Als Kind musste Neudeck Ende Januar 1945 mit seiner Mutter, seinen drei Brüdern und seiner Schwester aus Danzig-Langfuhr fliehen. Die Flucht sollte mit der Wilhelm Gustloff erfolgen, die die Familie aber am Hafen verfehlte – was ihr das Leben rettete, da das Schiff torpediert wurde und unterging.[3] Seine Kindheit verlebte Neudeck in der westfälischen Stadt Hagen. Im Jahr 1958 legte er am dortigen Fichte-Gymnasium, an dem auch sein Vater Edmund als Mathematik- und Physiklehrer tätig war, sein Abitur ab.[4]
In den Jahren 1969 bis 1971 war er als studentischer Redakteur beim Semesterspiegel tätig. Im Jahr 1971 begann Neudeck als hauptberuflicher Journalist bei der katholischen Funk-Korrespondenz in Köln, 1976 wechselte er dann in den freien Journalismus. 1977 wurde er Redakteur beim Deutschlandfunk, Abteilung Politisches Feature.[5]
Anlässlich der großen Not vietnamesischer Flüchtlinge im Südchinesischen Meer gründete er zusammen mit seiner Frau Christel Neudeck sowie mit Unterstützung des SchriftstellersHeinrich Böll im Jahr 1979 das Komitee Ein Schiff für Vietnam. 1982 wurde daraus die HilfsorganisationCap Anamur/Deutsche Not-Ärzte e. V. Namensgeber war der FrachterCap Anamur, mit dem die Besatzung um Rupert Neudeck insgesamt 10.375 vietnamesische Flüchtlinge, die sogenannten Boatpeople, aufnahm und nach Deutschland brachte. Es folgten zahlreiche weitere Hilfseinsätze mit der Cap Anamur.
„Ich möchte nie mehr feige sein. Cap Anamur ist das schönste Ergebnis des deutschen Verlangens, niemals wieder feige, sondern immer mutig zu sein.“
– Rupert Neudeck: Anlässlich des 30. Jubiläums der Organisation zur Motivation seines Handelns
Bis 1998 gehörte er dem Vorstand des Komitees Cap Anamur an, danach wurde er Sprecher der Hilfsorganisation. Im April 2003 wurde er (gemeinsam mit Aiman Mazyek) zum Mitbegründer und Vorsitzenden des internationalen Friedenskorps Grünhelme e. V.[5] Neudeck verstand es als Auftrag, sich in islamischen Ländern zu engagieren, den Islam bekannt zu machen und Ängste vor dem Islam abzubauen. Für ihn bedeutete „islamistisch“ oder „radikalislamisch“ eigentlich etwas Positives: auch die Menschlichkeit, die mit dem Glauben einhergehen muss, ernst zu nehmen. Deshalb die Farbe Grün als „Farbe des Islam“, analog zu den Blauhelmen der Vereinten Nationen.[6]
Ab 2002 reiste Neudeck mehrmals nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete, um sich, wie er mitteilte, über die israelischen Sperranlagen und die Lage der Palästinenser vor Ort kundig zu machen. Mit der daraus erwachsenen Veröffentlichung Ich will nicht mehr schweigen. Recht und Gerechtigkeit in Palästina wollte er nach eigenem Bekunden gegen die von ihm angeklagten israelischen Menschenrechtsverletzungen, eine neue „Apartheid“ und das „Monstrum Mauer“ protestieren und lehnte mit Warnungen vor einer „Freundschaftsfalle Israel“ auch die bisherige militärische Unterstützung Israels durch die Bundesrepublik Deutschland ab. Dies stieß auf teils deutliche Kritik.[7]
Rupert Neudeck, 2007
Im Juni 2010 kritisierte Neudeck das Vorgehen Israels bezüglich des Erteilens von Baugenehmigungen und Hauszerstörungen im Westjordanland. Anlass war der Abrissbescheid eines von der Organisation Grünhelme gebauten und in Deutschland bekannt gewordenen Berufsausbildungszentrums zwischen Bethlehem und Hebron. Laut Neudeck ist es für Palästinenser in diesem Gebiet (Zone C, die zirka 60 Prozent des Westjordanlandes umfasst) in der Regel nicht möglich, eine Baugenehmigung zu erhalten, während sich die jüdischen Siedlungen rund um das betreffende Gelände weiter ausbreiteten.[8]
Fluchtboot, das Ende April 1984 von der Cap Anamur im Südchinesischen Meer aufgefunden wurde. Es war mit 52 Menschen besetzt. Heute steht es als Denkmal in Troisdorf.
Ab 1970 war er mit Christel Neudeck verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Töchter und einen Sohn und lebte in Troisdorf in Nordrhein-Westfalen.[14] Dort steht an einer Straßenecke in Troisdorf-Mitte ein Original-Holzboot, aus dem er 1982 vietnamesische Flüchtlinge rettete.[15]
Denkmal in Hamburg in Form eines Gedenkbuchs aus Bronze, gestiftet im Jahr 2009 durch frühere vietnamesische Boatpeople, für die Rettung durch die Cap Anamur und in Gedenken an diejenigen, die bei der Flucht starben. Zustand 2020 nach Erhöhung der Hochwasser-Elbpromenade
Die politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus (= Studien zur französischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, Band 4). Bouvier, Bonn 1975, ISBN 3-416-01008-6 (Dissertation Universität Münster (Westfalen), Philosophische Fakultät, 1973, 455 Seiten).
Den Dschungel ins Wohnzimmer: Auslandsberichterstattung im bundesdeutschen Fernsehen (= Medium Dokumentation, Band 7). Verlag der Evangelische Publizistik, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-921766-00-7.
Das Jahrhundert der Flüchtlinge. Ein Schiff für Vietnam. Ärzte für Kambodscha. Not-Ärzte für Afghanistan. Not-Ärzte für Somalia. Deutsches Komitee Not-Ärzte, Troisdorf 1980, ISBN 3-9800438-0-0.
Wie helfen wir Asien oder ein Schiff für Vietnam. Rowohlt, Reinbek 1980, ISBN 978-3-499-14633-6.
Karlheinz Böhm: Nagaya. Ein neues Dorf in Äthiopien. Gespräche mit Rupert Neudeck. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1983, ISBN 3-498-00483-2.
Die letzte Fahrt der Cap Anamur I. Rettungsaktionen 1979 bis 1982. Herder, Freiburg im Breisgau 1983, ISBN 3-451-08058-3.
Afrika, Kontinent ohne Hoffnung? Unsere Hilfe hilft! Lübbe, Bergisch Gladbach 1985, ISBN 3-404-60132-7.
Sorgenkind Entwicklungshilfe. Lübbe, Bergisch Gladbach 1987, ISBN 3-404-60183-1.
Humanitäre Radikalität. Komitee Cap Anamur/Dt. Not-Ärzte e. V. Komitee Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte, Troisdorf 1988, ISBN 3-9800438-1-9.
Afghanistan. Politische Expeditionen. Mit einem Überblick zur Geschichte Afghanistans. Hammer, Wuppertal 1988, ISBN 3-87294-363-4.
Verjagt und vernichtet. Kurden kämpfen um ihr Leben. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1992, ISBN 3-499-20653-6.
Das Versagen des Humanismus. Unkonventionelle Hilfsmaßnahmen für die Dritte Welt. Beltz, Weinheim 1992, ISBN 3-407-30562-1.
Andreas Margara: Geteiltes Land, geteiltes Leid. Geschichte der deutsch-vietnamesischen Beziehungen von 1945 bis zur Gegenwart, Berlin 2022, ISBN 978-3-947729-62-3, S. 249ff.
Christina Bacher: Ein Schiff für den Frieden. Das mutige Leben des Rupert Neudeck, mit Illustrationen von Lukas Ruegenberg, Kempen 2022, ISBN 978-3-947984-17-6 [Kinderbuch zur Biographie von Rupert Neudeck].
↑Veit Medick: Antisemitismus in der RAF. Radikal antijüdisch. „Dreißig Jahre Deutscher Herbst und die RAF: Diese Terroristen fühlten sich auch als Opfer – des deutschen ‚Judenknax‘. Viele Linke haben sich diesen Blick zu eigen gemacht“. In: TAZ vom 5. Oktober 2007
↑Dieter Krantz: Denkmal für „Cap Anamour“-Gründer: Wolfgang Schäuble erinnert an Rupert Neudeck. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 14. Mai 2018, S.29 (ksta.de [abgerufen am 14. Mai 2018]).