Gerstein stammt aus einer russisch-jüdischen Familie;[1] der Vater ist Mathematiker, die Mutter Musiklehrerin.[2] Von Kindheit an war Gerstein ein musikalischer „Wandler zwischen den Welten“ der Klassik und des Jazz: er besuchte in seiner Heimatstadt Woronesch eine Musikschule mit dem Schwerpunkt klassisches Klavier und beschäftigte sich gleichzeitig intensiv mit den Jazzplatten seiner Eltern.[3][4] In Polen – während eines Bach-Klavierwettbewerbs, den er 10-jährig gewann – kam Gerstein zum ersten Mal mit live gespieltem Jazz in Kontakt. Im Alter von 12 Jahren lernte er beim Jazz-Festival in Sankt PetersburgGary Burton kennen. Burton unterstützte den jungen Musiker und verhalf ihm, als jüngstem Schüler aller Zeiten, zu einem Studium am Berklee College of Music in Boston.[5] Gerstein studierte dort drei Jahre Jazz, verlor aber die klassische Musik nicht aus dem Auge. Als ihm klar wurde, dass er dauerhaft nicht beide Musikstile mit der gleichen Intensität studieren konnte, wechselte er kurz vor dem Abschluss an die Manhattan School of Music, um sich ganz der Klassik zuzuwenden. Mit 20 Jahren schloss er sein Studium mit dem akademischen Grad Master ab. Anschließend absolvierte er Meisterkurse bei Dmitri Baschkirow an der Escuela Superior de Música Reina Sofía in Madrid sowie bei Ferenc Rados in Budapest und besuchte 2003 und 2004 die International Piano Academy Lake Como in Italien.[6]
Gersteins Debütalbum mit Werken von Bach, Beethoven, Skrjabin und Gershwin/Wild wurde 2004 von OehmsClassics veröffentlicht. Nach seinem Wechsel zum Kölner Musiklabel Myrios Classics erschien 2010 eine zweite Aufnahme mit Werken von Schumann, Knussen und Liszt. Die Musikkritiker der New York Times zeichneten den Tonträger als eines der Alben des Jahres 2010 aus.[8] Der US-amerikanische Radiosender NPR Classical wählte die Aufnahme in die The Top 5 Chopin and Schumann Albums of 2010.[9] In einer weiteren Aufnahme aus dem Jahr 2010, Sonaten für Viola & Klavier Vol. 1 mit Tabea Zimmermann, wurden die Einspielungen der „Sonaten von […] Brahms“ als „maßstabsetzend“ gewertet.[10]
2010 erhielt Gerstein den hochdotierten Gilmore Artist Award. In der Laudatio wurde Gersteins „schneller Aufstieg in die Königsklasse der klassischen Musik“ auf seine „meisterhafte Technik, klangliche Differenziertheit und einer musikalischen Neugier“ zurückgeführt, die es ihm ermögliche, ein „Repertoire mehrerer Jahrhunderte und Stile“ zu erschließen. Gerstein habe sich als einer der „spannendsten und vielseitigsten Musiker der Gegenwart“ erwiesen.[11] Gerstein ist der sechste Gewinner des Preises, der nach einer längeren Zeit der Beobachtung der Konzertauftritte vergeben wird.[12] Er setzte das Preisgeld von 300.000 Dollar unter anderem dafür ein, Kompositionsaufträge an Oliver Knussen, Alexander Goehr und genreübergreifend an die Jazz-Musiker Brad Mehldau, Chick Corea und Timothy Andres zu vergeben.
Gerstein tritt gelegentlich mit Jazzstücken auf und ist neben seinem „großen aktiven“ Klassikrepertoire an Solowerken und Klavierkonzerten auch in der Kammermusik zu Hause.[13] Er spielt regelmäßig mit Steven Isserlis, Emmanuel Pahud und als Trio mit Clemens Hagen und Kolja Blacher und musiziert mit dem Hagen und dem Kuss Quartett. Seine vierte Aufnahme mit Werken von Brahms, Schubert und Franck aus 2011 und Tabea Zimmermann an der Bratsche wurde vom Rondo als „Elegant, differenziert“ und „technisch makellos“ bezeichnet.[14]
Sonaten für Viola & Klavier Vol. 1 mit Tabea Zimmermann. Rebecca Clarke: Sonate für Violine und Klavier; Henri Vieuxtemps: Violasonate op. 36; Johannes Brahms: Sonate Nr. 2 Es-Dur für Klavier und Klarinette (Viola), op. 120. (Myrios Classics, 2010. Aufnahme im Deutschlandfunk Kammermusiksaal in Köln im März und April 2010.)
Sonaten für Viola & Klavier Vol. 2 mit Tabea Zimmermann. Johannes Brahms: Sonate Nr. 1 f-Moll für Klavier und Klarinette (Viola), op. 120; Franz Schubert: Sonate für Arpeggione und Klavier D821; Eduard Franck: Violinsonate in A-Dur. (Myrios Classics, 2012.)
2015: Echo Klassik in der Kategorie Konzerteinspielung des Jahres für die Aufnahme der 1879er Fassung von Pjotr Tschaikowskis erstem und von Sergei Prokofjews zweitem Klavierkonzert mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter James Gaffigan[31]
↑Barbara Honegger: Kirill Gerstein: Junger Visionär. In: SaisonKlänge. Das Magazin von Jecklin, Meisterzyklus und Zürcher Kammerorchester. Musikhaus Jecklin, Zürich. Nr. 24, November 2006, abgerufen am 30. Oktober 2016.
↑Kirill Gerstein (2010). Irving S. Gilmore International Keyboard Festival, abgerufen am 31. Oktober 2016 (englisch): „[…] Kirill Gerstein has rapidly ascended into classical music’s highest ranks. With a masterful technique, discerning intelligence, and a musical curiosity that has led him to explore repertoire spanning centuries and styles, he has proven to be one of today’s most intriguing and versatile musicians.“
↑Tenth Competition, April 2001. The Arthur Rubinstein International Music Society, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 31. Oktober 2016; abgerufen am 31. Oktober 2016 (englisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.arims.org.il
↑ abKirill Gerstein (2010). Irving S. Gilmore International Keyboard Festival, abgerufen am 29. Oktober 2016 (englisch).