Born wuchs am Niederrhein in Praest[1] nahe Emmerich und in Essen auf, wo er zunächst eine Lehre als Chemigraf machte. Nach ersten Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften wurde er mit Unterstützung Ernst Meisters 1964/1965 ins Literarische Colloquium geladen, wo er unter anderem an dem Gemeinschaftsroman Das Gästehaus mitschrieb und für Zeitungen Literatur rezensierte. Im sogenannten Lehrgang Prosaschreiben von Walter Höllerer und Hans Werner Richter wollten sich junge, bisher unbekannte Autoren wie etwa Hans Christoph Buch, Hermann Peter Piwitt und Peter Bichsel vor allem von der chiffrierten, metaphernreichen Sprache der 1950er Jahre abwenden.
Born veröffentlichte 1965 mit Der Zweite Tag seinen ersten Roman bei Kiepenheuer & Witsch. 1967 erschien der erste Gedichtband Marktlage. Er nahm am International Writing Program (IWP) der University of Iowa teil und kehrte nach dem Erscheinen seines zweiten Gedichtbandes Wo mir der Kopf steht mit neuen Einflüssen der Pop- und Beatlyrik aus Amerika zurück. 1972 erschien bei Rowohlt sein bekanntester Gedichtband Das Auge des Entdeckers, in dem er dem „Wahnsystem Realität“ utopische Glücksmomente gegenüberstellt.
Nach seinem Rückzug in das niedersächsische Wendland, wo er sich gegen ein geplantes atomares Endlager und eine Wiederaufarbeitungsanlage engagierte, schrieb Born den Roman Die erdabgewandte Seite der Geschichte, der von der Kritik weitgehend als „Ereignis“ begrüßt wurde. 1979 wurde bei Born Lungenkrebs diagnostiziert, dem er am 7. Dezember 1979 erlag.[2]
Borns bekanntester Roman Die Fälschung, der kurz vor seinem Tod erschien, wurde 1981 von Volker Schlöndorff verfilmt. 25 Jahre nach Borns frühem Tod gab seine Tochter Katharina Born im Herbst 2004 die Gedichte aus dem Nachlass im Wallstein Verlag neu heraus, die in der von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur herausgegebenen Mainzer Reihe, N.F. erschienen. Der Band gelangte umgehend auf Platz 1 der SWR-Bestenliste. Im Folgejahr wurde der Band als interessanteste Neuerscheinung im Bereich der Lyrik mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet.
Borns Romane und Lyrik wurden der Kölner Schule, der Naturlyrik und der Neuen Innerlichkeit zugeordnet. Durch den ganz eigenen Ton und die starke Entwicklung entzieht sich das Werk aber letztlich jeder Einordnung.
Axel Kahrs legte 1999 zusammen mit Christiane Beyer das Gedenkbuch Der Landvermesser vor, mit dem an den zwanzigsten Todestag des Autors erinnert wurde. Die von Kahrs maßgeblich geleitete „Nicolas-Born-Stiftung“ fördert im wendländischen Schreyahn Literatur und Literaturwissenschaft. Zum Gedächtnis an Nicolas Born wurden zwei Nicolas Born-Preise gestiftet. Sein Grab befindet sich in Damnatz (Landkreis Lüchow-Dannenberg). Auf ihm steht eine Skulptur des Bildhauers Klaus Müller-Klug. Der Nachlass ist im Archiv der Akademie der Künste, Berlin, zugänglich. In Dannenberg (Elbe) gibt es eine Nicolas-Born-Schule (Oberschule, Sekundarschule) und eine Nicolas-Born-Bibliothek, die einen weiteren Standort in Hitzacker (Elbe) hat.
„Ich gebe zu, daß ich schöne Gedichte schreiben wollte, und einige sind zu meiner größten Überraschung schön geworden.“
– Das Auge des Entdeckers
„Literatur hat die Realität mit Hilfe von Gegenbildern, von Utopien erst einmal als die gräßliche Bescherung sichtbar zu machen, die sie tatsächlich ist“
– Das Auge des Entdeckers
„Also, ich schreibe das auch, könnte es aber nie so schreiben, wie es war und ist, sondern muß gewalttätige Änderungen, Umstellungen vornehmen und es mit Erfindungen durchsetzen, so daß ich glauben kann, das Geschriebene habe nicht mehr mit dem Erfahrenen zu tun. Ich habe nicht etwa zu Dir gesagt, es ginge mir schlecht; es geht mir gar nicht schlecht. Heimlich genieße ich auch diese Erfahrung, weil sie mich auf eine diffuse, betäubende Art verändert, die nicht so unangenehm ist.“
– Aus einem Brief an Peter Handke, Langendorf 4. April 1975
„Ich werde immer nervöser, weil mir kein Neuanfang so recht gelingen will. Vielleicht fehlt auch nur die Kraft, tief genug hinunter zu gehen und an den eigenen Fundamenten zu rütteln. Ansonsten versuche ich immer weiter, mich aller Grundeinverständnisse zu entledigen. Ich habe wirklich das deutliche Gefühl, daß, bevor etwas neu losgehen kann, erst mal kein Stein mehr auf dem anderen stehen darf, weil das alles eine derartige Ruhe und Selbst-Verständlichkeit hat bis tief in die Sprache hinein, daß ich sofort ein Gefühl der Vergeblichkeit habe, derart, daß mir davon schlecht werden kann.“
– Aus einem Brief an Jürgen Theobaldy, Dannenberg, 6. Februar 1977
„Wir müssen nicht nur ärmer werden, wir müssen ärmer werden wollen. Die Not muß auch umverteilt werden, damit jeder weiß, was Notwendigkeit ist, denn jeglicher Sinn, den wir in unserem Leben kennen, kommt aus der Erfahrung der Not…“
– Rede anlässlich der Verleihung des Bremer Literaturpreises
Emergency Exit, False Imagining with Janitor Shit Money Red Wine Etc., Having Arrived Here. Übers. Eric Torgersen, mpT [Modern Poetry in Translation, new series] 1, 2014.
In the Train, Athens-Patras, Horror, Tuesday. Übers. Eric Torgersen. In: Michigan Quarterly Review, Fall 2011.
Good Morning, The Man Who Was Buried Alive, A Song That Everyone Knows, A Single Body. Übers. Eric Torgersen. Zoland Poetry, Spring 2011.
For Pasolini. Übers. Eric Torgersen. In: Slope #47, 2011[3]
A Few Notes from the Elbholz. Übers. Eric Torgersen. Field, Fall 2010.
Child. Übers. Eric Torgersen. In: Atlanta Review, Spring-Summer 2009.
On the Inside of Poems, Landscape with Big Car, Parting for Life and Parting for Death, Before Falling Asleep. Übers. Eric Torgersen. In: Exquisite Corpse, #15, 2008. / The Exquisite Corpse Annual, 2009.
That’s Where He Learned What War Is He Says. Übers. Eric Torgersen, Field, Fall 2008.
Alo Allkemper: Warum sollte ich mich nicht in Widersprüche verwickeln? Nicolas Borns Problem mit der Utopie, In: Zeitschrift für Deutsche Philologie Bd. 103 (1984), S. 576–603.
Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Text und Kritik Sonderband: Nicolas Born, April 2006.
Jan-Pieter Barbian, Erhard Schütz (Hrsg.): Die "Utopie des Alltäglichen". Nachdenken über Nicolas Born. Wehrhahn Verlag, Hannover 2019, ISBN 978-3-86525-736-9 (Inhalt).
Christiane Beyer und Axel Kahrs (Hrsg.): Der Landvermesser. Gedenkbuch für Nicolas Born. Zu Klampen Verlag, Lüneburg 1999, ISBN 3-93315645-9.
Katharina Born: Flucht aufs Land. Nicolas Borns Jahr in Nürtingen. Marbacher Reihe Spuren (Hrsg.: Thomas Scheufelen).
Katharina Born: Schlechte Gesellschaft. Eine Familiengeschichte. Hanser, München 2011, ISBN 978-3-446-23628-8.
Jörg Eggerts: Langsam kehrten die Farben zurück. Zur Subjektivität im Romanwerk, im lyrischen und literaturtheoretischen Werk Nicolas Borns. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-631-38262-6.
Matthias Gawlick: Lebensstationen, Schreibanlässe: Zu Nicolas Born. In: Literaturlandschaft Ruhrgebiet. Eine Ausstellung. Hrsg. von der Ruhr-Universität Bochum, Germanistisches Institut. Bochum 1993, S. 61–72.
Harald Hartung: Lyrik zwischen Paul Celan und Nicolas Born. Skizze einer Poetik des Gedichts in den 70er Jahren. In: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht, Sonderheft „Arbeitsbuch Lyrik“ (1981), S. 4–7.
Wolfgang Herles: Die (doppelte) Fälschung. Anmerkungen zum Verhältnis zwischen Literatur und Journalismus am Beispiel des Romans von Nicolas Born. In: Erich Huber-Thoma, Ghemela Adler, Fritz Fenzl (Hrsg.): Romantik und Moderne. Neue Beiträge aus Forschung und Lehre. Festschrift für Helmut Motekat. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1986, S. 213–223
Axel Kahrs: Wendland literarisch. Von Herzog August bis Nicolas Born. Ein Streifzug durch die Literaturgeschichte des Landkreises Lüchow-Dannenberg. Verlag davids drucke, Göttingen 1985.
Jörg-Werner Kremp: Inmitten gehen wir nebenher. Nicolas Born: Biographie, Bibliographie, Interpretationen. Verlag für Wissenschaft und Forschung, Stuttgart 1994.
Jürgen Lieskounig: Der Kampf um die bedrohte Körperlichkeit. Zur Körperwahrnehmung in Werken von Peter Schneider, Verena Stefan und Nicolas Born. In: Diskussion Deutsch, 19. Jg. (1988). H. 101, S. 279–291.
Ton Naaijkens: Lyrik und Subjekt. Pluralisierung des lyrischen Subjekts bei Nicolas Born, Rolf Dieter Brinkmann, Paul Celan, Ernst Meister und Peter Rühmkorf. Verlag Elinkwijk. Utrecht 1986.
Ton Naaijkens: Nicolas Born. Als wäre er alle auf einmal. In: Peter K. Kirchhof (Hrsg.): Literarische Porträts. 163 Autoren aus Nordrhein-Westfalen. Patmos Verlag, Düsseldorf 1991, S. 88–91.
Dieter Saalmann: Affinitäten und Diskrepanzen zwischen Rainer Maria Rilke und Nicolas Born. Die „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ und „Die erdabgewandte Seite der Geschichte“. Prolegomena zu Rilkes Nachwirkung. In: Orbis Litterarum, Vol. 40 (1985), S. 125–144.
Anja Saupe: „Die erdabgewandte Seite der Geschichte“. Die Prosa Nicolas Borns. Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 1996, ISBN 3-8260-1044-2.
Klaus R. Scherpe, Hans-Ulrich Treichel: Vom Überdruß leben: Sensibilität und Intellektualität als Ereignis bei Handke, Born und Strauß, In: Monatshefte für deutschen Unterricht, Deutsche Sprache und Literatur, Vol. 73. No. 2 (1981), S. 187–206.
Volker Schlöndorff, Nicolas Born, Bernd Lepel: Die Fälschung als Film und der Krieg im Libanon. Zweitausendeins, Frankfurt a. M. 1981. (Kommentar von Schlöndorff: „Das Buch zum Film ist als Ergänzung des Filmes gedacht, nicht als Nacherzählung. Es enthält Materialien, die wir zur Erarbeitung des Hintergrundes zusammengetragen haben.“)
Irmela Schneider: Zerrissenheit als Geschichtserfahrung. Überlegungen zu Georg Büchners „Lenz“, einer Erzählung von Peter Schneider und einem Roman von Nicolas Born. In: Text und Kontext, H. 1. Jg. 12 (1984), S. 43–63.
Jürgen Theobaldy: "Das durchlöcherte Ich. Zur Lyrik von Nicolas Born." In: Jürgen Theobaldy: "Mehrstimmiges Grün. Gedichte und Prosa." Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1994, Text und Porträt 14, Herausgeber: Literarisches Colloquium Berlin, Berliner Künstlerprogramm des DAAD
Axel Kahrs (Hrsg.): „unter Freunden“ – Nicolas Born – Leben, Werk und Wirkung. Wallstein Verlag, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-3118-1.