Marie Bashkirtseff wurde auf dem Familiengut Gawronzy (heute Hawrontsi) geboren. Sie entstammte zwei Familien des begüterten russischen Landadels, den Babanins und den Baschkirzews. Ihr Vater, Konstantin Bashkirtseff, war Marschall des Adels. Kurz nach der Geburt von zwei Kindern trennten sich die Eltern und Marie wuchs bei ihrer Mutter auf dem Gut der Großeltern auf. Nach rastlosen Ortswechseln von Wien, Baden-Baden, Genf, Spa, Oostende bis Paris während der Jahre 1870–1872 ließen sich Mutter, Großeltern und Tante in Nizza nieder. Zum gehobenen Lebensstil der Familie gehörte neben französischen und englischen Gouvernanten auch ein sogenannter „Negerknabe“.[2] In früher Jugend begann Marie Bashkirtseff ein Tagebuch zu führen. Drei[2] Reisen führten sie in Begleitung von Verwandten und Dienerinnen auch nach Russland, vier[2] insgesamt nach Italien und eine nach Spanien.[2] In ihrer Heimat besuchte sie die Dörfer Hawrontsi und Tschernjiakiwtsi, den Kotschubej-Palast in Dykanka sowie die Städte Kiew, Charkow und Sumy.[3]
Eine Kehlkopferkrankung[2] vereitelte ihren Plan, Sängerin und Schauspielerin zu werden. Auch scheiterten Heiratspläne mit einem römischen Adligen am Widerstand von dessen Familie. Marie Bashkirtseff bewog ihre Familie zu einem Umzug nach Paris, wo sie ab Oktober 1877[2] an der privaten Schule Académie Julian bei Tony Robert-Fleury Malerei studierte. Die Académie Julian bot damals als einzige Ausbildungsstätte auch Frauen die Möglichkeit zum Studium der Malerei an. Nach zwei Jahren Ausbildung schloss sie sich dem Maler Jules Bastien-Lepage als Schülerin und Freundin an und pflegte ihn zusammen mit dessen Mutter kurz vor seinem Tod. Einige ihrer Arbeiten wurden im Palais de l’Industrie[2] in Paris gezeigt. Sie erhielt erste Aufmerksamkeit von Kunstzeitschriften. Ihre gute finanzielle Situation erlaubte es ihr, sich ein vollständiges Atelier mit zwei[2] Zimmern und die Beschäftigung von Modellen[2] leisten zu können.
Bashkirtseff starb an der Tuberkulose, für deren erfolglose Behandlung sie schmerzvolle und entstellende Zugpflaster[2] verwenden musste und durch die sie ihre Singstimme und dann ihr Gehör einbüßte. In ihren Aufzeichnungen hatte sie sich bitter über den frühen Erfolg ihrer Malerkollegin Louise-Cathérine Breslau[2] geäußert. Ihr letzter Tagebucheintrag stammt vom 20. Oktober 1884.[2] Bashkirtseff wurde unter großer öffentlichen Anteilnahme auf dem Friedhof Passy in Paris (Division 1) in einem großen neobyzantinischenMausoleum, dem höchsten und auffälligsten Bauwerk des Friedhofs, beigesetzt.
Ihr Tagebuch, das sie bis wenige Tage vor ihrem frühen Tod geführt hatte, wurde in einer von der Mutter gekürzten und zensierten Fassung 1887 auf Französisch publiziert. Bis 1891 waren 8000[2] Exemplare verkauft. 1889 lag die englische und 1897 die deutsche Übersetzung vor. Laura Marholm bezeichnete das Tagebuch in ihrem Buch der Frauen (1894) als „Geheimbibel“ der jungen Frauen ihrer Zeit.[4]Fanny Reventlow schrieb 1901 in ihr Tagebuch: „Ich lese Marie Bashkirtseff, das möchte die einzige Frau gewesen sein, mit der ich mich ganz verstanden hätte, vor allem auch in der Angst, etwas vom Leben zu verlieren und vor dem unerhörten Prügelbekommen vom Schicksal.“[5]Theodor Adorno erklärte sie zur „Schutzheiligen des fin de siècle“.[2]
In Dykanka wurde ein Denkmal für Marie Bashkirtseff (von M. Ishchenko) errichtet. Die Kunstgalerie von Dykanka trägt den Namen der Künstlerin, und 1984 wurde ein Zimmer zur Ehre von Bashkirtseff eröffnet.[7]
Journal de Marie Bashkirtseff. Hg. von André Theuriet. 2 Bde., Paris 1887.
dt. Übersetzung von Lothar Schmidt. 2 Bde. Verlag von L. Frankenstein, Breslau/Leipzig/Wien 1897.
Nouveau journal inédit de Marie Bashkirtseff (1876–1884). Suivi des lettres de Guy de Maupassant. Mit einem Vorwort von Renée d’Ulmès. Editions de la Revue (Ancienne Revue des Revues), Paris 1901.
Tagebuchblätter und Briefwechsel mit Guy de Maupassant. Aus dem Frz. übertr. und eingel. von Julia Virginia. Seemann, Berlin/Leipzig 1906.
Tagebuch der Maria Bashkirtseff. Neu hg. und mit einem Nachw. vers. von Gottfried M. Daiber. Ullstein Verlag, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1983, ISBN 3-548-30151-7 (gekürzte Ausgabe der ersten deutschen Übersetzung von Lothar Schmidt von 1897)
dt. als Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Rowohlt, Hamburg 1951.
Hilde Spiel: Drei Frühvollendete (Marie Bashkirtseff, Henri Alain-Fournier, Loris). In: dies.: Welt im Widerschein. Essays. C. H. Beck, München 1960, DNB454781679.
Doris Langley Moore: Marie & the Duke of H. The Daydream Love Affair of Marie Bashkirtseff. J. B. Lippincott Company, Philadelphia/New York 1966; Cassell, London 1966.
Vincent Cronin: Abenteuer des Herzens. Vier Frauen der Romantik. Goverts, Stuttgart 1968, DNB456304029.
Colette Cosnier: Bashkirtseff. Un portrait sans retouches. Horay, Paris 1985, ISBN 2-7058-0161-8.
Heidi Wiese: Die Träume der reichen russischen Aristokraten: Marie Bashkirtseff. In: Rendezvous mit den Toten – Spaziergänge über Pariser Friedhöfe. Neues Literaturkontor, Bielefeld 1993, ISBN 3-920591-19-4.
Colette Cosnier: Marie Bashkirtseff. Ich will alles sein. Ein Leben zwischen Aristokratie und Atelier. Volk und Welt, Berlin 1994, ISBN 3-353-01008-4.
Sabine Voigt: Die Tagebücher der Marie Bashkirtseff von 1877–1884. Edition Ebersbach, Dortmund 1997, ISBN 3-931782-90-5 (zugl. Diss. Marburg 1996).
Margot Brink: „Ich schreibe, also werde ich“. Nichtigkeitserfahrungen und Selbstschöpfung in den Tagebüchern von Marie Bashkirtseff, Marie Lenéru und Catherine Pozzi. Ulrike Helmer Verlag, Königstein 1999, ISBN 3-89741-012-5.
Slaboschpyzkyj Mychajlo: Marija Baschkyrzewa. Jaroslawiw Wal, Kiew 2008.
Annika Nickenig: Zitat, Aneignung und Abwehr von Schwindsuchtsbildern im Tagebuch der Künstlerin Marie Bashkirtseff (1858–1884). in: Susanne Goumegou, Marie Guthmüller und Annika Nickenig: Schwindend schreiben. Briefe und Tagebücher schwindsüchtiger Frauen im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2011, ISBN 978-3-412-20663-5, S. 185–256.
↑ abcdefghijklmnUlrike Moser: Schwindsucht: Eine andere deutsche Gesellschaftsgeschichte. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-95757-556-2, S.55–60 (die Aussage von Theodor Adorno wird zitiert aus Jens Malte Fischer: Jahrhundertdämmerung. Ansichten eines anderen Fin de siècle. Wien 2000, S. 285 f.).
↑Laura Marholm: Das Buch der Frauen. Zeitpsychologische Porträts. 4. Auflage. Albert Langen, Paris, Leipzig, München 1896, S.151 (Volltext in der Google-Buchsuche).