Rowohlts Vater war der VerlegerErnst Rowohlt. Seine Mutter, die Schauspielerin Maria Pierenkämper, war bei seiner Geburt in dritter Ehe mit dem Maler Max Rupp verheiratet. Erst Mitte der 1950er Jahre ließ sie sich von Rupp scheiden und heiratete 1957 den über 20 Jahre älteren Ernst Rowohlt, der bereits 1960 starb.
Harry Rowohlt wuchs an verschiedenen Orten auf, besuchte das Walddörfer-Gymnasium in Hamburg und machte dort sein Abitur. Anschließend absolvierte er eine Lehre als Verlagsbuchhändler beim Suhrkamp Verlag in Frankfurt am Main, wo er seine spätere Ehefrau Ulla auf einem Ball kennenlernte,[2] und war anschließend Volontär im nunmehr von seinem Halbbruder Heinrich Maria Ledig-Rowohlt geleiteten Rowohlt Verlag und bei der New Yorker Grove Press. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland arbeitete er zeitweise als Werbetexter in der Werbeagentur GGK. Ab 1971 war er freiberuflicher Übersetzer aus dem Englischen.[3] Die erste Übersetzung war ein Kinderbuch von Alexander Sutherland Neill, das bis dahin als unübersetzbar galt; es erschien unter dem Titel Die grüne Wolke beim Rowohlt Verlag und erreichte auf Anhieb Platz eins der Spiegel-Bestseller-Liste.[4] Daneben wurde er bekannt als Vorleser der von ihm übersetzten Werke, als Autor der Kolumne Pooh’s Corner in der Wochenzeitung Die Zeit und als Darsteller des Obdachlosen Harry in der Fernsehserie Lindenstraße. Zu hören war er außerdem als Sprecher des Bären in Wenzel Storchs Spielfilm Die Reise ins Glück.
Er erbte 49 Prozent des Verlags von seinem Vater, lehnte es aber ab, in das Verlagsgeschäft einzusteigen.[5] 1982 verkauften die beiden Brüder schließlich das Unternehmen an die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Anfragen zum Verlag wehrte er mit einem Formschreiben ab: „Ich habe drei Rundschreiben. Rundschreiben 1 lautet: Ich bin ja schon froh, dass ich nicht Kiepenheuer und Witsch heiße. Wenn Sie was vom Rowohlt-Verlag wollen, wenden Sie sich an den Rowohlt-Verlag und nicht an mich. Weitersagen!“[6] In den 1970er Jahren trat er wegen Willy Brandt in die SPD ein.[7]
Rowohlts Kolumne Pooh’s Corner erschien bis 1998 in Abständen von drei bis zehn Wochen. Zwischen der ersten 1998er Corner (in der zweiten Kalenderwoche) und der zweiten lag über ein halbes Jahr. In den beiden folgenden Jahren kam je nur eine einzige Kolumne zu Stande, bis er schließlich, ohne weitere Erklärung, zunächst keine weiteren mehr schrieb. Ohne vorherige Ankündigung erschien in der Zeit Nr. 51/2005 vom 15. Dezember 2005 eine neue Pooh’s Corner, in der Rowohlt einleitend erklärte, er habe seine letzten Kolumnen mit wachsendem Unmut gelesen, weshalb er sie niemandem mehr zumuten mochte. Seitdem erschienen in loser Folge weitere von Rowohlts Corner-Beiträgen, der letzte im März 2013.
Rowohlt war außerdem für seine exzessiven Solo-Bühnenauftritte bekannt, die selten weniger als vier, manchmal sogar mehr als sechs Stunden dauerten. Er unterbrach die Lesungen häufig mit Kommentaren zu den Texten, abschweifenden Bemerkungen, Anekdoten, autobiografischen Erzählungen, Dialogen mit dem Publikum und vielem mehr, sodass die gelesenen Texte eher im Hintergrund standen. Die solcherart aufgelockerten Veranstaltungen nannte er lange Zeit „Schausaufen mit Betonung“, da er während der Lesung alkoholische Getränke zu sich nahm,[8] wozu er erläuterte: „Das Publikum hat ein Anrecht darauf mitzuerleben, wie der Referent sich zugrunde richtet“.[7] Zu seinem unverwechselbaren Aussehen erklärte er in einem Interview: „[…] wenn man als junger Mensch so aussah wie ein Hippie und sich einigermaßen selbst treu geblieben ist, sieht man als alter Sack aus wie ein Penner und nicht wie Joschka Fischer.“[9]
Im Juni 2007 gab Rowohlt bekannt, dass er an der nicht heilbaren Krankheit Polyneuropathie leide, die seine Gehfähigkeit stark beeinträchtigte. Die eigene Krankheit kommentierte er sarkastisch: „Ich brauch’ mich als passionierter Stubenhocker nicht groß umschulen zu lassen.“[10] Seine Rolle in der Lindenstraße wollte Rowohlt weiterführen, notfalls im Sitzen, wie er dem Produzenten unverzüglich mitteilte.[11] Nach längerer weitgehender Alkoholabstinenz gab Harry Rowohlt seit 2009 wieder Lesungen.[12] Da ausschließlich Wasser auf dem Tisch stand, nannte er die Veranstaltungen nun „Betonung ohne Schausaufen“.[13]
Auf die Frage im FAZ-Fragebogen nach dem „vollkommenen irdischen Glück“ antwortete Rowohlt: „Im Eingeweide einer Kneipe mit klugen Freunden dummes Zeug schwätzen.“ Auf die Frage nach „Ihrem Traum vom Glück“ antwortete er: „In einem Italo-Western mitgespielt zu haben und sagen zu können: ‚Kuck mal, der 18. von links –: Das bin ich.‘“[14]
Rowohlt lebte zuletzt mit seiner Ehefrau in Hamburg-Eppendorf. In seinen letzten Lebensjahren litt Rowohlt auch an Lungenkrebs, an dessen Folgen er 2015 in Hamburg im Alter von 70 Jahren starb.[15] Er wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg beigesetzt. Der Grabstein ist ein Findling, auf dem neben einer Wiedergabe von Rowohlts Autogramm sein Geburts- und Sterbejahr eingemeißelt wurden.
Der Literaturkritiker Hellmuth Karasek äußerte, Rowohlt sei nicht nur ein begnadeter Kinderbuchübersetzer gewesen, sondern auch ein Vermittler irischer Literatur: „Man könnte sagen, dass er das Karl-Kraus-Diktum befolgt hat: ‚Übersetzen? Üb: ersetzen‘. Er hat also Bücher neu geschaffen durch seine Übersetzung, kongenial in den deutschen Slang aus der irischen Alkoholsprache übertragen.“[16]
Rowohlts Übersetzungskunst wurde in einem Cartoon des Zeichnerduos Hauck & Bauer gelobt, in dem ein Buchhandlungskunde zum anderen sagt: „Das Buch musst Du in der Übersetzung von Harry Rowohlt lesen. Im Original geht da viel verloren.“[17]
Aus der Jurybegründung für die Verleihung des Sonderpreises des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk als Übersetzer: „Ein All-Age-Übersetzer wie Rowohlt, der im erwachsenen und kinderliterarischen Bereich tätig ist“, so die Jury in ihrer Begründung, „kann den Blick für literarische Qualitäten schärfen, die Werke der Kinder- wie die der Allgemeinliteratur gleichermaßen auszeichnen und so die ohnehin durchlässige Grenze zwischen den Bereichen überschreiten. Es sind Qualitäten wie ausladende Komik, Schrägheit, Hintersinn, Skurrilität, Absurdität, Übertreibung und Genialität, die das gesamte Übersetzungs-Œuvre Rowohlts durchdringen. Sein ganzes Schaffen zeichnet sich aus durch höchste Ansprüche an sich selbst und Sprachverliebtheit bis zur Sprachbesessenheit.“
Der Kampf geht weiter. Schönen Gruß, Gottes Segen und Rot Front – Nicht weggeschmissene Briefe. Kein & Aber, Zürich 2005, ISBN 3-0369-5133-4.
Der Große Bär und seine Gestirne. Freunde und Weggefährten grüßen, dichten und malen zum 60. Geburtstag von Harry Rowohlt. Kein & Aber, Zürich 2005, ISBN 3-0369-5134-2.
Pooh’s Corner complett. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2005, dritte Ausgabe der Sammlung beider Bände anlässlich des 60. Geburtstag des Verfassers mit Beigabe „Der Harry-Rowohlt-Rabe“ (Der Rabe Nr. 64), Zweitausendeins, Frankfurt am Main; Buch 2000, Affoltern am Albis 2005, ISBN 3-86150-547-9.
Wahre Engel und andere Geister der Weihnacht. (zusammen mit Rudi Hurzlmeier) Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-86150-541-X.
Hipphopp – Die hohe Schule der Roßmalerei mit feinen Pferdeversen (zusammen mit Rudi Hurzlmeier). Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-86150-823-6.
Gottes Segen und Rot Front – Nicht weggeschmissene Briefe zweiter Teil. Kein & Aber, Zürich 2009, ISBN 978-3-03-695536-0.
Lord Brummel. Bilder aus dem Leben des Dandys unter den Bären (zusammen mit Rudi Hurzlmeier). Zweitausendeins, Hamburg 2009, ISBN 978-3-942048-04-0.
Alfred Polgar: Lauter gute Kritiken, Zusammengetragen von Harry Rowohlt mit einem Interview von Robert Musil. Kein & Aber, Zürich 2006, ISBN 3-0369-5167-9.
Andy Stanton: Mr Gum und der fliegende Tanzbär, 2012 (CD)
Andy Stanton: Mr Gum und der fettige Ingo, 2012 (CD)
Andy Stanton: Mr Gum und der sprechende Kirschbaum, 2013 (CD)
Harry Rowohlt und Klaus Bittermann lesen aus „Alles schick in Kreuzberg“ und „Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol“, Live-Mitschnitt, 2013 (2 CD)
Andy Stanton: Mr Gum und das geheime Geheimversteck, 2013 (CD)
↑Ralf Sotscheck: Harry Rowohlt über Polyneuropathen: "Viermal pro Jahr die Kante geben". In: Die Tageszeitung: taz. 12. Oktober 2009, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 23. September 2022]).