Dieser Artikel behandelt den Schriftsteller und Musiker Max Goldt. Zu anderen Personen siehe Max Gold.
Max Goldt (geboren 1958 in Weende; eigentlich Matthias Ernst, auch Onkel Max) ist ein deutscher Schriftsteller, Kolumnist, Musiker, Comic-Szenarist und Hörspielautor. Goldt schrieb von 1989 bis 2011 Kolumnen für das Satiremagazin Titanic und ist seit 1996 Teil des Comicduos Katz & Goldt, auf das sich seine literarische Tätigkeit seit den 2010er Jahren konzentriert. Außerdem ist er Mitglied der 1981 gegründeten Band Foyer des Arts.
Goldts Eltern waren 1945 aus Schlesien geflohen. Aufgewachsen im traditionellen Arbeitermilieu, erwarb er als erster in seiner Familie die Hochschulreife.[1] Nach dem Abitur am Theodor-Heuss-Gymnasium Göttingen zog er 1977 nach West-Berlin, wo er eine Fotografenausbildung begann. Er brach diese ab und wandte sich der Musik zu. Zwischen 1979 und 1986 arbeitete er als Fremdenführer.[2] Der Text zum Foyer-des-Arts-Song Wissenswertes über Erlangen, der von einer Stadtführung durch Erlangen handelt, wurde als Resultat dieser Tätigkeit gedeutet. Zunächst war Goldt parallel als Musiker und Schriftsteller aktiv, bis er die Musik wegen finanzieller Erfolglosigkeit aufgab und beschloss, seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit der Literatur zu verdienen.[3]
Ab 1980 trat Goldt unter seinem Pseudonym als Musiker auf, zunächst in der Schreibweise Max Gold. Als ihn die GEMA darauf hinwies, dass sich in ihrer Kartei bereits ein Künstler dieses Namens befand, änderte er sein Pseudonym in Max Goldt.[7] 1981 gründete Goldt mit Gerd Pasemann das teilweise der Neuen Deutschen Welle zugeordnete Duo Foyer des Arts, für das er textete und sang.[8] Pasemann hatte Goldt über eine Anzeige in einem Berliner Stadtmagazin kennengelernt und mit ihm zunächst an einem Projekt namens Aroma Plus mit englischsprachigen Texten gearbeitet.[3] Es folgten zahlreiche Schallplattenveröffentlichungen, diesmal auch solo, zum Beispiel 1984 Die majestätische Ruhe des Anorganischen.
Seine Soloprojekte nahm Goldt anfangs mit der von ihm als „Rubbermind“ bezeichneten Technik auf, eine perkussive Spielweise, für die er eine Akustikgitarre und eine Unterlegzither mit Schlagstöcken, Pappen, Blechen und Geschenkpapier präparierte und sie im Knien spielte.[9][10] Die Technik ähnelt der des präparierten Klaviers von John Cage, den Goldt zu dieser Zeit jedoch noch nicht kannte. Für die Demos verwendete Goldt zunächst eine TEAC-Vierspur-Bandmaschine, später eine Fostex-Achtspurmaschine.[3] Die Beschäftigung mit „Rubbermind-Musik“ datiert Goldt zwischen 1977 und 1983.[9] Nach einem Bandscheibenvorfall 1984 konnte er eine Zeitlang nicht knien und wandte sich daher Synthesizern zu. Er verwendete einen Yamaha DX7 und ein Roland-Bandecho.[11]
Goldts musikalische Einflüsse sind breit. Nach eigenen Angaben hörte er mehrere Jahre lang jeden Tag das Werk Les Noces von Igor Strawinsky. Nach anfänglicher Ablehnung wandte er sich später auch dem Jazz zu.[11] Goldt hegt außerdem eine Sympathie für elektronische Musik, die sich z. B. im Stück Die Räude niederschlug.[3] In den Archiven von Pasemann und Goldt befinden sich noch zahlreiche Demos von Foyer des Arts auf Kassetten.[3] Mit Stephan Winkler produzierte er 1998 als Musik-Duo NUUK die LP/CD Nachts in schwarzer Seilbahn nach Waldpotsdam. Goldts musikalische Arbeiten erschienen 2019 auf der 6-CD-Anthologie Draußen die herrliche Sonne – Musik 1980-2000.
Goldt ist vor allem als Schriftsteller und Humorist bekannt. Nachdem er ab 1987 mit Kolumnen in der unabhängigen Berliner Zeitschrift Ich und mein Staubsauger und der von Tex Rubinowitz in Wien herausgegebenen Amerikanischen Krankenhaus Zeitung[12] in kleinem Kreis Aufmerksamkeit erregt hatte, engagierte ihn das Satire-Magazin Titanic. Zwischen 1989 und 1998 veröffentlichte er dort 108 Kolumnen unter den Titeln Aus Onkel Max’ Kulturtagebuch, Diese Kolumne hat vorübergehend keinen Namen, Manfred Meyer berichtet aus Stuttgart und Informationen für Erwachsene. Von 2005 bis 2009 schrieb Goldt eine titellose Kolumne für Titanic, 2011 erschienen unregelmäßig einige weitere.
Goldts Texte erschienen gesammelt und in verschiedenen Überarbeitungen in Büchern. Zahlreiche Texte erschienen außerdem als Hörbücher (zumeist als Doppel-CDs) mit einer Kombination von Studioaufnahmen und Mitschnitten von Publikumslesungen.[13] Als ein Vorbild im Bereich der Autorenlesung gibt Goldt Günter Grass an, den er 1980 erlebt hat. Für seine Lesungen überarbeitet Goldt ältere Texte regelmäßig.[7] Einige Texte sind bisher nur auf Hörbuch erschienen, darunter insbesondere als Dramolette gelesene Comic-Skripts für die Comics von Katz & Goldt, die seit 2015 enthalten sind. Seit den 1980er Jahren schreibt Goldt Dramolette in Form von Dialogen oder fiktiven Radiointerviews, die er mit verteilten Rollen liest (darunter Die Radiotrinkerin, Ein Leben auf der Flucht vor der Koralle oder Mütter mit nach hinten). Goldt schreibt außerdem sprachkritischeEssays, Tagebuchtexte, Gedichte, Hörspiel- und Comicszenarien. Er hat nie einen Roman veröffentlicht.[14]
Zusammen mit Marcus Weimer (Rattelschneck) gestaltete Goldt ab 1991 die Collage-Reihe Die Mulde in der Satirezeitschrift Kowalski.[15] Seit 1996 arbeitet Goldt mit dem Zeichner Stephan Katz im Comicduo Katz & Goldt zusammen. Seit 1998 arbeitet Goldt mit dem Schriftsetzer Martin Z. Schröder zusammen, der ihn 1988 bei einer Lesung in der Ost-BerlinerSamariterkirche gesehen und 1996 per Brief kontaktiert hatte. Häufig sind in Goldts Büchern von ihm gemachte Fotografien sowie Bilder mit ausführlichen Bildunterschriften und fiktiven Bildlegenden enthalten.
Goldt gibt seit den 2010er Jahren an, unter einer Schreibblockade zu leiden. Die Arbeit an Comics sei davon nicht betroffen.[16][17] Seither erscheinen nur selten neue Texte, die zumeist in den Hörbüchern enthalten sind, etwa Frau Wentzien vom Deutschlandfunk (2021).[18] Im Januar 2023 sagte Goldt, angesprochen auf das Thema, er sei „immer noch damit beschäftigt, meine Schwierigkeiten zu überwinden“ (zu finden ab Minute 14 im Gespräch mit dem ORF).[19] Es mache ihm aber Spaß, seine Comics in Kurz-Dramen zu übersetzen.[19]
Goldt tritt nur selten im Fernsehen auf und nimmt nie an der Frankfurter Buchmesse teil. 2017 war er Gesprächsgast in der literarischen TV-Sendung Druckfrisch von Literaturkritiker Denis Scheck. Ein Angebot Harald Juhnkes um 1990, Sketche für ihn zu schreiben, lehnte Goldt ab,[17] wie auch zahlreiche weitere, an Drehbüchern fürs Fernsehen mitzuwirken.[2]
Im September 2000 kritisierte Goldt die Bild-Zeitung in seiner Titanic-Kolumne. Anlass war, dass Ernst August von Hannover eine Bild-Redakteurin wegen der respektlosen Berichterstattung über seine Person am Telefon beschimpft hatte. Ernst August war dabei fotografiert worden, wie er an den türkischen Pavillon auf der Expo 2000 uriniert hatte. Seine Aussagen wurden daraufhin in der Zeitung abgedruckt und fanden ein breites Echo. Goldt verteidigte Ernst August:
„Das, was Ernst August sagte, rief zwar stilistisch laut nach Lehrers Rotstift, es hatte aber eine beachtliche Energie. Vor allem sagte er inhaltlich Richtiges. Er sagte das, was jeder unverbogene Mensch einem Mitarbeiter dieses Blattes sagen sollte. Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem Redakteur dieses Blattes freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muß so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz grade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.“[20]
2007 schrieb Goldt einen Gastbeitrag im Bildblog.[21]
„Menschen, die an einer Universität einem Studium nachgehen, heißen Studenten. Möglicherweise gibt es noch ganz vereinzelte Studiengänge, die als klassische Männerfächer gelten, z. B. an den Bergbau-Universitäten in Freiberg (Sachsen) und Clausthal-Zellerfeld. Wenn man in diesen Ausnahmefällen darauf hinweisen möchte, daß auch Frauen dort studieren, muß man Studenten und Studentinnen sagen. Wie lächerlich der Begriff Studierende ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende. Oder nach einem Massaker an einer Universität: Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden. Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren.“[22]
Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch kritisierte Goldts Position aus linguistischer Sicht: Ein nominalisiertes Partizip I müsse keineswegs jemanden bezeichnen, der die durch das Partizip ausgedrückte Tätigkeit im Moment des Sprechens ausführe.[23][24]
Im Text Frau Wentzien vom Deutschlandfunk, publiziert auf seinem HörbuchGenieß deinen Starrsinn an der Biegung des Flusses von 2021, kritisiert Max Goldt die Beidnennung, die er als „Doppeltsagerei“ bezeichnet, als „neues Funktionärsdeutsch“ und als „sprachbürokratische Maßnahme“.[18]
Im Gespräch mit Peter Fässlacher vom ORF sagte Goldt: „Man sollte aufhören, vom generischen Maskulinum zu sprechen“, das sei „ein irreführender Ausdruck, das ist die neutrale Form, die selbstverständlich alle Menschen einschließt“ (Aussage ist zu finden ab Minute 25).[19]
2008 wurde Goldt auf Empfehlung von Daniel Kehlmann mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet. In der Begründung der Jury hieß es, Goldt habe den deutschen Alltag „bis zur Kenntlichkeit entstellt“.[25] Eine ähnliche Formulierung hatte Goldt in einem früheren Text parodiert.[26]
Daniel Kehlmann würdigte Max Goldt: „Seine Werke sind klug und klar, unaufdringlich moralisch – und vor allem das Witzigste, was die deutsche Literatur zu bieten hat.“ Zudem verglich er Goldt mit Thomas Mann: „Wer seine perfekte Syntax liest, wird nicht durch Zufall oft an Thomas Mann erinnert – und tatsächlich ist das einer der wenigen Autoren, zu deren Einfluss sich Goldt bekennt.“ Bei beiden entstehe „der Witz aus selbstbewusstem Manierismus, aus einer ironischen Überinstrumentierung des sprachlichen Materials; aber bei Goldt wird dieses Material konfrontiert mit etwas ganz anderem: dem Sprachmüll der Medien, allen Registern von Umgangssprache und Slang, der starren Knappheit der Bildergeschichte.“[27]
Katz und Goldt sowie der Berliner Fernsehturm aus der Sicht von jemandem, der zu faul ist, seinen Kaktus beiseite zu schieben. Edition Moderne 2012, ISBN 978-3-03731-094-6.
Schöner für „IHN“ Stärker für „SIE“. Kultuhr Kassette, Berlin 1982.
L’église des crocodiles. ARO 004, 1983.
Die majestätische Ruhe des Anorganischen (Musik und Dramolette). ARO 007, 1984.
Restaurants, Restaurants, Restaurants. Zweiundzwanzig hysterische Miniaturen. Team Records 1986.
Die Radiotrinkerin & Die legendäre letzte Zigarette (zwei Hörspiele (Dialoge mit fiktiven Figuren), zwei Texte und eine Coverversion von Verdammt, ich lieb’ dich). Fünfundvierzig 1990.
Heinrich Detering: Brokat zum Essen: Max Goldt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Oktober 1998.
Gerald Fricke: Schreiben gegen das Ozonloch. Max Goldt – zweiter Versuch. In: Griffel 2 (1995), S. 48–50.
Iannis Goerlandt: Ausländer – wo? Das Bild vom anderen Land im narrativen Verfahren Max Goldts. In: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft 35.1 (2004): S. 75–87.
Daniel Kehlmann: Über den witzigsten Schriftsteller deutscher Sprache. Er ist klug und klar, ein unaufdringlicher Moralist mit frei flottierender Aufmerksamkeit: Lobrede auf Max Goldt. In: Süddeutsche Zeitung, 26. November 2008, Nr. 275, S. 14. Online; außerdem in: Lob: Über Literatur. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2010, ISBN 978-3-498-03548-8.
Michael Maar: „Der Goldtstandard“, in ders.: Tamburinis Buckel. Meister von Heute. Reden und Rezensionen. C. H. Beck, München 2014, S. 114–118.
Ursula März: Tach, ich schau mal hin. Latent anarchisch: Kolumnismus als Stil, Gattung und Denkart. In: Frankfurter Rundschau, 28. Mai 2004, Nr. 123, S. 17.
Nico Rau: Komik in Max Goldts Prosa: eine komiktheoretische Einordnung. VDM Verlag Dr. Müller, 2010, ISBN 978-3-639-28044-9.
Thomas Ringmayr: Hochkomische Höchstleistungen. Neue Prosa-Sammlungen von Eckhard Henscheid und Max Goldt. in: Focus on Literatur 1 (1994), S. 44–51.
Michael Rutschky: Für Fortgeschrittene. Max Goldt als Gewährsmann. In: die tageszeitung, 9. Oktober 1991, Nr. 3529, S. 35 (Literataz).
ders.: Das Interesse am Alltag. Anläßlich von Rolf Schwendters ›Kultur- und Sittengeschichte‹, in: Der Alltag 75 (März 1997), S. 177–190.
Frank Schäfer: Abprotzen. Versuch über Max Goldt. In: Griffel 2 (1995), S. 44–47.
Erhard Schütz: Journailliteraten. Autoren zwischen Journalismus und Belletristik. In: Baustelle Gegenwartsliteratur. Die neunziger Jahre. Hrsg. von A. Erb, Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden 1998, S. 97–106, ISBN 3-531-12894-9.
ders.: Tucholskys Erben oder Wiener Wiederkehr? Versuch einer Terrainerkundung zur Literatur von Leben & Stil: Biller, Droste, Goldt und andere. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik, 1 (1995), S. 101–122.
ders.: Kindercowboy und Unscheinbarkeitsdandy. Maxim Biller, Wiglaf Droste, Max Goldt oder: Die Literatur der Kolumnisten. In: Frankfurter Rundschau, 29. Oktober 1994, Nr. 252, S. ZB 2.
Georg Stanitzek: Essay – BRD, Vorwerk 8, Berlin 2011, S. 150–153.
Walter van Rossum: Max Goldt: Von den Wonnen der Umnachtung in geschlechtsverkehrsfreier Zone. In: Rowohlt Revue. Neue Bücher und Taschenbücher 79 (Frühjahr 2005), S. 24.
↑ abFrank Schäfer: Gott sei Dank. In: Jungle World. Juni 2004, abgerufen am 25. August 2022.
↑ abcdePodcast "Reflektor" von Jan Müller (Memento vom 25. März 2022 im Internet Archive) Interview mit Schriftsteller und Musiker Max Goldt von Moderator Jan Müller auf der Homepage des Podcast-Labels Viertausendhertz GmbH (Berlin), Titel der Folge: Lockeres Getue war mir schon immer ein Gräuel, 21. März 2022
↑„Bei Deloch“, in: Genieß deinen Starrsinn, CD 1, Track 5.
↑Paul Kaiser, Claudia Petzold: Boheme und Diktatur in der DDR: Gruppen, Konflikte, Quartiere 1970-1989. Fannei & Walz, 1997, ISBN 978-3-927574-39-7, S.104 (google.de [abgerufen am 30. Juli 2022]).
↑Max Goldt: Edith Hancke findet den Theaterclub mehr als okay-hey für sich (Dezember 1990), in: Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau. Rowohlt, Reinbek 2005, S. 151ff.
↑Daniel Kehlmann: Der Seitlich-Vorbei-Geher. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Mai 2010, abgerufen am 9. Mai 2023.