Hans Conon von der Gabelentz

Hans Conon von der Gabelentz (* 13. Oktober 1807 in Altenburg; † 3. September 1874 in Lemnitz) war ein deutscher Sprachforscher; zudem war er Geheimrat, Minister und Landschaftspräsident.

Holzstich von Hermann Scherenberg nach einer Fotografie von R. Ladenburg
Hans Conon von der Gabelentz

Hans Conon von der Gabelentz entstammte dem sächsischen Adelsgeschlecht Gabelentz. Seine Eltern waren der Geheimrat und altenburgische Kanzler Hans Karl Leopold von der Gabelentz (* 18. Januar 1778; † 7. März 1831; einer der ersten Skatspieler) und dessen zweite Ehefrau Auguste von Seebach (* 15. April 1784; † 22. November 1876).

Er studierte an den Universitäten Leipzig und Göttingen Kameralwissenschaft, Rechtswissenschaften und orientalische Sprachen, trat 1830 in den altenburgischen Staatsdienst und wurde 1831 zum Kammer- und Regierungsrat befördert. Seit 1847 Landmarschall in Großherzogtum Weimar, wohnte er 1848 dem Vorparlament zu Frankfurt bei und trat dann für die sächsischen Herzogtümer in die Zahl der 17 Vertrauensmänner ein.

Später war er interimistischer Bundestagsgesandter bis zur Auflösung des Bundestags im Juli 1848. Ende November 1848 zum Ministerpräsidenten des Herzogtums Altenburg ernannt, bat er im August 1849 um seine Entlassung. 1850 ging er als Mitglied des Staatenhauses für Altenburg zu dem Erfurter Parlament; 1851 wählte ihn die Landschaft von Sachsen-Altenburg zum Präsidenten. Gabelentz starb am 3. September 1874 auf seinem Familiensitz Lemnitz bei Triptis.

Die Frucht eines mehrjährigen Studiums sind seine Eléments de la grammaire mandchoue (Altenburg 1833). In der von ihm mitbegründeten Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes lieferte er Aufsätze über das Mongolische und publizierte dann in Verbindung mit Julius Löbe (1805–1900) eine neue kritische Ausgabe der Wulfilabibel, der gotischen Bibelübersetzung des Wulfilas, nebst Grammatik, griechisch-gotischem Wörterbuch und lateinischer Übersetzung (Leipzig 1843, 2 Bände).

Später wandte er sich den Sprachen des finnischen Sprachstammes zu, der erste in Deutschland, der dieselben nach rationalen Grundsätzen bearbeitete. Er veröffentlichte in der erwähnten Zeitschrift (Band 2) eine mordwinische Grammatik und (Band 4) Vergleichung der beiden tscheremissischen Dialekte, bald darauf Grundzüge der syrjänischen Grammatik (Altenburg 1841).

Auf einem für uns fast neuen Sprachgebiet bewegen sich seine Kurze Grammatik der tscherokesischen Sprache in Höfers Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache (Band 3), die Beiträge zur Sprachenkunde, von denen die drei ersten Hefte (Leipzig 1852) Grammatiken der Dajak-, Dakota- und Kiriri-Sprache enthalten, sowie seine Grammatik mit Wörterbuch der Kassiasprache (Leipzig 1857).

Ferner erschienen in den Abhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig (1860): Die melanesischen Sprachen nach ihrem grammatischen Bau etc. (wovon 1873 der zweite Teil nachfolgte) und Über das Passivum (Leipzig 1860); endlich gab er die Mandschu-Übersetzung der chinesischen, konfuzianischen Werke: Sse-schu, Schu-king, Schi-king in Mandschuischer Uebersetzung mit einem Mandschu-Deutschen Wörterbuch (Leipzig 1864) heraus. Auch die Mitteilungen der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes enthalten von ihm zahlreiche und wertvolle Beiträge zur Kenntnis der Geschichte seines engeren Vaterlandes. Nach seinem Tod erschien noch: Geschichte der großen Liao, aus dem Mandschu übersetzt (Sankt Petersburg 1877). Die Zahl der Sprachen, die Gabelentz mehr oder weniger gründlich erforscht und von denen er einen großen Teil zuerst wissenschaftlich bearbeitet hat, betrug über 80; seit 1846 war er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Leipzig. 1868 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Russische Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg aufgenommen.[1] 1846 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig.[2]

Auch als Übersetzer aus dem Chinesischen war Gabelentz von großer Bedeutung. Seine nachgelassene vollständige Übersetzung des chinesischen Romans Jin Ping Mei wurde von Martin Gimm herausgegeben und bearbeitet (Berlin, Staatsbibliothek, Teile I-X, 2005–2013).

Er heiratete am 16. September 1833 in Altenburg Adolfine von Linsingen (* 4. Dezember 1813 in Ipswich; † 17. Oktober 1892). Das Paar hatte folgende Kinder:

Veröffentlichungen (in Auswahl)

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  • Jin Ping Mei. Chinesischer Roman. Erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt. 10 Teile. Hrsg. u. bearb. v. Martin Gimm (= Staatsbibliothek zu Berlin. Neuerwerbungen der Ostasienabteilung Sonderhefte, -35). Staatsbibliothek zu Berlin, Berlin 2005–2013, ISBN 978-3-88053-190-1.

Literatur (Auswahl)

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  • Jahrbuch des Deutschen Adels 1. Band, 1896, S. 638.
  • Walter Böttger: Gabelentz, Hans Conon von der. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 2 f. (Digitalisat).
  • Georg von der Gabelentz: Über Hans Conon von der Gabelentz. In: Berichte über die Verhandlungen der königlich-sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Classe. 38. Band, 1886, S. 217–241.
  • Martin Gimm: Hans Conon von der Gabelentz und die Übersetzung des chinesischen Romans Jin Ping Mei. Harrassowitz, Wiesbaden 2005, ISBN 3-447-05235-X.
  • Klaus Jena: Der Sprachforscher Hans Conon von der Gabelentz (1807–1874). Eine Reflexion von Olaf Wegewitz anläßlich der Ausstellung im Lindenau-Museum Altenburg "Der Sprachforscher Hans Conon von der Gabelentz (1807–1874). Lindenau-Museum, Altenburg 1998, ISBN 3-86104-033-6.
  • Hartmut Walravens, Martin Gimm (Hrsg.): Deutsch-mandjurisches Wörterverzeichnis (nach H. C. von der Gabelentz' Mandschu-Deutschem Wörterbuch). Steiner, Wiesbaden 1978, ISBN 3-515-02641-X.
  • Hartmut Walravens (Hrsg.): Hans Conon von der Gabelentz (1807–1874) und sein Umkreis. Linguistische Briefwechsel mit Hermann Brockhaus, Heinrich Ewald, Karl Friedrich Neumann, August Friedrich Pott, Wilhelm Radloff und Karl Andree (= Asien- und Afrika-Studien der Humboldt-Universität zu Berlin 42). Wiesbaden: Harrassowitz 2015, ISBN 978-3-447-10401-2.
  • Martin Gimm: Hans Conon von der Gabelentz und seine Studien exotischer Sprachen (= Sinologica Coloniensia 40). Wiesbaden: Harrassowitz 2024.
Commons: Hans Conon von der Gabelentz – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Hans Conon von der Gabelentz. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 12. August 2015 (englisch).
  2. Verzeichnis der Ehrenpromotionen. Archiv der Universität Leipzig, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Oktober 2020; abgerufen am 22. Oktober 2020 (hier fälschlich Johannes Conon von Gabelentz).
  3. Dietrich Werner Graf von der Schulenburg, Hans Wätjen: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg 1237 bis 1983. Niedersachsen-Druck und Verlag Günter Hempel Wolfsburg, ISBN 3-87327-000-5, Wolfsburg 1984, S. 398 ff.