Das Kammerspiel handelt von der jungen adeligen Julie und ihrem Diener Jean und ihrem Verhältnis zueinander.
Es behandelt Klassenunterschiede, den Geschlechterkampf sowie Liebe und Lust.
Julie versucht, ihrem durch gesellschaftliche Normen geprägten Dasein zu entfliehen und etwas Spaß zu haben. Auf dem jährlichen Mittsommerfest tanzt sie mit der Dienerschaft und setzt sich damit über gültige Standesregeln hinweg. Sie fühlt sich zu dem älteren Diener Jean hingezogen, der in der Welt herumgekommen ist und sowohl gut erzogen als auch gebildet ist. Während der Nacht entwickelt sich aus dem Flirt zwischen Julie und Jean eine vollendete Liebesbeziehung.
Danach unterhalten sich beide in der Küche des Herrensitzes von Julies Vater.
Jeans Verlobte, die Köchin Kristin, hält sich teilweise auch dort auf. Während Julies standesgemäßer Platz im Adel sie zunächst über Jean erhebt, übt Jean durch seine Bildung und seine Männlichkeit Macht über sie aus und wird im Laufe der Zeit zum stärkeren Part in der Zweier-Beziehung, und als der Machtausübende benutzt er Julie für seine persönlichen Ziele. Er treibt sie letztendlich in den Selbstmord.
Tochter des Grafen. Ihre Mutter erzog sie dazu, wie ein Mann zu denken und zu handeln. Das wurde jedoch nicht von ihrer Umgebung akzeptiert. Auf Grund der dadurch entstandenen Konflikte hat sie sich zu einer zerrissenen Person entwickelt, die auf der einen Seite weiß, wie sie alles bekommen kann, was sie verlangt, die auf der anderen Seite aber nicht weiß, was sie eigentlich haben möchte.
Jean
Diener des Grafen. Er behauptet, dass er Fräulein Julie oft gesehen und in jungen Jahren von ihr geträumt habe. Seit dieser Zeit ist er weit in der Welt herumgereist und hat viele Berufe ausgeübt, bis er einsah, was er in seinem Leben erreichen möchte: Sein Ziel ist es, in der Gesellschaft aufzusteigen. Als Erstes möchte er dazu ein eigenes Hotel eröffnen. Als er zum Gut des Grafen zurückkommt, dauert es nicht lange, bis Fräulein Julie ein Teil seines Planes wird. Er manipuliert sie und erreicht, dass sie zum Schluss seinen Wünschen folgt.
Kristin
Die Köchin im Haushalt des Grafen. Sie ist sehr religiös und mit Jean verlobt. Sie symbolisiert Stabilität und steht für die Rolle, die eine Frau nach gültiger Konvention zur Entstehungszeit des Dramas einnehmen soll. Sie verdeutlicht die Unstetigkeiten und Beziehungsveränderungen zwischen Jean und Julie.
Der Graf
Der Graf taucht niemals auf der Szene auf. Seine Handschuhe und seine Stiefel auf der Bühne demonstrieren jedoch seinen großen Einfluss auf die beiden Hauptpersonen Jean und Julie.
August Strindberg hatte 1883 Schweden verlassen müssen, da die Vorwürfe gegen ihn wegen seiner letzten beiden Romane zu stark geworden waren. 1888 ließ die Familie sich in Kopenhagen in Dänemark nieder, im Sommer lebten sie im Herrensitz Skovlyst bei Kopenhagen. Dort verfasste Strindberg vom 22. Juli bis 10. August innerhalb von 20 Tagen Fröken Julie. Noch vor Ende des Jahres erschien das Werk im Druck, allerdings in einer vom Verleger Josef Seligmann gekürzten Fassung.[1][2]
Das Drama sollte das Eröffnungsstück für Strindbergs neues avantgardistisches Skandinavisk Forsøgsteater in Kopenhagen werden. Am Abend vor der geplanten Premiere erschien die Polizei und erklärte es für verboten. Am 9. März 1889 konnte dann nur noch der zweite geplante Einakter Gläubiger gezeigt werden.
Strindberg gelang es, am 14. März eine Vorstellung im Studentenverein (Studentersamfundet) der Universität Kopenhagen aufführen zu lassen, allerdings nur als geschlossene Veranstaltung für geladene Gäste.[3] Die Hauptrolle spielte seine Frau Siri von Essen.
1892 gab es eine erste Aufführung in einem ordentlichen Theater durch die Freie Bühne in Berlin, allerdings auch hier formal als geschlossene Veranstaltung.
1893 folgte eine Inszenierung des Théâtre Libre in Paris (das Strindbergs Vorbild für sein eigenes Theater in Kopenhagen gewesen war), als erste Aufführung eines zeitgenössischen ausländischen Autors in Paris.
Erst 1904 gab es die erste Aufführung in Schweden.
Auch in den folgenden Jahren wurde das Stück wegen seiner Anstößigkeit nur selten gespielt.
1951 führte Alf Sjöberg in Stockholm erstmals eine vollständigere Fassung auf, die auch drastische Formulierungen enthielt, die der Verleger 1888 gestrichen hatte. Erst 1964 gelang eine vollständige Rekonstruktion des ursprünglichen Textes.[4]
Inzwischen ist Fräulein Julie das am häufigsten aufgeführte Theaterstück Strindbergs.
Das Vorwort dazu gilt heute als eine der wichtigsten theoretischen Grundlagen für modernes naturalistisches Theater um die Jahrhundertwende.
Fräulein Julie ist das am häufigsten aufgeführte Theaterstück Strindbergs. (Die Aufführungen bis 1907 sind verhältnismäßig vollständig.)[5][6]
14. März 1889 Studentenklub der Universität Kopenhagen, erste Aufführung, als geschlossene Veranstaltung, mit Siri von Essen (Strindbergs Ehefrau), eine weitere Vorstellung
3. April 1892 Residenztheater Berlin, durch die Freie Bühne, erste Aufführung in einem Theater, formal nur für Mitglieder, mit Rosa Bertens, wegen starker Proteste keine weiteren Aufführungen
13. Dezember 1906 Folkteatern Stockholm, erste Aufführung in Schweden in einem Theater
2. Dezember 1907 Intima Teatern Stockholm, im Sommer 1908 eine Vorstellung nur für August Strindberg und George Bernard Shaw als einzige Zuschauer
1908 Dresden, in der Sprache Esperanto, mit einem zweiten Einakter Paria von Strindberg
23. Januar 1949 Königliches Schauspielhaus Dramaten Stockholm, Regie Alf Sjöberg, erste Inszenierung nach ungekürztem Originaltext, Gastspiele in Norwegen, Helsinki, Paris, Wien, berühmte Aufführung, 1951 Film
Die einzigige deutschsprachige Hörspielfassung gab es 1963 vom Süddeutschen Rundfunk, Regie Kraft-Alexander, mit Sibylle Dochtermann, in der Übersetzung von Peter Weiss.[7]
Fräulein Julie. Naturalistisches Trauerspiel. Aus dem Schwedischen von Ernst Brausewetter. Einzige autorisierte deutsche Ausgabe, Leipzig 1888 (umfangreicher als schwedische Fassung von 1888) Text im Projekt Gutenberg-DE(Digitalisat)
Fräulein Julie. Ein naturalistisches Trauerspiel. aus dem Schwedischen übertragen und mit einem Nachwort versehen von Peter Weiss. Suhrkamp, 1961/67, überarbeitet 1979, 1984 (Auszüge)
↑»Gegenüber dem Originalmanuskript zeigt der schwedische Erstdruck von 1888 gravierende inhaltliche und stilistische Abweichungen und Lücken, die in der Mehrzahl auf Eingriffe von Strindbergs Verleger Josef Seligmann zurückzuführen sind. (...) Das jahrzehntelange Verschwinden dieses Manuskripts führt zwangsläufig dazu, daß alle folgenden Ausgaben und Übersetzungen des Stücks auf diesen von Seligmann entstellten, von Strindberg nie autorisierten Text des Erstdrucks zurückgehen (...). Erst 1964 gelingt es, den Strindbergschen Originaltext annäherungsweise zu rekonstruieren.« Heiner Gimmler, in August Strindberg: Fräulein Julie. Verlag der Autoren, 1988, Nachwort.
↑Karl-Ludwig Wetzig: Komteß Julie. In: Erika Fischer-Lichter u. a. (Hrsg.): Soziale und theatralische Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Tübingen 1988, S. 95–116, hier S. 96, nennt 330 Stellen, an denen der Verleger verändert oder gekürzt hat, meist offenbar, weil sie ihm zu anstößig erschienen
↑Heiner Gimmler (Übers.): August Strindberg. Fräulein Julie. Verlag der Autoren, 1988, Nachwort, (zitiert in August Strindberg: Fräulein Julie. In: Blätter des Deutschen Theaters in Göttingen. Spielzeit 1988/89, S. 124)
↑Michael Robinson: An International Annotated Bibliography of Strindberg Studies 1870–2005 Volume 2, 2008, S. 881ff. mit Aufführungen und zeitgenössischen Rezensionen, ausführlich, nicht vollständig
↑Gunnar Ollén: August Strindberg. 2. Auflage. Friedrich Verlag, Velber bei Hannover 1975, S. 116–117, mit Nennung einiger Aufführungen (z. B. 1902/03)
↑Karl-Ludwig Wetzig: Komteß Julie. In: Erika Fischer-Lichte u. a. (Hrsg.): Soziale und theatralische Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Tübingen 1988, S. 95–116, besonders S. 95f., zu den deutschen Übersetzungen; seit etwa 1984 beruhen diese auf den Originalmanuskripten des Stücks