Das Französische Gymnasium Berlin wurde 1689 für die Kinder der auf Einladung des Großen Kurfürsten eingewanderten Hugenotten gegründet. Als Collège français wurde es unter der Leitung des französischen Richters Charles Ancillon in einem Mietshaus in der Stralauer Straße eröffnet.
Im 18. Jahrhundert konnte das Collège durch angesehene Leiter wie Jean Henri Samuel Formey (Leiter von 1737 bis 1739) oder Jean Pierre Erman (1766–1814), die manchmal Erzieher der preußischen Prinzen waren, einen engen Kontakt zur Akademie der Wissenschaften herstellen. Gegen Ende dieser Epoche wurde die alte Bibliothek der Schule, die um ein Legat des Prinzen Heinrich von Preußen bereichert wurde, eingerichtet. Die Schülerzahl nahm beträchtlich zu, von 35 im Jahre 1766 auf 208 im Jahre 1809. Das Gymnasium teilte sich von 1702 bis 1873 mit dem Französischen Rathaus von 1701 bis 1873 das Palais Wangenheim in der Niederlag-Wall-Straße (ab 1836: Niederlagstraße) auf dem Friedrichswerder in unmittelbarer Nähe zur Französischen Straße.[2] Im Jahr 1873 bezog das Gymnasium ein auf dem Grundstück Dorotheenstraße 41 neu errichtetes Gebäude[3] (ab 1897 mit der Adresse am Reichstagufer 6).[4] Die Schüler waren überwiegend Kinder von Diplomaten und Geschäftsleuten. Der Anteil der Schüler jüdischer Herkunft war mit rund einem Drittel verhältnismäßig hoch.[5]
Während der Zeit des Nationalsozialismus unterlag das Französische Gymnasium den gleichen Maßnahmen wie alle Schulen, ohne ganz das Klima der Toleranz zu verlieren. 1935 wurden auch hier alle jüdischen und 1942 auch alle sogenannten „halbjüdischen“ Schüler der Schule verwiesen. Französisch blieb Unterrichtssprache, eine gewisse Zeit lang wurden sogar Verbindungen mit Frankreich – zum Beispiel in der Form von Klassenreisen – aufrechterhalten.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Schulgebäude zerstört. Bereits im Mai 1945 wurde der Unterricht in Behelfsquartieren wieder aufgenommen. Nach dem Krieg gründete die französische Militärregierung eine eigene Schule in Berlin. Im Zuge der großen Politik der Zeit des Schuman-Plans bereiteten die Direktoren der beiden Schulen, Fouilleron und Hartig, seit Februar 1952 die Fusion ihrer Einrichtungen vor. Mit dem Schuljahresbeginn 1952 schlossen sich die französischen den deutschen Schülern im Gebäude am Zeppelinplatz in Wedding an; der 22. September 1952 gilt als das Datum der Fusion, die durch den Vertrag vom 24. April 1953 offiziell wurde. Im selben Jahr wurde der Unterricht im neuen, modernen Gebäude am Kurt-Schumacher-Damm in der Alliiertensiedlung Cité Pasteur aufgenommen.
Die Geschichte der folgenden Jahre ist die Geschichte einer fortschreitenden Ausgestaltung der Fusion, zum Beispiel mit dem ersten gleichzeitigen Schuljahresbeginn der deutschen und französischen Schüler 1973, der Angleichung der Schuldauer bis zum Bac und zum Abitur 1977 und der Ausdehnung der Fusion auf die letzten integrierten Fächer, Englisch und Latein. Seit 1974 residiert das Collège Français in der Derfflingerstraße (Berlin-Tiergarten). Das Gebäude entstand 1969–1974 durch den Architekten Hans-Joachim Pysall in Zusammenarbeit mit Eike Rollenhagen.
Die Schule befindet sich in der Derfflingerstraße 7 im Ortsteil Tiergarten des Bezirks Mitte. Die meisten der rund 800 Schüler sind deutscher oder französischer Herkunft.[1] Weiterhin gibt es frankophone Schüler aus etwa 25 Nationen. Der Unterricht richtet sich nach französischen Lehrplänen. Die Schüler können sowohl das Baccalauréat als auch das deutsche Abitur in französischer oder deutscher Sprache erwerben. Im Besitz der Schule sind viele Bücher aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert.
Der französische Staat besoldet das französische Personal, das aus 30 Lehrern besteht, und stellt Unterrichtsmaterialien zur Verfügung. Die 50 Lehrer, die der deutschen Verwaltung unterliegen, erhalten ihr Gehalt vom Land Berlin. Im Vergleich zu anderen französischen Schulen ist das Französische Gymnasium die einzige Schule, die deutschem Landesrecht untersteht.
Die Schule engagiert sich im Rahmen des mehrfach ausgezeichneten journalistischen Projekts Grand méchant loup – Böser Wolf, bei dem die Teilnehmer dazu angeregt werden, wie Reporter zu arbeiten. Das erstellte Material wie Artikel, Reportagen, Illustrationen, Interviews und Fotos wird von der Redaktion des Bösen Wolfs oder den Schülern selbst auf die dazugehörige Website gestellt.
Christian Velder: 300 Jahre Französisches Gymnasium Berlin. Nicolai, Berlin 1989, ISBN 3-87584-254-5.
Johannes E. S. Schmidt: Die Französische Domschule und das Französische Gymnasium zu Berlin. Schülererinnerungen 1848–1861. Herausgegeben und kommentiert von Rüdiger R. E. Fock. Kovac, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-3478-0.
Programme d'invitation à l'examen public du Collège Royal Français. Berlin, 1837–1878/79; 1881–1882; 1884; 1886–1887; 1889–1890 (Digitalisat).
Programme du Collège Royal Français. Berlin, 1880; 1883; 1885; 1888; 1891 (Digitalisat).
Anneliese Bödecker, Thomas Dunskus (Hrsg.): Schüler erinnern sich an das Französische Gymnasium 1940–1950. Stapp Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-87776-120-8.
Eduard Muret: Geschichte der französischen Kolonie in Brandenburg-Preußen, unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Gemeinde. Büxenstein, Berlin 1885, S.136–142.(Digitalisat)
Bernhard Frank und Rolf Gehrmann (Hrsg.): Zwei Schlüssel, Zur Geschichte des Französischen Gymnasiums. Selbstverlag R.G., Berlin 2014, ISBN 978-3-00-047294-7.PDF
↑Niederlage-Wall-Straße. In: Karl Neander von Petersheiden: Anschauliche Tabellen, 1801, S. 198. „Französisches Consistorium und Gymnasium Nr. 1; Französisches Rathaus Nr. 2“.