Roger Scruton galt als einflussreicher konservativer Intellektueller in der Tradition Edmund Burkes; aufgrund seiner Ablehnung interventionistischer Außenpolitik und gewisser Vorbehalte gegen den freien Markt wurde er gelegentlich als Paläokonservativer bezeichnet.[2][3] Doch anders als amerikanische Paläokonservative hieß er Isolationismus, etwa gegenüber den demokratisierten Staaten Osteuropas, keineswegs gut. In den 1970er und 1980er Jahren reiste er viel in den Ostblock, besonders in die Tschechoslowakei und nach Polen, und hielt dort Vorlesungen vor Dissidenten. Die von ihm herausgegebene Zeitschrift The Salisbury Review wurde in Tschechien von Bürgerrechtlern wie Václav Havel gelesen. Havel schrieb später auch für die Zeitschrift. Nach Scrutons Tod würdigte Polens Präsident Andrzej Duda Scruton als „großen Freund des polnischen Volkes“.[4]
Laut Scruton habe „wahrer Konservatismus“ nichts mit Ideologie oder Weltverbesserungskonzepten zu tun, sondern sei vielmehr eine Frage der Mentalität – und zwar der „Liebe zu vergehenden Dingen“, was im Übrigen auch der Quintessenz von Liebe entspreche: «Love is the relation between dying things.»[5] Selbst wenn man damit welthistorisch zwangsläufig auf der Verliererseite stehe, tue man es doch mit humaner Würde.[6]
Im April 2019 wurde er von der britischen Regierung aus seiner Funktion als Berater für Fragen der Baukultur entlassen, nachdem er in einem Interview mit der Wochenzeitung New Statesman Äußerungen tätigte, die in einigen Ausschnitten von einem Journalisten vorab per Twitter kommuniziert und als antisemitisch und islamfeindlich kritisiert worden waren.[7] Unter anderem hatte er gesagt: “Islamophobia has been invented by the Muslim Brotherhood in order to stop discussion of a major issue”. (Die Islamophobie wurde von der Muslimbruderschaft erfunden, um die Diskussion über ein wichtiges Thema zu verhindern.) Im Juli 2019 wurde er wieder in seine Beraterfunktion berufen, nachdem sich der New Statesman öffentlich bei Scruton dafür entschuldigt hatte, dass seine Aussagen verzerrt wiedergegeben und falsch dargestellt worden waren.[8] Auch die britische Regierung äußerte offiziell ihr Bedauern über die vorangegangene Entlassung.[9][10] Die London-Korrespondentin der FAZ, Gina Thomas, verwies auf Scrutons Unterstützung von „Dissidenten im totalitären Ostblock“ in den 1980er Jahren und kommentierte, dass jetzt er selbst „in der freien Welt zum Opfer von Denkpolizisten, die den zivilisierten Diskurs unterbinden, weil sie abweichende Meinungen nicht tolerieren können“, werde.[11]
Anlässlich seines Todes würdigte ihn der Historiker Timothy Garton Ash als „einen Mann mit außerordentlichem Intellekt, Wissen und Humor“, der ein großer Unterstützer osteuropäischer Dissidenten gewesen sei und genau die Art „provokanter konservativer Denker“, für den eine wirklich offene Gesellschaft dankbar sein müsse. Der EU-Abgeordnete und Publizist Daniel Hannan bezeichnete Scruton als „größten Konservativen unserer Zeit“.[12] Die Times schrieb in einem zweiseitigen Nachruf, Scruton war „einer der bekennendsten und provokantesten konservativen Denker seiner Generation und, aus diesem Grunde, einer der am wenigsten einflussreichen innerhalb der Konservativen Partei“.[13]
Dorschel, Andreas. Ein Versprechen von Glück. Neuere philosophische Studien über das Schöne. Philosophische Rundschau LVIII, 3, 2011, S. 226–247 [= Besprechung von Beauty (2009)]
Special Issue: Roger Scruton’s Aesthetics. British Journal of Aesthetics 49 (2009), Heft 4 (mit Beiträgen von Kathleen Stock, Dawn Phillips u. a.)
↑Uwe Justus Wenzel: Roger Scruton predigt die Liebe zu Heim, Herd und Heimat | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 5. September 2012, ISSN0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 25. August 2018]).
↑Roger Scruton: Conservatism: An Invitation to the Great Tradition (2018); Von der Idee, konservativ zu sein – Eine Anleitung für Gegenwart und Zukunft (2019)
↑Alexander von Schönburg vergleicht − unter Bezug auf Scruton − das zähe, aber letztlich vergebliche Festhalten indigener Amerikaner an ihrer Lebensform und ihren Ritualen mit dem Selbstverständnis des entmachteten Adels: Mein Leben als Indianer: Wie wir Adeligen heute ticken[1], NZZ 11. Februar 2022
↑Matthew Weaver, Peter Walker: Government sacks Roger Scruton after remarks about Soros and Islamophobia. In: The Guardian. 10. April 2019, ISSN0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 17. September 2019]).