Kaisersemmel

Kaisersemmel

Die Kaisersemmel (auch Kaiserweck(en), Kaiserbrötchen, Sternsemmel oder Tafelbrötchen) ist ein krustenreiches, resches (knuspriges), sternförmig eingeschnittenes (im Original entsteht der Stern durch eine spezielle Einschlagtechnik des Teiges) Weißgebäck ursprünglich aus Österreich.[1] Das Mindestausbackgewicht beträgt wie bei anderem Weißgebäck 46 g, kleinere Formen werden Jourgebäck genannt. Es werden auch Varianten mit einem Gewicht bis zu 80 g angeboten. Im Gegensatz zur handgearbeiteten Wiener Kaisersemmel sind allgemein kürzere Produktionsschritte, der Einsatz von Maschinen und die Zugabe von Roggenmehl zum Weizenmehl möglich.

Herkunft und Bedeutung

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Die Kaisersemmel bei der festlichen Hoftafel in Wien.
Martin van Meytens, nach 1760.

Wer der Erfinder der Kaisersemmel ist, lässt sich nicht zweifelsfrei ermitteln. Manche führen den Namen auf Kaiser Friedrich III. zurück, der 1487 Semmeln mit seinem Porträt backen ließ.[2][3]

Nach einer anderen Version soll ein Wiener Bäcker namens Kayser um 1730 die Kaysersemmel erfunden haben.[4] Er erkannte die Geschmacksverbesserung durch Erhöhung des Krustenanteils.

Laut einer anderen Geschichte wurden im 18. Jahrhundert der Preis und das Gewicht der Semmel in einer Satzung geregelt. Durch den hohen Mehlpreis konnten die Bäcker jedoch kaum Gewinne erzielen. Im Jahr 1789 sandte daher die Bäckerinnung eine Abordnung zu Kaiser Joseph II., um eine freie Preisgestaltung für die Semmel zu erbitten. Der Kaiser war von der Handwerkskunst der Bäcker so angetan, dass er die Streichung der Semmel von der Satzung bewilligte und die Semmel fortan Kaisersemmel genannt wurde.[5]

Wieder anderen Erzählungen zufolge galt seit der Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph I. von 1848 bis 1916 die Bezeichnung „Kaiser“ in Verbindung mit Speisen und Getränken bald als höchste Steigerung, womit man das Beste seiner Art bedachte.[6]

Eine weitere mögliche Herkunft des Namens ist die Ableitung vom Italienischen „alla casa“ („nach Art des Hauses“).

Unabhängig vom unsicheren Namensursprung gab es die Kaisersemmel selber nachweislich schon am Hofe Maria Theresias im 18. Jahrhundert. Kaisersemmeln sind auf einem Gemälde des Hofmalers Martin van Meytens aus der Zeit zwischen 1760 und 1770 zu erkennen. Das Gemälde, welches sich in Schloss Schönbrunn befindet, stellt die Hoftafel in der Großen Antecamera der Wiener Hofburg dar.

Auf der Pariser Weltausstellung 1867 erlangte die Kaisersemmel internationale Bekanntheit.[7] Im 19. Jahrhundert galt jemand in Wien als arm, wenn er keine Kaisersemmeln aß, sondern stattdessen „Mundsemmel[n] oder gar Schusterlabel“ (Schusterlaberln, -laiberln).[8]

Wiener Kaisersemmel

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Die Wiener Kaisersemmel (auch Handsemmel) ist eine Variante der Kaisersemmel. Im Österreichischen Lebensmittelbuch ist sie als „Weißgebäck“ im Codexkapitel B 18 „Backerzeugnisse“, Unterkapitel „Gebäck (Kleingebäck)“, definiert. Sie ist ein handgewirktes, krustenreiches, resches, sternförmig eingeschnittenes Weizenkleingebäck.[1] Sie zeichnet sich durch eine lange Teigführung aus, die zumindest zwei Stunden dauern muss. Sie ist in Österreich insbesondere in Wien verbreitet. Sie wurde auch im Register der Traditionellen Lebensmittel des Lebensministeriums für ganz Österreich, insbesondere Wien aufgenommen.[5]

Für die Herstellung des Semmelteiges gibt es zwei Möglichkeiten: die direkte (einstufige) oder die indirekte (stufenweise) Teigherstellung. Ein Vorteig (Ansatz aus Mehl, Wasser und Hefe) wird vor der Bereitung des Hauptteiges zubereitet. Dieser wird dann mit Mehl und weiteren Zutaten zum Hauptteig vermischt. Die Teigtemperatur soll etwa 25 °C betragen.

Der Teig wird traditionellerweise von Hand langsam geknetet, bis der Teig eine glatte Oberfläche aufweist. Bei der Erzeugung mit Hilfe von Maschinen werden die Zutaten vermischt und der Teig anschließend intensiv geknetet. Während der nun folgenden Teigruhe von insgesamt zwei Stunden wird der Teig gelockert. In dieser Ruhezeit wird der Teig vier Mal zusammengestoßen. Danach wird der Teig sofort ausgewogen und so geformt, dass eine glatte Oberfläche entsteht, in der Fachsprache heißt das, der Teig wird „geschliffen“.[5] Das Teiggewicht einer Semmel beträgt rund 56 g. Die geschliffenen Stücke überstaubt man mit Mehl und rollt sie mit beiden Händen hin und her. Die Formen werden zugedeckt und bekommen eine kurze, etwa 15-minütige Ruhezeit.

Zum Wirken (Formen) mit der Hand wird helles Roggenmehl empfohlen: Die fünf Teile der Semmel, die sogenannten Laugen, reißen besser und der Stern der Semmel wird schöner. Zudem karamellisiert das eingewirkte Mehl während des Backens und ist ein wichtiger Geschmacksträger. Die sternförmigen Einschnitte bewirken einen höheren Krustenanteil und sind für das „Krachen“ beim Auseinanderbrechen verantwortlich.[5]

Nach dem Ruhen wird das Teigstück zu einem runden Fleck geklopft und danach werden die Laugen händisch geformt.[9] Der Teig wird damit verdichtet. Auf diese Weise entsteht eine saftige, kompakte Krume (österr.: Schmolle) der Handsemmel, die vom Mundgefühl her an Watte erinnert. Zum Schluss werden die erste und die letzte Lauge fest zusammengepresst. Die so geformten Semmeln legt man mit dem Stern nach unten auf ein Tuch. Die Semmeln werden bedeckt und etwas flach gedrückt. Vor dem Backen werden die Semmeln leicht mit Wasser benetzt.[10]

Rezeptbestandteil in der österreichischen Küche

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Die Kaisersemmel ist bei diversen Speisen der österreichischen Küche Rezeptbestandteil. Dazu zählen Semmelknödel, Semmelkren, Semmelsuppe[11], Panadelsuppe oder Blunze. Bei der Panade von Wiener Schnitzel kommen Semmelbrösel zum Einsatz, die in österreichischen Bäckereien traditionell aus Kaisersemmeln gewonnen werden.

Die Redewendung „krachen wie eine Kaisersemmel“ hat in Österreich die Bedeutung von „fast pleite sein“.[12][13]

  • Ein Morgen in Wien. Über Bäcker und Backstuben. Dokumentarfilm, Österreich, 2009, 22:45 Min., Buch und Regie: Hermann Sternath, Produktion: ORF, Reihen: Österreich-Bild, matinee, Erstsendung: 11. Januar 2009 bei ORF2, Inhaltsangabe von ORF2 (Memento vom 21. Januar 2018 im Internet Archive), Video-Ausschnitt über die Zubereitung der Handsemmel.
    „ … über Maschinen-Semmeln und die begehrte Handsemmel, die für viele die Königin des Gebäckangebots ist. Wie soll, darf, muss sie sein?“
Commons: Kaisersemmel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kaisersemmel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Videos

Einzelnachweise

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  1. a b 2.2.2. Weißgebäck (Memento vom 15. Juli 2015 im Internet Archive) (PDF; 197 kB) im Österreichischen Lebensmittelbuch, Codexkapitel B 18, Unterkapitel 2.2.2 Weißgebäck.
  2. Stefan Hebenstreit: Hitlerweck und Kaisersemmel. Wahlkampfgeschenke und politisch-propagandistische Devotionalien aus dem Backofen. In: Thomas Gimesi, Werner Hanselitsch (Hrsg.), Geben, Nehmen, Tauschen, Lit, Münster 2010, ISBN 978-3-643-50211-7, S. 73–88, hier: S. 74, Belegstelle, zitiert diese Quelle im Brockhaus, 1888.
  3. Curt von Zelau: Küche und Keller im Wandel der Jahrhunderte. Eine culturhistorische Studie. In: Die Dioskuren. Erster Allgemeiner Beamten-Verein der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, Gerold, Band 17, Wien 1888, S. 439–469, hier: S. 446, Digitalisat von Google Bücher und Internet Archive.
    Von Zelau und Hebenstreit führen einen Kaiser Friedrich „IV.“ an (mit Zählung Friedrichs des Schönen), das ist nach verbreiteterer Zählweise der römisch-deutschen Herrscher Kaiser Friedrich III.
  4. Joseph Wechsberg, Ruth Brandon: The lost world of the great spas. Harper & Row, New York 1979, ISBN 0060145846, S. 121, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
    deutsche Ausgabe: Joseph Wechsberg, Eine fast vergessene Welt. Mit einem Kapitel über die amerikanischen Badeorte von Ruth Brandon; Heimeran, München 1980, ISBN 978-3-7765-0287-9.
  5. a b c d Kaisersemmel. Eintrag Nr. 164 im Register der Traditionellen Lebensmittel des österreichischen Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.
  6. Hebenstreit, 2010, S. 73, bezieht sich hier auf Herbert Rosendorfer, Königlich Bayrisches Sportbrevier. (Mit einer Kleine[n] bairische[n] Wortkunde von Ludwig Merkle). dtv, München 1988, ISBN 3-423-10954-8, S. 164.
  7. Hebenstreit, 2010, S. 74.
  8. Rudolf von Gottschall, Friedrich Bienemann: Unsere Zeit: Deutsche Revue der Gegenwart. Monatsschrift zum Conversations-Lexikon. Zweiter Band, Herausgeber August Kurtzel. Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig 1888, S. 417: Belegstelle; vgl.: Schusterlaberln. In: Blätter für Landeskunde von Niederösterreich, 1865.
  9. Video: Herstellung von Handsemmeln von Alexander-Schukoff-Film.
  10. Franz Maier-Bruck: Klassische Österreichische Küche. Seehamer Verlag, Weyarn, 2003, ISBN 978-3-932131-98-1, S. 533–535.
  11. Semmelsuppe wird in Niederösterreich wie eine klassische Brotsuppe zubereitet. Nur werden anstelle von Schwarzbrot Semmeln verwendet. Im Unterschied zur Panadelsuppe, bei der ebenfalls Semmeln Rezeptbestandteil sind, werden hier keine Eier mitverwendet. In der Steiermark wird Semmelsuppe von alters her der Wöchnerin verabreicht. Vgl. Franz Maier-Bruck: Vom Essen auf dem Lande. Klassische Bauernküche und Hausmannskost. Buchverlage Kremayr und Scheriau / Orac, Wien 2006, ISBN 978-3-7015-0493-0, S. 147 und S. 366.
  12. krachen wie eine Kaisersemmel • fast pleite sein. In: Ostarrichi.org.
  13. APA: Firmen krachen wie die Kaisersemmeln. In: Die Presse, 5. Dezember 2008.