Fernand de Brinon

Fernand de Brinon (1940)
Brinon (Mitte) 1943 bei den umgebetteten Gräbern der beiden polnischen Generale Mieczysław Smorawiński und Bronisław Bohatyrewicz, Opfer des Massakers von Katyn

Fernand de Brinon (* 26. August 1885 in Libourne, Département Gironde; † 15. April 1947 in Arcueil, Département Seine, heute Val-de-Marne) war ein französischer Rechtsanwalt und Journalist. Er war einer der Architekten der französischen Kollaboration mit Nazideutschland während des Zweiten Weltkriegs.

Jugend und Familie

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Geboren in einer wohlhabenden, seit dem 14. Jahrhundert nachweisbaren[1], katholisch-konservativen Adelsfamilie, studierte Comte Fernand de Brinon zunächst Jura und Politische Wissenschaften in Paris. Vor Beginn des Ersten Weltkrieges schlug er eine Karriere als Journalist ein. de Brinon lag im Ersten Weltkrieg vier Jahre lang im Schützengraben und zog nach seiner eigenen Erklärung aus dem Erleben dieser vier Jahre den Schluss, dass Heil und Zukunft Europas allein in einer wirklichen Verständigung zwischen den Völkern zu sichern seien.[2] 1934 heiratete er Jeanne Louise Rachel Franck, geschiedene Ullmann, aus einer belgisch-jüdischen Industriellenfamilie, die zwei Söhne in die Ehe mitbrachte. 1938 erbte Brinon den Marquis-Titel.

Brinon schrieb nach dem Ersten Weltkrieg hauptsächlich für das „Journal des Débats“, eine Zeitung der Erz- und Stahl-Industriellen de Wendel. Nach 1918 war er für das Blatt zu Interviews mit Walther Rathenau, Maximilian Harden, Gustav Stresemann, Fritz Thyssen auch nach Deutschland gefahren. Ich wurde als der einzige französische Journalist, dem er Zutritt gewähren wollte, ... von Hugo Stinnes empfangen. Er veröffentlichte aber auch in der „L’Information“ und in den 1930er Jahren im „Le Matin“ Artikel. Darin trat er wiederholt für einen Ausgleich mit Deutschland ein um den Frieden in Europa nachhaltig zu sichern. Zur Amtszeit Heinrich Brünings suchte er diesen in einer geheimen Mission im Auftrag des Ministerpräsidenten Pierre Laval auf.

Am 9. September 1933 wurde Brinon durch Vermittlung Joachim von Ribbentrops als erster französischer Journalist überhaupt von Adolf Hitler zu einem Gespräch in Berchtesgaden empfangen, dessen Inhalt er in einem in Frankreich weithin beachteten Artikel im Le Matin wiedergab. Ihm wurde vom deutschen Reichskanzler gesagt: „Man beleidigt mich, indem man fortfährt zu behaupten, ich wolle Krieg. ... Der Krieg regelt nichts. Er könnte den Zustand der Welt nur verschlimmern. ... nach der Regelung der Saarfrage es nichts mehr gibt, ... was Deutschland und Frankreich in Opposition zueinander bringen könnte.“ Die führende NSDAP-Zeitung, der Völkische Beobachter, verschwieg dieses Gespräch allerdings.[3] Maximilian Scheer ist der Ansicht, dass er das Hitler-Interview nach Absprache verzögerte und so platzierte, dass die Börse heftig reagierte. Er meint, dass die hinter der Zeitung stehenden Finanzkreise, in letzter Instanz die französische Niederlassung der Royal Dutch Shell und Deterding selbst, durch diese Kursbewegungen stark profitierten und dass das ein Lockmittel der Nazis an die französische Politik und Wirtschaft gewesen ist, ebenfalls den Weg zum Faschismus einzuschlagen.

Zwischen 1935 und 1937 wurde Brinon, zu dieser Zeit schon zum Kern der „besseren Gesellschaft“ in Paris zählend, noch weitere fünf Mal von Hitler empfangen.

1935 gründete Brinon zusammen mit Georges Scapini, einem hochdekorierten Kriegsblinden und unabhängigen Parlamentsabgeordneten[4], das bis 1940 bestehende Comité France-Allemagne zur Vertiefung des geistigen Austausches mit Deutschland, sowohl auf wissenschaftlichem wie auf politischem Gebiet, dessen Vizepräsident er war. Nach der Niederlage von 1940 machte sich Brinon zum Anwalt einer französischen Kollaboration mit dem Deutschen Reich. Pierre Laval, jetzt Ministerpräsident des Vichy-Regimes, bat ihn im Juli 1940, die französische Regierung beim deutschen Oberbefehlshaber in Paris zu repräsentieren. Sein Sitz war das beschlagnahmte Hôtel de Breteuil in Paris (12 Avenue Foch). Dabei kam Brinon die lange Bekanntschaft mit dem deutschen Botschafter Otto Abetz zugute.[5] Marschall Philippe Pétain verlieh ihm 1942 den Titel eines Staatssekretärs. Als Nachfolger für das Comité France-Allemagne organisierte Brinon im September 1940 die Groupe Collaboration, die zeitweise 38.000 Mitglieder hatte.[6] Im August 1944 setzte er sich mit der Vichy-Regierung ins Schloss Sigmaringen ab und wurde dort im September 1944 Präsident der Vichy-Exilregierung. Er wurde am 8. Mai 1945 von US-Soldaten an der österreichisch-schweizerischen Grenze verhaftet und nach Frankreich überstellt.

Im März 1947 wurde Brinon vom Obersten Gerichtshof in Versailles wegen Kollaboration mit den Deutschen und „nationaler Würdelosigkeit“ zum Tode verurteilt und am 15. April 1947 im Fort de Montrouge füsiliert.

  • Corinna Franz: Fernand de Brinon und die deutsch-französischen Beziehungen 1918–1945. Bouvier, Bonn 2000, ISBN 3-416-02907-0 (Online auf perspectivia.net), Rezension[7].
  • Martin Jungius: Der verwaltete Raub: Die „Arisierung“ der Wirtschaft in Frankreich in den Jahren 1940 bis 1944. Thorbecke, Ostfildern 2008, ISBN 978-3-7995-7292-7.
  • Wolfgang Kowalsky: Kulturrevolution? Die Neue Rechte im neuen Frankreich und ihre Vorläufer. Leske und Budrich, Opladen 1991, ISBN 3-8100-0914-8.
  • Roland Ray: Annäherung an Frankreich im Dienste Hitlers? Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930–1942. Oldenbourg, München 2000, ISBN 3-486-56495-1.
  • Maximilian Scheer: So war es in Paris. 2. Aufl. Verlag der Nation, Berlin 1972, S. 82–84.
  • Martin Mauthner: Otto Abetz and His Paris Acolytes. French Writers Who Flirted with Fascism, 1930–1945. Sussex Academic Press, Brighton u. a. 2016, ISBN 978-1-84519-784-1.

Einzelnachweise

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  1. In der Bibliothèque historique de la ville de Paris (ms 1223, fol. 644) existieren Aufzeichnungen über einen 1400 gestorbenen Parlamentsadvokaten Guillaume Brinon.
  2. Fernand de Brinon im Munzinger-Archiv, abgerufen am 18. März 2023 (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. Paul Kluke: Nationalsozialistische Europaideologie in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Heft 3/1955, S. 245 (Fn. 23), (PDF; 1,7 MB), abgerufen am 11. Juli 2016.
  4. Biographie auf der Website der französischen Nationalversammlung, abgerufen am 11. Juli 2016.
  5. Thankmar Freiherr von Münchhausen: Paris: Geschichte einer Stadt seit 1800. DVA, München 2017, ISBN 978-3-641-21430-2 (google.de [abgerufen am 19. August 2018]).
  6. Karen Fiss: Grand Illusion: The Third Reich, the Paris Exposition, and the Cultural Seduction of France. University of Chicago Press, Chicago 2009, ISBN 978-0-226-25201-8, S. 201.
  7. Druckversion: Rezension von: Fernand de Brinon und die deutsch-französischen Beziehungen 1918-1945 - Ausgabe 2 (2002), Nr. 7/8. In: Sehepunkte. Abgerufen am 18. März 2023.