Ab 1834 komponierte Farrenc erste Orchesterwerke. Ihr erster Publikumserfolg war das Air russe varié (op. 17), das von Robert Schumann wohlwollend rezensiert wurde. “Kleine, saubere Studien sind es … so fertig mit einem Wort, dass man sie lieb gewinnen muss, umso mehr als über sie ein ganz leiser, romantischer Duft fort schwebt.”[2] Sie genoss ihren wachsenden Erfolg und konnte sich mit drei Sinfonien und mehreren Kammermusikwerken in der Musikwelt etablieren.
1842 wurde sie als Instrumentalprofessorin für Klavier an das Pariser Konservatorium berufen. Zunächst erhielt sie ein um 200 Francs geringeres Gehalt als ihr Kollege Henri Herz. Erst 1850 erreichte sie durch Eingaben beim Direktor Daniel-François-Esprit Auber eine Angleichung. 1849 fand die Uraufführung ihres größten Erfolgs, der 3. Sinfonie op. 36, mit dem Orchester des Konservatoriums, der Société des concerts du Conservatoire statt. 1850 folgte die Uraufführung des Nonetts op. 38 mit dem namhaften Violinisten Joseph Joachim.
Ab 1861 arbeitete Farrenc gemeinsam mit Aristide Farrenc am Le Trésor des Pianistes, einer Anthologie für Tasteninstrumente mit Noten von 1500 bis 1850 in 23 Bänden, mit biografischen, historischen und musikwissenschaftlichen Angaben zu jedem Stück. Ihr Mann starb 1865 und Farrenc führte das Werk alleine zu Ende.
Nach dem Tod ihrer Tochter und ihres Mannes komponierte Farrenc kaum noch. Sie unterrichtete noch bis 1872 am Konservatorium und starb 1875 in Paris.
Farrenc war eine Zeitgenossin von Mendelssohn, Schumann, Chopin, Glinka und Liszt. Sie entwickelte einen eigenen klassisch-romantischen Kompositionsstil, dem man ihre Liebe und profunde Kenntnis der Musik Haydns, Mozarts und Beethovens anhört, und der auch von ihrer Erforschung der Alten Musik beeinflusst ist. Sie verband klassische Formen mit romantischen Instrumentationen, in denen etwa die Bläser aus dem Kontext der Divertimenti und Serenaden gelöst und in anspruchsvollere kammermusikalische Zusammenhänge gestellt wurden.[3] Im Gegensatz zu zeitgenössischen Komponisten in der Nachfolge Beethovens vermied sie die in der Sonatensatzform üblichen Gegensatzthemen, sondern variierte, in Tradition ihres Lehrers Reicha, zwei oder mehr sich ergänzende, die Phantasie anregende idées mères („Mutterideen“).[4][3]
Zu ihren Lebzeiten waren Farrencs Werke einigermaßen verbreitet. Ihr Mann Aristide Farrenc sorgte für den Druck, von 51 bekannten Stücken wurden ca. 40 gedruckt. Ihre nicht gedruckten Orchesterwerke wurden international aufgeführt, nachgewiesenermaßen in Belgien, Dänemark, Frankreich und der Schweiz. Als einer der wenigen Frauen wurde ihr Werk in ganz Europa bekannt. Ohne Vorbehalte hatte sie dabei die volle Unterstützung ihres Ehemannes, der als Musikverleger sehr frühzeitig nach der Fertigstellung der ersten Kompositionen seine Verbindungen nutzte, die Noten in Druck zu geben. Intensiv arbeiteten beide am Zusammentragen und Veroeffentlichen von musikalischen Werken aus der Zeit ab 1500. Nach dem Tod ihres Ehemannes setzte sie auch diese Arbeiten weiter fort. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen Clara Schumann und Fanny Hensel hatte sie zwar ein gesundes Selbstverständnis als Komponistin, wurde jedoch nach ihrem Tod nahezu vergessen.
Obwohl einige ihrer Stücke im Radio gespielt und als Filmmusik eingesetzt wurden, blieb Farrencs Werk nahezu unbekannt, bis 1995 die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Universität Oldenburg unter Leitung von Freia Hoffmann eine Werkausgabe finanzierte.[5][6] Bis dahin gab es nur ältere Noten im Antiquariat und wenige Neuausgaben. Die Orchesterwerke (drei Sinfonien und zwei Ouvertüren) waren nicht im Handel erhältlich, obwohl Interesse bestand, die Musik zu spielen.
Ab 1997 ließ das auf Klassik-Ersteinspielungen spezialisierte Klassiklabel classic production osnabrück die Sinfonien einspielen (NDR Radiophilharmonie, Johannes Goritzki) und brachte sie auf CD heraus. 2001 folgte eine Gesamtaufnahme aller Sinfonien (Orchestre de Bretagne unter Stefan Sanderling). 2018 waren rund 20 CDs mit ihren Werken erhältlich.[7]
Rebecca Grotjahn, Christin Heitmann (Hrsg.): Louise Farrenc und die Klassik-Rezeption in Frankreich. BIS-Verlag, Oldenburg 2006, ISBN 3-8142-0964-8 (Link zum Volltext).
Christin Heitmann: Traditionsbezug und Originalitätsanspruch im Konflikt? Louise Farrencs Auseinandersetzung mit Ludwig van Beethoven. In: Bettina Brand, Martina Helmig (Hrsg.): Maßstab Beethoven? Komponistinnen im Schatten des Geniekults. München 2001, S. 58–76.
Christin Heitmann: Die Orchester- und Kammermusik von Louise Farrenc vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Sonatentheorie. Noetzel, Wilhelmshaven 2004, ISBN 3-7959-0828-0.
Freia Hoffmann (Hrsg.): Louise Farrenc (1804–1875): Kritische Ausgabe. Orchester- und Kammermusik sowie ausgewählte Klavierwerke. Noetzel, Wilhelmshaven 1998–2005.
Florence Launay: Les Compositrices en France au XIXe siècle. Fayard, Paris 2006, ISBN 2-213-62458-5.
Meike Loermann: Fanny Hensel und Louise Farrenc. Vergleich zweier Komponistinnen des 19. Jahrhunderts. Oldenburg 2007 (Hochschulschrift).
Maria Stratigou: Louise Farrenc's Piano Études: Dates, Purpose, Reception, and Function. In: Mariateresa Storino and Susan Wollenberg (Hrsg.): Women composers in new perspecives, 1800–1950: genres, contexts and repertoire. Brepols, Turnhout 2023 (Specvlvm mvsicae; 49), ISBN 978-2-503-60630-9, S. 63–80.
Jan Felix Jaacks, Anja Herold: Art. „Farrenc, (Jeanne-) Louise, geb. Dumont“. In: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2008. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann.
Jan Felix Jaacks, Anja Herold, Art. "Farrenc, Victorine" in: Lexikon "Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts, hrsg. von Freia Hoffmann, 2008.
Christin Heitmann: Artikel „Louise Farrenc“. In: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff. Stand vom 27. November 2018.
↑Robert Schumann, Ueber Louise Farrenc, in: Neue Zeitschrift für Musik, Jahrgang 1836;
↑ abVgl. Christin Heitmann, Katharina Herwig, Freia Hoffmann: Die Werkausgabe Louise Farrenc. In: Einblicke. Forschungsmagazin der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Nr. 27, April 1998, S. 16–18 (presse.uni-oldenburg.de).
↑Vgl. Christin Heitmann: Die Orchester- und Kammermusik von Louise Farrenc vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Sonatentheorie. Noetzel, Wilhelmshaven 2004, S. 80–84.