Martin Schrettinger

Martin Schrettinger

Martin Willibald Schrettinger OSB (* 17. Juni 1772 in Neumarkt in der Oberpfalz; † 12. April 1851 in München) war ein deutscher Bibliothekar und katholischer Priester.

Nach ersten Studien in Burghausen und im Lyzeum in Amberg trat Schrettinger 1790 in das Benediktinerkloster Weißenohe (Oberfranken) ein, legte dort 1793 die Profess ab und empfing 1795 die Priesterweihe. Ab 1800 arbeitete er als Klosterbibliothekar. Vielseitig literarisch, musisch und künstlerisch begabt, entwickelte er sich zu einem der führenden Köpfe der Fraktion der Aufklärer in seinem Konvent. Im Jahr 1802 – kurz vor der Aufhebung des Klosters – ging er nach München, wo ihn die Königliche Hofbibliothek beschäftigte. 1806 wurde er dort Kustos und 1823 Unterbibliothekar. 1839 wurde er – unter Beibehaltung seiner Stelle als Bibliothekar – Kanonikus am Münchner Stift St. Kajetan.

Schrettinger gilt zusammen mit Friedrich Adolf Ebert als Begründer der modernen Bibliothekswissenschaft und war auch der erste, der diesen Begriff benutzte. Er engagierte sich für eine Aufstellung der Bibliotheksbestände nach Sachgruppen und Unterabteilungen und forderte eine Bestandserschließung durch einen alphabetischen Verfasserkatalog und einen Standortkatalog.

Der Schrettinger-Katalog ist ein handschriftlicher, nach Schlagwörtern geordneter Realkatalog der Bayerischen Staatsbibliothek auf über 17.000 Folioblättern. Von 1819 bis 1856 haben Martin Schrettinger und Heinrich Föringer ca. 84.000 Titel der damaligen Münchner Hofbibliothek alphabetisch nach Themen geordnet. Diese Art der Sacherschließung sollte helfen, den großen Zustrom an Büchern in die Hofbibliothek aus der Säkularisationszeit besser zugänglich zu machen. Es handelt sich um den ältesten großen Schlagwortkatalog der Welt, der heute in 151 Schachteln aufbewahrt wird. Der Schrettinger-Katalog blieb unvollendet. Dennoch ist er bis heute sowohl ein praktisches Erschließungsinstrument für die wertvollen Altbestände der Bayerischen Staatsbibliothek, wie auch ein Dokument der Bibliotheksgeschichte und ein Spiegelbild der frühen Wissenschaftsgeschichte.[1]

Für den Bau eines neuen Gebäudes der Königlichen Hofbibliothek entwarf Schrettinger einen fünfflügeligen Grundriss, der zwar für das Münchner Gebäude nicht berücksichtigt wurde, aber als Idealgrundriss Gegenstand bibliothekarischer Überlegungen blieb.

  • Michael Becht u. a.: Mönch, Rebell, Bibliothekar. Martin Schrettinger erwacht zu seinem 250. Geburtstag virtuell wieder zum Leben. In: Bibliotheksforum Bayern. Bd. 16 (2022), Heft 3, S. 18–22 (online).
  • Uwe Jochum: Bibliotheken und Bibliothekare 1800–1900. Königshausen und Neumann, Würzburg 1991, ISBN 3-88479-599-6.
  • Annemarie Kaindl: Martin Schrettinger zu Bau und Organisation der königlichen Hof- und Centralbibliothek. In: Bibliotheksforum Bayern, Jg. 14, 2020, Heft 1, S. 25–29 (Digitalisat).
  • Stephan Kellner: Schrettinger, Martin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 545 f. (Digitalisat).
  • Manfred Knedlik: Schrettinger, Martin. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 32, Bautz, Nordhausen 2011, ISBN 978-3-88309-615-5, Sp. 1234–1239.
  • Manfred Knedlik: Wegbereiter eines modernen Bibliotheksmanagements. Martin Schrettinger (1772–1851). In: Bibliotheksmagazin, 2022, Heft 2, S. 9–13 (Digitalisat).
  • Manfred Knedlik (Hrsg.): Martin Willibald Schrettinger (1772–1851). Vom eigenwilligen Mönch zum leidenschaftlichen Bibliothekar. Historischer Verein, Neumarkt i.d. Opf. 2022, ISBN 978-3-9811330-9-7 (Neumarkter Historische Beiträge 17).
  • Alois Schmid: Martin Schrettinger aus Neumarkt in der Oberpfalz. In: Jahresbericht des Historischen Vereins für Neumarkt i.d. Opf. und Umgebung 22, 1999, S. 139–162.

Einzelnachweise

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  1. digitale-sammlungen.de: Schrettinger-Katalog. In: digitale-sammlungen.de. Abgerufen am 14. Mai 2024.