Als Hibakusha (jap. 被爆者, dt. Explosionsopfer, Bombenopfer) werden in Japan die Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 bezeichnet.
Grundsätzlich werden drei Kategorien von Opfern unterschieden.
Hibakusha und ihre Kinder waren (und sind immer noch) Opfer von Diskriminierung, auch infolge mangelnden Wissens über die Strahlenkrankheit, von der viele Menschen glaubten, dass sie vererbbar oder sogar ansteckend sei.[2]
Studs Terkels Buch The Good War enthält ein Gespräch mit zwei Hibakusha und beobachtet:
„Es gibt in Japan gegen die Hibakusha eine beträchtliche Diskriminierung. Diese dehnt sich oft auch auf deren Kinder aus, sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich. ‚Nicht nur Hibakusha, sondern auch ihren Kindern werden Arbeitsplätze verweigert‘, sagt Hr. Kito. ‚Es gibt viele unter ihnen, die es verheimlichen Hibakusha zu sein.‘“[3]
Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es immer noch Hibakusha-Neuregistrierungen, da manche Betroffenen erst jetzt mit ihrer persönlichen Geschichte an die Öffentlichkeit gehen.
Im Jahr 1956 gründeten Überlebende der Atombombenabwürfe die Organisation Nihon Hidankyō, unter anderem mit dem Ziel, Druck auf die japanische Regierung auszuüben, damit diese sich weltweit für die Abschaffung von Atomwaffen einsetzt.[4] Im Jahr 2024 erhielt die Organisation den Friedensnobelpreis.
Ein Gesetz über die Behandlung der Opfer der Atombomben, in dem erste Versorgungsregelungen für die Hibakusha getroffen wurden, wurde 1957 beschlossen, aber erst ab 1968 erhielten die Überlebenden eine unentgeltliche ärztliche Betreuung. Die materielle Entschädigung bzw. Versorgung der Hibakusha ist auch heute noch unbefriedigend.
Viele Hibakusha leiden an körperlichen Langzeitschäden, Behinderungen und Folgekrankheiten. Am häufigsten sind Erkrankungen der Schilddrüse wie Tumoren oder Zysten. Dazu kommen häufig psychische Störungen: Nach den Bombenangriffen verfielen viele Überlebende aufgrund familiärer und gesellschaftlicher Verluste in Lethargie oder entwickelten wegen des eigenen Überlebens Schuldgefühle, und bei der Gründung eigener Familien war zunächst unklar, ob die Kinder gesund zur Welt kommen würden. Anlässlich des internationalen Jahres des Friedens 1986 beschloss die Friedens- und Kulturstiftung von Hiroshima, die Berichte von 100 Hibakusha aufzuzeichnen und im Friedensmuseum Hiroshima zu archivieren.
Zu den Überlebenden der Atombombenabwürfe zählten auch etwa 40.000 koreanische Zwangsarbeiter, von denen die meisten nach Korea zurückkehrten. Da Südkorea im Normalisierungsvertrag mit Japan 1965 auf alle Ansprüche verzichtete, erhielt es keine Reparationszahlungen. Während japanische Gerichte die Forderungen koreanischer Opfer früher stets zurückgewiesen hatten, wurde die japanische Regierung im Januar 2005 erstmals zu Entschädigungszahlungen für 40 südkoreanische Atombombenopfer verurteilt.
Die in Hiroshima lebende Schülerin Sadako Sasaki (1943–1955) war zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfs 2½ Jahre alt. Anfang 1955 wurde bei ihr Leukämie diagnostiziert. Ausgehend von einer japanischen Legende, nach der derjenige, der 1.000 Origami-Kraniche falte, von den Göttern einen Wunsch erfüllt bekäme, begann Sadako während ihres Krankenhausaufenthaltes Papierkraniche zu falten, um so ihre Gesundheit zurückzuerhalten. Aufgrund der weltweiten Verbreitung und der Anteilnahme, die ihre Geschichte fand, wurden Origami-Kraniche zu einem Symbol der internationalen Friedensbewegung und des Widerstands gegen einen Atomkrieg.
Paul Takashi Nagai (1908–1951) arbeitete beim Atombombenabwurf auf Nagasaki als Arzt in der Radiologieabteilung des Hochschulkrankenhauses von Nagasaki. Schwer verwundet kümmerte er sich weiter um Verletzte. Über seine Erlebnisse schrieb er das Buch Die Glocken von Nagasaki, ehe er infolge der Strahlung an Leukämie verstarb.
Der Manga-Zeichner Keiji Nakazawa (1939–2012) überlebte als Schüler den Bombenabwurf auf Hiroshima in der Nähe des Hypozentrums, verlor aber einen großen Teil seiner Familie und erkrankte an Leukämie. Seine Erinnerungen hat er u. a. in der von 1973 bis 1985 veröffentlichten Manga-Serie Barfuß durch Hiroshima festgehalten, die mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde.
Der Arzt Michihiko Hachiya (1903–1980) war Leiter eines Krankenhauses in Hiroshima und überlebte die Atombombe nur etwa 1.500 Meter vom Hypozentrum entfernt. Vom 6. August bis zum 30. September 1945 führte er ein Tagebuch, in dem er die Tätigkeit der Ärzte und Krankenschwestern in der zerstörten Stadt festhielt. Das Werk ist unter dem Titel Hiroshima-Tagebuch auch in andere Sprachen übersetzt worden.
Kazuo Soda (geboren 1930) überlebte den Bombenabwurf auf Nagasaki, verlor aber seinen Bruder und später auch seine Eltern. Er ist ein international bekannter Friedensaktivist und wurde u. a. mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet.
Tsutomu Yamaguchi (1916–2010) erlebte beide Atombombenabwürfe mit: Am 6. August 1945 hielt er sich beruflich in Hiroshima auf und überlebte die Explosion etwa drei Kilometer vom Hypozentrum entfernt. Er kehrte am 8. August in seinen Heimatort Nagasaki zurück und überstand einen Tag später die zweite Explosion, erneut etwa drei Kilometer vom Hypozentrum entfernt. Zusätzlich wurde er in beiden Fällen ionisierender Strahlung ausgesetzt. Er war einer von neun bekannten Überlebenden, die bei beiden Explosionen jeweils in der Nähe des Bodennullpunktes waren, und der einzige jemals behördlich anerkannte „doppelte Hibakusha“.
Araki Takeshi (1916–1994) überlebte den Bombenabwurf auf Hiroshima in einer Fabrik, erkrankte jedoch noch im selben Monat an der Strahlenkrankheit. Von 1975 bis 1991 war er Bürgermeister von Hiroshima und setzte sich zeit seines Lebens für die Abschaffung von Nuklearwaffen ein. Weltweite Aufmerksamkeit erfuhren seine jährlich am 6. August stattfindenden Friedensdeklarationen, die seit 1947 vom amtierenden Bürgermeister Hiroshimas an die Welt gerichtet werden. Auf seine Initiative hin wurde 1982 die internationale Organisation Mayors for Peace gegründet.
Tomotaka Tasaka (1902–1974), ein berühmter Filmregisseur, überlebte den Abwurf in Hiroshima. Seine Erfahrungen verarbeitete er später in dem Film Never Forget the Song of Nagasaki (Nagasaki no uta wa wasureji, 1953).
In dem vor allem in Deutschland populären Roman Die Wolke von Gudrun Pausewang bezeichnen sich die Opfer eines (fiktiven) Atomunfalls ebenfalls als Hibakusha. In der Realität ist diese Bezeichnung jedoch nur für die Opfer der beiden Atombombenabwürfe üblich, eine solche Übertragung der Bezeichnung auch auf die Opfer ziviler Atomtechnik, zum Beispiel der Unfälle in Tschernobyl und Fukushima, ist nicht erfolgt.
Artikel