Miguel de Icaza

Miguel de Icaza auf der MySQL Conference 05

Miguel de Icaza (* 1972 in Mexiko-Stadt) ist Entwickler freier Software und Unternehmer. Er ist Mitgründer von Gnome, Mono und Xamarin.

Miguel de Icaza studierte an der Universidad Nacional Autónoma de México Mathematik, ohne allerdings jemals einen akademischen Abschluss zu erreichen.

Sein erstes erfolgreiches Freie-Software-Projekt war dort 1994 die Entwicklung des noch heute verbreiteten Dateimanagers Midnight Commander,[1] auch war er einer der ersten Beitragenden zum Wine-Projekt.[2]

Bewerbungsgespräche im Sommer 1997 zwischen ihm und Microsoft, um den Internet Explorer nach SPARC zu portieren,[3] scheiterten an seinem fehlenden Hochschulabschluss, den das H-1B-Visum für eine entsprechende Arbeitserlaubnis in den Vereinigten Staaten voraussetzt.

Zusammen mit Federico Mena rief er im August 1997 das Gnome-Projekt zur Entwicklung einer freien grafischen Benutzeroberfläche ins Leben. Bis zu diesem Zeitpunkt existierte keine freie, einheitliche Desktop-Umgebung für Linux (mit Ausnahme von KDE, dessen Lizenzsituation zu diesem Zeitpunkt für viele Mitglieder der Community nicht klar genug war). Als Basis des Gnome-Desktops verwendete und erweiterte Miguel de Icaza die freie Bibliothek GTK, welche ursprünglich für das Bildbearbeitungsprogramm GIMP entwickelt worden war.

1999 gründeten Nat Friedman und er die Firma Helix Code, die sich auf die Entwicklung von GNOME-Anwendungen konzentrierte. Wenig später wurde das Unternehmen in Ximian umbenannt. 2003 wurde das Unternehmen von Novell übernommen.

1999 wurde er mit dem FSF Award ausgezeichnet.[4] 1999 erhielt er außerdem vom MIT Technology Review die Auszeichnung als Innovator of the Year des Jahres 1999.[5] Das Time Magazine benannte Icaza im September 2000 als einen von 100 Innovatoren für das neue Jahrhundert.

2001 begann Icaza das Gnumeric Projekt[6], eine von Microsoft Excel inspirierte freie Tabellenkalkulation.

Die als Mono bekannte freie Implementierung des .Net-Frameworks und die Verbesserung bestehender GNOME-Anwendungen nahmen in den folgenden Jahren neben seiner Öffentlichkeitsarbeit die meiste Zeit in Anspruch.

Trotz seiner Beiträge und Verdienste im Free-Software-Umfeld ist Icaza nicht unumstritten, da er potentiell auch Technologien aus dem Windows- oder proprietären Softwareumfeld offen gegenübersteht. Neben der Initiierung von Nachimplementierungen von Microsoft-Technologien (COM/CORBA → Bonobo[7], Outlook → Evolution, .NET → Mono, Silverlight → Moonlight), verteidigte Icaza auch Microsofts Office Open XML (OOXML) Dokumentenstandard[8][9][10] gegenüber der weitläufigen Kritik der Open-Source- und Freie-Software-Community.

Für seine Offenheit gegenüber Microsoft-Technologien wurde er beispielsweise 2009 von Richard Stallman während des Software Freedom Day in Boston unumwunden als Verräter an der Freien Softwaregemeinschaft kritisiert.[11] Icaza reagierte auf seinem Blog gelassen mit dem Hinweis, dass er einerseits an eine Welt der Möglichkeiten glaube und anderseits für konkrete Vorschläge von Stallman, wie FOSS auf der Welt gestärkt werden kann, jederzeit offen sei.[12]

Anfang 2010 erhielt Icaza den Microsoft MVP Award im Bereich C#.[13] Im März 2010 wurde er über eine Most Powerful Voices in Open Source-Metrik als fünft einflussreichstes Mitglied der Open Source Community ermittelt.[14]

Im April 2011 wurde Novell von Attachmate übernommen[15] und im Zuge dessen sämtliche Projekte mit Mono-Bezug eingestellt. De Icaza gründete daraufhin im Mai Xamarin[16], wo Mono und damit verwandte Projekte nun weitergeführt werden.[17]

2012 kritisierte Icaza den Linux-Desktop scharf als „gestorben“; als Gründe hierfür nannte er die Entwickler-fokussierte Kultur, die Fragmentierung der Distributionen untereinander und die fehlende Rückwärtskompatibilität.[18][19][20] Linus Torvalds und andere Linux-Größen reagierten mit dem Hinweis, dass Icaza mit der Gründung des Gnome-Projekts selbst zur weiteren Fragmentierung des Linux-Ökosystems beigetragen habe, welches außerdem auch nicht für (API-)Stabilität bekannt sei – im Gegensatz zum Linux-Kernel, dessen erste Priorität immer das Erhalten der Userland-Binärkompatiblität gewesen sei.[21]

Miguel de Icaza entstammt einer Familie von Wissenschaftlern; sein Vater war Physiker, seine Mutter Biologin.[22]

Er ist seit 2003 mit der Brasilianerin Maria Laura Soares da Silva (nun Maria Laura de Icaza) verheiratet.[23]

De Icaza hatte Cameo-Auftritte in den Filmen Antitrust und Codename: Linux.

Commons: Miguel de Icaza – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Nikolai Bezroukov: MC line -- power of DOS to UNIX. www.softpanorama.org, 16. Dezember 2011, abgerufen am 2. September 2012 (englisch).
  2. Wine History. wiki.winehq.org, abgerufen am 24. November 2012 (englisch): „Several of the early developers included some of the first Linux kernel hackers including Eric Youngdale and David Metcalfe. Other recognizable names included Alexandre Julliard who now leads Wine and Miguel de Icaza of GNOME fame. Bob Amstadt headed the development.
  3. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 24. Februar 2001 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/primates.ximian.com
  4. 1999 Free Software Awards
  5. 1999 Young Innovators Under 35. technologyreview.com, 1999, abgerufen am 2. September 2012 (englisch): „1999 Innovator of the Year: Miguel De Icaza“
  6. The Gnumeric spreadsheet. In: Gnumeric. Abgerufen am 6. September 2010 (englisch): „Gnumeric has been coded mainly by Miguel de Icaza, with help from other intrepid hackers that have contributed code, bug fixes and documentation.
  7. Miguel De Icaza: Software I have worked on. ximian.com, 21. April 2009, archiviert vom Original am 18. Februar 2012; abgerufen am 4. September 2012 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/primates.ximian.com
  8. OOXML. Slashdot, abgerufen am 19. August 2008.
  9. The EU Prosecutors are wrong. Abgerufen am 13. Oktober 2013.
  10. OOXML: The Wins. Abgerufen am 13. Oktober 2013.
  11. Roy Schestowitz: Miguel de Icaza “is Basically a Traitor to the Free Software Community,” Says Richard Stallman. techrights.org, 21. September 2009, abgerufen am 2. September 2012 (englisch).
  12. Miguel de Icaza: On Richard Stallman. tirania.org, archiviert vom Original am 21. Februar 2013; abgerufen am 13. Oktober 2013 (englisch): „I want to say that God loves all creatures. From the formidable elephant to the tiniest ant. And that includes Richard Stallman. As for me, I think that there is a world of possibility, and if Richard wants to discuss how we can improve the pool of open source/free software in the world he has my email address. Love, Miguel.
  13. Miguel de Icaza's web log. 11. Januar 2010, abgerufen am 30. August 2012 (englisch).
  14. markw: The Most Powerful Voices in Open Source. mindtouch.com, 17. März 2010, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 21. März 2010 (englisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.mindtouch.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  15. Novell-Übernahme abgeschlossen. heise.de, 28. April 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  16. Announcing Xamarin. Miguel de Icaza, 16. Mai 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  17. Novell/Xamarin Partnership around Mono. Miguel de Icaza, 18. Juli 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  18. Sebastian Grüner: Miguel de Icaza - Warum Mac OS X dem Linux-Desktop überlegen ist. golem.de, 30. August 2012, abgerufen am 30. August 2012: „Zu verschiedene Distributionen und fehlende Abwärtskompatibilität haben den Durchbruch von Linux auf dem Desktop verhindert, da dies externe Entwickler ferngehalten habe, meint Gnome-Projekt-Gründer Miguel de Icaza. Bei Mac OS X sei dies anders gewesen.
  19. Miguel de Icaza: What Killed the Linux Desktop. tirania.org, 29. August 2012, abgerufen am 30. August 2012 (englisch): „In my opinion, the problem with Linux on the Desktop is rooted in the developer culture that was created around it.
  20. Annika Kehrer: Miguels Rant: "Was wir falsch gemacht haben". Linux-Magazin, 3. September 2012, abgerufen am 5. September 2012: „Miguel de Icaza analysiert, warum Linux seiner Meinung nach auf Consumer-Desktops das Rennen verloren habe. Die sachliche Auseinandersetzung damit fällt der Community schwer.
  21. Dr. Oliver Diedrich: Die Woche: Desktops und Birnen. heise.de, 7. September 2012, abgerufen am 8. September 2012.
  22. Aleksey Dolya: Interview with Miguel De Icaza. Linux Journal, 25. April 2003, abgerufen am 19. August 2008 (englisch): „Talking with the GNOME creator about its origins and purpose.
  23. Jurandréia Santos: Entrevista Maria Laura De Icaza. 10. September 2005, abgerufen am 6. September 2010.