Über Jiz Lees Geburtsnamen ist nichts bekannt. Wie Lee im Jahr 2014 in einem Vortrag auf der 5th Annual Five College Queer Gender & Sexuality Conference am Hampshire College in Amherst ausführte, ist Jiz Lee ein Pseudonym. Der Vorname Jiz beziehe sich dabei auf die weibliche Ejakulation unter Rückgriff auf den amerikanischen Slangausdruck jizz (eng. = Ejakulat).[3] Weitere Pseudonyme, die Lee in Filmen nutzte, lauten Beau Flex, Jiz und Vasa.
Lee absolvierte das Mills College in Oakland, Kalifornien und hat eine Tanzausbildung.[4] Einen Grundstein für die spätere Karriere in der Pornofilmbranche stellte laut Lee die Mitarbeit beim 1996 in San Francisco gegründeten Dandelion Dancetheater dar, zu dessen Ensemble Lee vor Beginn der späteren Filmkarriere gehörte. In einer Reportage des Hyphen-Magazins spricht Lee darüber, in Aufführungen mit der Tanztheatergruppe nackt vor Publikum getanzt und sich damit sehr wohlgefühlt zu haben.[4]
Lee sagt von sich, als Kind und Jugendliche „schon immer ein Tomboy“ gewesen zu sein und sich heute als weder männlichen noch weiblichen Geschlechts zu verstehen, sondern als nichtbinär.[1] Lee beansprucht, in geschlechtsneutraler Weise mit dem singularen Fürwort they bezeichnet zu werden.[5] Dies ist im Deutschen unübersetzbar, jedoch wird das zusammengesetzte Fürwort sier anstelle binärer Bezeichnung wie sie oder er als Alternative vorgeschlagen. In der Freizeit trainiert Lee für die Teilnahme an Triathlons wie dem Ironman Hawaii.[1] Anlass für die Beschäftigung mit der Sportart sei der Tod eines engen Freundes gewesen, so Lee im Arte-Interview.
Mit den Filmkolleginnen Syd Blakovich und Dallas hatte Lee auch private Beziehungen. Mit Blakovich[6] gab es darüber hinaus eine vierjährige Zusammenarbeit bei dem Performanceprojekt Twincest von 2004–2009.[7]
Steve Javors vom AVN Magazine würdigte Jiz Lee als „einen der ganz großen Stars am Queer-Porn-Filmset“.
Lees pornografisches Leinwanddebüt fand 2005 statt, mit dem Film The Crash Pad von Shine Louise Houston für deren Produktionsfirma Pink & White Productions.[8] Lee drehte ursprünglich nur mit Personen, mit denen auch eine private sexuelle Beziehung bestand, in diesem Fall als Co-Star der seinerzeitigen Lebenspartnerin Syd Blakovich.[9] Bis heute hat Lee zahlreiche Szenen mit Spielpartnerinnen und -partnern gedreht, von denen Lee sagt, in sie „verknallt“ zu sein, was die Besonderheit dieser Szenen ausmache, insbesondere im Vergleich zum Mainstream-Porno. Weitere Arbeiten mit der Produktionsfirma Pink & White Productions und unter Regie von Shine Louise Houston folgten, so u. a. Superfreak, Snapshot und weitere Teile der Crash-Pad-Reihe.
Aufgrund der langjährigen Verbundenheit mit der Produktionsfirma, die von Regisseurin Shine Louise Houston geleitet wird, übernahm Jiz Lee 2013 die Leitung des Online-Marketings bei Pink & White Productions.[10]
Lee hat es sich zur Regel gemacht, bei Pornofilmen nur mit Regisseurinnen und Regisseuren zu arbeiten, mit denen vor Drehbeginn ein persönliches Kennenlernen erfolgte und ausschließlich in Produktionen zu spielen, in denen die Darstellenden selbstbestimmt und auf Augenhöhe agieren, im Sinne des soziologischen Begriffs der „Agency“.[11]
Neben Pornofilmen war Lee auch in anderen renommierten Spielfilm- und Serienprojekten zu sehen, die Themen aus dem queeren Spektrum behandeln, u. a. in Mommy is Coming der amerikanischen Regisseurin Cheryl Dunye[12], mit einer wiederkehrenden Rolle als Domina Pony in der Serie Transparent[13] sowie in Sense8, der Science-Fiction-Serie der Produzentinnen Lana und Lilly Wachowski, die z. T. auch Regie führten.
Die Erfahrungen in der Pornobranche verarbeitet Lee auch in akademischen Beiträgen zum Themenspektrum Feminismus und Pornografie sowie im Buchprojekt Coming Out Like a Porn Star, das im Jahr 2015 erschien.[14] Es versammelt Beiträge von Protagonistinnen und Protagonisten der Pornobranche, inspiriert von Lees Ängsten und Blockaden, sich gegenüber der eigenen Familie zur Tätigkeit in der Erotikindustrie zu bekennen. Der Kritiker Rich Moreland beschrieb das Buch als „Lektion im Umgang mit Sozialverhalten und Vorurteilen“.[15] Für Lynn Comella ist das Buch „ein Beleg für die Kraft des Erzählens und für die Bedeutung, die diese hat, wenn Sexarbeiterinnen und -arbeiter ihre Geschichten mit eigenen Worten erzählen.“[16]
Lee beschreibt sich selbst als „lustaktivistisch“ (engl. pleasure activist).[17] Dazu gehört das Fundraising-Projekt Karma Pervs, das über die Versteigerung von künstlerisch-erotischen Werken Spenden für Belange von Sexarbeiterinnen sammelt.[18] Jiz Lee gilt als wegbereitend für die visuelle und inhaltliche Entwicklung des Genres Queere Pornografie[19], und spielt daneben eine bedeutende Rolle für die Sichtbarkeit genderqueerer Personen im Pornofilm.[20][21] Daneben hat Lee auch zur Weiterentwicklung des feministischen Pornofilms und der Darstellung weiblicher Pornografie im Film beigetragen.[17] Lee wehrt sich allerdings gegen das Label Feministische Pornografie mit der Begründung, die Begrifflichkeit wecke den Anschein, dass Pornografie nicht vom Grundsatz her aus sich selbst heraus bereits feministisch sein könne.[22]
Darüber hinaus spricht sich Lee für faire Produktionsbedingungen in der Pornofilmindustrie wie auch für ethische Grundsätze seitens der Konsumierenden aus[23], mit einem besonderen Schwerpunkt im Bereich der Arbeitsschutzrechte und sexuellen Selbstbestimmung von Pornodarstellerinnen und -darstellern.[24]
In zahlreichen Interviews und Artikeln äußerte sich Lee zu feministischen, queeren und Transthemen, insbesondere natürlich in Bezug auf die Pornoindustrie.[25] Lee wurde darüber hinaus von akademischen Institutionen zu Gesprächen und Vorträgen über queere Sexualität und Erfahrungen in der Pornoindustrie eingeladen, etwa an die Stanford University und an die University of California, Berkeley.[26]
They came to see the [queer] porn star talk. In: Porn Studies. Bd. 2, Heft 2–3, Taylor & Francis, London 2015, ISSN 2326-8743, S. 272–274.
Jiz Lee und Rebecca Sullivan: Porn and labour: the labour of porn studies. In: Jiz Lee und Rebecca Sullivan (Hrsg.): Porn Studies, Bd. 3, Heft 2, Taylor & Francis, London 27. Juli 2016, ISSN 2326-8743, S. 104–106. Online-Ausgabe
Uncategorized: Genderqueer Identity and Performance in Independent and Mainstream Porn. In: Tristan Taormino (Hrsg.): The Feminist Porn Book: The Politics of Producing Pleasure. The Feminist Press at CUNY, New York 2013, ISBN 978-1-55861-818-3, S. 273–278.
als Hrsg.: Coming Out Like a Porn Star: Essays on Pornography, Protection, and Privacy. ThreeL Media, Los Angeles 2015, ISBN 978-0-9905571-6-6.
als Fotomodell: Dave Naz: Genderqueer: And Other Gender Identities. Rare Bird Books, Los Angeles 2014, ISBN 978-1-940207-26-1.
↑ abPatricia Justine Tumang: Changing the Color of Porn. In: hyphenmagazine.com. 1. Januar 2008, abgerufen am 24. Januar 2020 (englisch).
↑Jiz Lee: About Jiz Lee. In: jizlee.com. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Januar 2020; abgerufen am 24. Mai 2022 (englisch).
↑Jennifer DeClue: Let's Play: Exploring Cinematic Black Lesbian Fantasy, Pleasure, and Pain. In: Patrick E. Johnson (Hrsg.): No Tea, No Shade: New Writings in Black Queer Studies. Duke University Press, Durham 2016, ISBN 978-0-8223-6222-7 (englisch).
↑Lynn Comella: Coming out like a Porn Star: Essays on Pornography, Protection, and Privacy. In: Porn Studies. Band3, Nr.2. Taylor & Francis, London April 2016, S.195–197.
↑Cheria Seise: Fucking Utopia: Queer Porn and Queer Liberation. In: The Paulo and Nita Freire International Project for Critical Pedagogy (Hrsg.): Sprinkle: A Journal of Sexual Diversity Studies. Band3. Montreal und Quebec 1. April 2010, S.19–29.Download als pdf
↑Courtney Trouble: Finding Gender through Porn Performance. In: Porn Studies. Band1, Nr.1–2. Taylor & Francis, London 2014, S.197–200.
↑Zethu Matebeni: Queer(ing) porn – A conversation. Zethu Matebeni talks to Jabu C Pereira and Ignacio Rivera. In: Lou Haysom (Hrsg.): Agenda. Band26, 3 Women's sexuality and pornography. Taylor & Francis, London 2012, S.61–69.