil zu berücksichtigen. Er schuf 1600 Wohneinheiten innerhalb eines Jahres. Dieses Projekt brachte ihm einen Anschlussauftrag im Iran ein.

1961 erhielt er den Auftrag zu einem Komplex von Billigwohnungen im Außenbereich von Paris, wo er als Unternehmer und als Architekt auftrat, was zu seiner Verurteilung und seinem freiwilligen Exil in Algerien führte.

Nach seiner Rückkehr aus dem Exil restaurierte er das völlig heruntergekommene Château de Belcastel in der Auvergne als seinen Wohnsitz. 1976 baute er ein Kloster in der Provence für algerische Nonnen, die nach der Unabhängigkeit Algeriens nach Frankreich zurückgekehrt waren. 1984 schuf er ein Zentrum für das Kulturministerium in der Nähe von Versailles und einen Verwaltungsbau für die Pariser Musikakademie.

Pouillon war kein Freund von Betonbauten, er bevorzugte stattdessen Natursteine, Stahl, Glas, Keramik und Holz. In seine Überbauungen integrierte er Gartenanlagen, Wasserbecken und Springbrunnen, die von Bildhauern wie Jean Amado (1922–1995) entworfen wurden.

  • Wohnsiedlung Résidence Stade Buffalo, 466 Wohnungen, Montrouge bei Paris (1958)
  • Wohnsiedlung Résidence Victor Hugo, 262 Wohnungen, Pantin bei Paris (1963)

Mehrere seiner Bauten, darunter La Tourette in Marseille und Le Parc in Meudon-la-Forêt, wurden vom französischen Kulturministerium mit dem Label Patrimoine du XXe siècle ausgezeichnet.

2008 wurde Pouillon postum von dem algerischen Tourismusminister Cherif Rahmani für sein Gesamtwerk in Algerien in der Zeit von 1964 bis 1984 ausgezeichnet.[2]

Für seinen Roman Singende Steine erhielt er 1965 den Prix des Deux Magots.

  • Les pierres sauvages. Paris: Du Seuil 1964. ISBN 2-02001023-2
    Deutsche Übersetzung: Singende Steine. Die Aufzeichnungen des Wilhelm Balz. Aus d. Franz. von Gudrun Trieb. Edition Tertium, Ostfildern 1999, ISBN 3-930717-31-X.
    Englische Übersetzung: The stones of the Abbey. Harcourt, Brace & World, New York 1970.
  • Mémoires d'un architecte. Paris: Du Seuil. 1968.
  • Les Baux de Provence ce recueil monumental comprend monographie, vues d'ensemble du site releves de l'eglise, des batiments, des environs, ainsi que les details d'ornement.Paris: De Nobele 1973.
    Ein Folioband mit 58 teils ausklappbaren Bildtafeln, gedruckt in einer limitierten Auflage von 250 Stück.
  • Mon ambition. Textes présentés et choisis par Bernard Marrey. Paris: Du Linteau 2011.
    Eine Auswahl aus seinen Schriften.
  • Jean-Lucien Bonillo: Fernand Pouillon - Architecte Mediterraneen. Imbernon, Marseille 2001. ISBN 2-9516396-0-0.
  • Bernard Félix Dubor: Fernand Pouillon. Le Moniteur, Paris 1986. ISBN 2-86653-039-X.
  • Daniele Voldman: Fernand Pouillon - Architecte. Payot, Paris 2006. ISBN 2-228-90115-6.
  • Marc Bédarida: Fernand Pouillon. Éditions du Patrimoine, Paris 2012.
  • Adam Caruso, Helen Thomas (Hg.): The Stones of Fernand Pouillon - An Alternative Modernism in French Architecture. gta Verlag, Zürich 2013. ISBN 978-3-85676-324-4.
Commons: Fernand Pouillon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. About Fernand Pouillon (Architect) (Memento des Originals vom 14. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/chateaudebelcastel.com abgerufen am 13. August 2014
  2. Fernand Pouillon, architecte urbain et visionnaire abgerufen am 13. August 2014.