Friedrich Achleitner

Friedrich Achleitner (2010)
Das Grab von Friedrich Achleitner im Urnenhain an der Feuerhalle Simmering in Wien

Friedrich Achleitner (* 23. Mai 1930 in Schalchen, Oberösterreich; † 27. März 2019 in Wien;[1] der Name wird auf der zweiten Silbe betont[2]) war ein österreichischer Architekt, Architekturkritiker und Schriftsteller. Als Literat war er ein Hauptvertreter des modernen Dialektgedichts und der Konkreten Poesie, als Essayist ein bedeutender Kritiker und Chronist der modernen Architektur. Er war Mitglied des Vereins Landluft – Verein zur Förderung der Baukultur in ländlichen Räumen.

Innenraum der 1956 bis 1958 von Achleitner und Gsteu umgestalteten Pfarrkirche Hetzendorf (Rosenkranzkirche) (2009) mit den 1960 angebrachten Altarbildern von Ernst Fuchs

Friedrich Achleitner war der Sohn eines Landwirts und Müllers, der sich zum Mühlenbautechniker weiterbildete. Die Familie erlebte die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs am eigenen Leib: Kurz vor Ende der Kampfhandlungen wurde das elterliche Wohnhaus stark beschädigt und unbewohnbar.

Studium, Architekt

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Nach der Matura ging Achleitner nach Wien und studierte dort von 1950 bis 1953 Architektur an der Akademie der bildenden Künste. 1953 machte er bei Clemens Holzmeister sein Diplom.

Anschließend arbeitete er als freischaffender Architekt in einer Arbeitsgemeinschaft mit Johann Georg Gsteu, die 1956 bis 1958 für die damals umstrittene Umgestaltung des Innenraums der Pfarrkirche Hetzendorf („purifizierende Neuinterpretation“ der neoromanischen Architektur) verantwortlich war.

Nebenberuflich studierte Achleitner in der Meisterschule von Emil Pirchan Bühnenbild.

Schriftsteller und Kritiker

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1958 hörte Achleitner mit der praktischen Architektur auf und wurde freier Schriftsteller. Er wird zur Wiener Gruppe gezählt, die vor allem moderne Dialektgedichte verfasste. Innerhalb dieser Gruppe lenkte Achleitner sein Interesse vor allem auf phonetische Schreibweisen. 1959 erschien als Gemeinschaftsarbeit Achleitners mit H. C. Artmann und Gerhard Rühm das Buch hosn rosn baa, acht Jahre später der Sammelband die wiener gruppe.

Ab 1961 wandte sich Friedrich Achleitner neuerlich der Architektur zu, als Kritiker für die Abendzeitung (Kolumne Bausünden) und von 1962 bis 1972 für Die Presse. In seinen Beiträgen kritisierte er vehement die Zerstörung alter Bausubstanz und innerstädtische Bebauungsverdichtung durch Hochhäuser (etwa das Gartenbauhochhaus oder das Hotel Intercontinental Wien). Von 1963 bis 1983 lehrte Achleitner an der Akademie der bildenden Künste Geschichte der Baukonstruktion.

Neben Dialektgedichten arbeitete Achleitner, angeregt von Eugen Gomringer, an Konkreter Poesie und Montagetexten. Mit dem quadratroman (1973) systematisierte Achleitner seine bis dahin unternommenen typographischen Studien, indem er den Helden seines Romans, das titelgebende Quadrat, insgesamt 174-mal (inklusive Einband und Impressum) mit Über-, Unter-, Ein-, Aus- und Beschreibungen versah.

1983 wurde Achleitner Vorstand der Lehrkanzel für Geschichte und Theorie der Architektur an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Seit seiner Emeritierung 1998 hat Achleitner wieder belletristische Werke veröffentlicht.

Architekturchronist

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Von 1965 bis 2010 arbeitete Friedrich Achleitner an seinem Hauptwerk, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, einem Führer in vier Bänden, von denen drei (Band III in drei Teilen) bis 2010 erschienen sind. (Band IV, Niederösterreich, müsse nun von Jüngeren erstellt werden, sagte Achleitner.)[3][4]

Für diese weltweit einzigartige Arbeit hat Achleitner jahrzehntelang Material gesammelt und ausgewertet, hat jedes im Führer erwähnte Bauwerk besichtigt und hat Österreich somit architektonisch durchmessen. Der Kritiker Stephan Reimertz sprach von einem

„Ergebnis konsequenter Primärforschung, beruhend auf der Auswertung sämtlicher vorhandener archivalischer Quellen, der persönlichen authentischen Besichtigung aller Bauten und deren sprachlich architekturkritischer Bewertung.“[5]

1981 promovierte Achleitner mit dem seit 1980 veröffentlichten Werk an der Technischen Universität Graz zum Dr. techn. (Doktor der Technik).[6]

Das dem Werk zugrunde liegende Archiv wurde 2000 anlässlich Achleitners 70. Geburtstag von der Stadt Wien angekauft und dem Architekturzentrum Wien zur Gründung einer Datenbank zur österreichischen Architektur übergeben. Der Bestand des Archivs umfasst 25.030 Karteikarten, 66.500 Fotonegative, 37.800 Diapositive, 13.800 Fotoabzüge, 570 Plandarstellungen, 250 Begehungspläne und 1030 Bücher, Broschüren, Kataloge und Zeitschriften.[7]

Friedrich Achleitner starb am 27. März 2019 in Wien. Die Trauerfeier fand am 11. April 2019 in der Feuerhalle Simmering statt. Seine Asche wurde am 30. April 2019 auf dem Friedhof der Feuerhalle Simmering in einer ehrenhalber gewidmeten Grabstelle bestattet (Abteilung 1, Ring 1, Gruppe 2, Nummer 22).[8]

Achleitners literarischer Nachlass befindet sich seit 2023 im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.

Gustav Mahler hat so schön gesagt: ‚Nicht die Asche, sondern das Feuer soll weitergetragen werden.‘ Regionale Architektur gibt es immer, sie soll nur nicht regionalistisch werden. Also keine formalen Einkleidungen, Trachten, sondern eine Architektur, die sich aus den kulturellen, personellen und ökonomischen Ressourcen eines Landes entwickelt. Maßstab sind natürlich die großen internationalen Strömungen. Das war immer so, von der Gotik über die Renaissance bis zum Historismus und zur Moderne.“[9]

Achleitner war in erster Ehe mit der Fotokünstlerin Karin Mack verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder.[10]

Von 1972 bis zu seinem Tod war er mit Barbara Achleitner verheiratet, dieser Ehe entstammt eine Tochter.

Ehrungen und Auszeichnungen

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  • hosn rosn baa. Mit einer Schallplatte von H. C. Artmann und Gerhard Rühm. Frick, Wien 1959.
  • schwer schwarz. Gomringer, Frauenfeld 1960.
  • prosa, konstellationen, montagen, dialektgedichte, studien. Gesammelte Texte. Rowohlt, Reinbek 1970.
  • quadrat-roman u. andere quadrat-sachen; 1 neuer bildungsroman, 1 neuer entwicklungsroman etc. etc. etc. Luchterhand, Darmstadt/Neuwied 1973 (Neuausgabe Zsolnay, Wien 2007).
  • mit Gerhard Rühm: Super-Rekord 50 + 50. Edition Neue Texte, Linz 1990.
  • kaaas. Dialektgedichte. Residenz, Salzburg/Wien 1991.
  • einschlafgeschichten. Zsolnay, Wien 2003.
  • wiener linien. Zsolnay, Wien 2004.
  • und oder oder und. Zsolnay, Wien 2006.[12]
  • der springende punkt. Zsolnay, Wien 2009, ISBN 978-3-552-05471-4.
  • iwahaubbd. dialektgedichte. Zsolnay, Wien 2011, ISBN 978-3-552-05546-9.
  • Den Toten eine Blume. Die Denkmäler von Bogdan Bogdanovic. Zsolnay, Wien 2013, ISBN 978-3-552-05647-3.
  • wortgesindel. Zsolnay, Wien 2015, ISBN 978-3-552-05712-8.
  • einschlafgeschichten. Zsolnay, Wien 2015, ISBN 978-3-552-05776-0.
  • mit Ottokar Uhl: Lois Welzenbacher 1889–1955. Residenz, Salzburg 1968.
  • Die Ware Landschaft. Eine kritische Analyse des Landschaftsbegriffs. Herausgegeben von Friedrich Achleitner. Residenz, Salzburg 1977.
  • mit Jochen Jung: Glückliches Österreich. Literarische Besichtigung eines Vaterlands. Residenz, Salzburg/Wien 1978.
  • Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer in vier Bänden. Residenz, Salzburg/Wien 1980–1990.
  • Nieder mit Fischer von Erlach. Residenz, Salzburg 1986 (gesammelte Kritiken).
  • Aufforderung zum Vertrauen. Aufsätze zur Architektur. Residenz, Salzburg/Wien 1987.
  • Die rückwärtsgewandte Utopie. Motor des Fortschritts in der Wiener Architektur. Picus, Wien 1994.
  • Wiener Architektur. Zwischen typologischem Fatalismus und semantischem Schlamassel. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 1996.
  • Die Plotteggs kommen. Ein Bericht. Sonderzahl, Wien 1996.
  • Region, ein Konstrukt? Regionalismus, eine Pleite? Birkhäuser, Basel / Boston / Berlin 1997.
  • wie entwirft man einen architekten? Porträts von Aalto bis Zumthor. Park Books, Zürich 2015.
  • Friedrich Achleitners Blick auf Österreichs Architektur nach 1945. Birkhäuser, Basel 2015.
  • Martin A. Hainz: »do schraib i fai nix nai«. Architektur, Sprache und Möglichkeit bei Friedrich Achleitner. In: Roman Kopřiva, Jaroslav Kovář (Hrsg.): Kunst und Musik in der Literatur. Ästhetische Wechselbeziehungen in der österreichischen Literatur der Gegenwart. Praesens, Wien 2005, ISBN 3-7069-0286-9, S. 73–99.
  • Heinz Karbus – ein Leben für die Architektur. eine Dokumentation von David Pasek mit Friedrich Achleitner, 2007.
Commons: Friedrich Achleitner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Autor und Architekturkritiker Friedrich Achleitner ist tot. In: orf.at. 27. März 2019, abgerufen am 28. März 2019.
  2. Im Wiener Deutsch, einem bairischen Dialekt.
  3. Rainer Elstner: Achleitners Architekturführer abgeschlossen. In: Österreich 1. 27. Oktober 2010, abgerufen am 28. März 2019.
  4. Joachim Riedl: Starksinn statt Starrsinn, in Wochenzeitung Die Zeit, Hamburg, Nr. 22, 27. Mai 2010, Österreich-Teil, S. 13
  5. Stephan Reimertz: Drei Weise in Wien. In: Berliner LeseZeichen. 11/00, November 2000, archiviert vom Original am 6. Mai 2001; abgerufen am 28. März 2019.
  6. Katalogzettel. (gif, 7 kB) In: Österreichische Nationalbibliothek. 18. September 1997, abgerufen am 28. März 2019.
  7. Achleitner Archiv. In: Architekturzentrum Wien. Abgerufen am 28. März 2019.
  8. Friedrich Achleitner in der Verstorbenensuche bei friedhoefewien.at
  9. Henrieta Moravčíková: Von gemeinsamen und anderen Traditionen: im Gespräch mit Architekturtheoretiker Friedrich Achleitner. In: Report. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in Zentral- und Osteuropa. Juni 2005, archiviert vom Original am 14. Januar 2013; abgerufen am 28. März 2019.
  10. Friedrich Kurrent: „Nimm dir ein Beispiel am Achi“, Die Presse, 22. Mai 2015
  11. Friedrich Achleitner (2011). In: Paul Watzlawick-Ehrenring. Abgerufen am 28. März 2019.
  12. Michaela Schmitz: Friedrich Achleitner: und oder oder und. „der inhalt ist der feind jedes textes“. In: Literaturhaus Wien. 28. Februar 2006, abgerufen am 28. März 2019 (Rezension).