Michał Kalecki (* 22. Juni 1899 in Łódź; † 17. April 1970 in Warschau) war ein polnischer Ökonom. Der wirtschaftswissenschaftliche Autodidakt nahm Erkenntnisse von John Maynard Keynes vorweg und wirkte auf das Denken der Cambridge School und des Postkeynesianismus.
Kalecki entstammte einer verarmten jüdischen Familie und hat im Jahre 1917 bis 1923 das Ingenieurstudium am Polytechnikum in Warschau aufgenommen. Nach drei Jahren Militärdienst nahm er das Studium am Danziger Polytechnikum wieder auf. Drei Jahre später wurde sein Vater arbeitslos, und er musste das Studium ohne Diplom abbrechen. Als Wirtschaftsjournalist schrieb er unter anderem über Kartelle und Trusts, Konjunktur in der Textilindustrie sowie britisch-sowjetische Wirtschaftsbeziehungen.
Ab 1929 arbeitete er als Mitarbeiter am Institut für Konjunktur- und Preisforschung in Warschau. Dank eines Rockefeller-Stipendiums konnte er 1936 Stockholm, danach London sowie Cambridge besuchen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er Mitarbeiter des Oxford Institute of Statistics, wo er einen Rationierungsplan erarbeitete.
Nach dem Krieg arbeitete er im Beraterstab der Vereinten Nationen in New York, wo er unter anderem an der Erstellung des Weltwirtschaftsberichts 1947–1954 beteiligt war. Die politischen Vorgänge während der McCarthy-Ära veranlassten ihn, 1955 die USA zu verlassen. Er kehrte in das Polen des Gomułka-Regimes zurück, wo er als Regierungsberater vor einer überspannten Investitionsquote warnte. Die antisemitische Kampagne im Gefolge des Sechstagekrieges, die während der März-Unruhen 1968 kulminierte, bewog ihn zum Rücktritt von seiner Stellung in der staatlichen Planungskommission. Kalecki begründete an der Warschauer Hochschule für Planung und Statistik eine Abteilung für Probleme von Planung und Wirtschaftsentwicklung.
Das wirtschaftstheoretische Denken Kaleckis kann mit den Worten „Prosperität durch Nachfrage“ zusammengefasst werden. Von ihm stammt die Einsicht: „Arbeiter geben aus, was sie bekommen, Kapitalisten bekommen, was sie ausgeben.“[1]
In einem Artikel von 1933 schrieb Kalecki, einer der Irrtümer Rosa Luxemburgs sei es gewesen, nicht begriffen zu haben, dass defizitfinanzierte Staatsausgaben unter dem Gesichtspunkt der effektiven Nachfrage wie „binnenwirtschaftliche Exporte“ zu betrachten seien. Immerhin habe Luxemburg im Zusammenhang mit den vorkapitalistischen Schichten und Ländern den keynesianischen Außenhandelsmultiplikator vorweggenommen.[2]
Der Grundgedanke der keynesianischen Beschäftigungspolitik besteht darin, dass die Selbstregulierung des Marktes häufig versagt, dass der Staat aber dem abhelfen könne. Im Unterschied zu Keynes kam Kalecki aber zu seiner Allgemeinen Theorie, indem er von den Marxschen Reproduktionsschemata ausging, die er in kohärenter Form zu einer Konjunkturtheorie ausbaute.[3]
Laut G. C. Harcourt befriedigt Kaleckis Version gegenüber der Keynesschen wesentlich mehr, weil sie explizit dynamisch sei, indem sie eine Zyklustheorie beinhalte, die in eine Wachstumsanalyse einmünde.[4]
Kalecki hat 1944 als Mitarbeiter des Oxford Institute of Statistics, ein Jahr nach Veröffentlichung seines skeptischen Artikels zum politischen Zyklus, eine Art politisches Testament hinterlassen, unter dem Titel Drei Wege zur Vollbeschäftigung.
Im Hinblick auf eine Politik der Stimulierung privater Investitionen hielt er geldpolitische Maßnahmen, wie etwa den Zinssatz niedrig zu halten, für wenig wirksam. Er empfahl hingegen eine Modifizierung der Einkommensteuer, die Ersatz- und Neuinvestitionen zu 100 % sofort abzuschreiben erlaubt.
Grundsätzlich habe jedoch die private Wirtschaft die Funktion, Werkzeuge für die Erzeugung von Konsumgütern zu erstellen, nicht die Schaffung von Produktionskapazitäten oder von Arbeitsplätzen um ihrer selbst willen, da sie eben der Zielsetzung der Gewinnerzielung verschrieben sei. Unternehmer aber würden ggf. nur dann positiv auf Investitionsanreize reagieren, wenn sie Vertrauen in die politische Situation setzten.
Deficitspending durch Investitionen des Staates in die Infrastruktur könnten genügend Ersparnisse induzieren, um die Finanzierung des Staatsdefizits langfristig zu gewährleisten. Es bestehe jedoch:
Da er aus ökonomischen wie aus soziologischen und politischen Gründen der Feinabstimmung staatlicher Konjunkturpolitik gegenüber äußerst skeptisch gegenüberstand, sah er als dritten Weg den der Einkommensumverteilung durch einen Umbau der Einkommensteuer mit teilweiser Verlagerung auf die Vermögenssteuer (unter Beibehaltung der steuerlichen Förderung von Neuinvestitionen). Damit könne genügend Sparen abgeschöpft werden, um die durch Staat und private Haushalte ausgeübte effektive Nachfrage zu stützen. Damit nahm Kalecki den Grundgedanken des „Balanced-budget“-Multiplikators von Trygve Haavelmo vorweg.[5]
Seinen Beitrag Politische Aspekte der Vollbeschäftigung (1943)[6] eröffnet Kalecki mit folgender Aufstellung:
„Die ‚Führer der Wirtschaft‘ widersetzen sich einer Vollbeschäftigung, die der Staat durch seine Ausgaben erzeugt. Die Gründe hierfür lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Festschrift
Personendaten | |
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NAME | Kalecki, Michał |
KURZBESCHREIBUNG | polnischer Ökonom |
GEBURTSDATUM | 22. Juni 1899 |
GEBURTSORT | Łódź |
STERBEDATUM | 17. April 1970 |
STERBEORT | Warschau |