Salinibacter ruber ist eine Spezies (Art) von Bakterien mit extremhalophilen Eigenschaften, die 2002 von Josefa Antón et al. in Salzgärten (Salzkristallisationsteichen) in der Provinz Alicante und auch auf der Insel Mallorca (beides Spanien) entdeckt wurde.[1][2]
Es handelt sich um eine Art, die bei Salzkonzentrationen unter 15 % nicht ausreichend wachsen kann und ihr optimales Wachstum bei 20 bis 30 % erreicht.
Bis zu ihrer Entdeckung hatte man angenommen, dass die meisten Mikroorganismen, die bei hohem Salzgehalt vorkommen, zur Domäne der Archaeen gehören und Bakterien allgemein keine wichtige Rolle in den mikrobiellen Gemeinschaften hypersaliner Solen bei oder nahe der Natriumchlorid-Sättigung spielen.
Das änderte sich, als man feststellte, dass Salinibacter ruber 5 bis 25 % der gesamten prokaryotischen Gemeinschaft in spanischen Solebecken ausmacht.[1]
Zur Zeit seiner Entdeckung waren die nächsten bekannten Verwandten von Salinibacter ruber die thermophilen und nur leicht halophilen Bakterien der Gattung Rhodothermus.
Aufgrund der strukturellen Zusammensetzung der seiner Proteine ist Salinibacter ruber trotz dieser genetischen Nähe zur Gattung Rhodothermus eher mit den stark halophilen Archaeen der Familie Halobacteriaceae (Euryarchaeota) vergleichbar.[1][2]Salinibacter ruber ist sehr interessant aufgrund der extremophilen Eigenschaften, die es mit diesen Archaeen gemeinsam hat.
Es ist ein rotes, gramnegatives, aerobes und geißeltragendes Bakterium, daher beweglich (motil).
Aufgrund eines Pigmentes sind die Zellen rot gefärbt.[1]
Der Referenzstamm von Salinibacter ruber ist M31T (= DSM 13855T = CECT 5946T).[3]
Salinibacter ruber wurde 2002 von Josefa Antón et al. in Salzkristallisationsteichen (Salzgärten) in der Provinz Alicante und auf der Insel Mallorca (beides Spanien), gefunden.
Diese Umgebung weist sehr hohe Salzkonzentrationen auf.[1] Die Spezies wurde auch in rosa Seen in Australien gefunden.[5][6]
Ursprünglich hatte man angenommen, dass die rosa Farbe des Lake Hillier (Westaustralien) von der MikroalgeDunaliella salina stammt.
In einer 2015 veröffentlichten Studie von Ken McGrath et al. zur mikrobiellen Gemeinschaft dieses Sees hat sich aber gezeigt, dass diese Alge nur in winzigen Mengen vorhanden war (0,1 % der DNA in der Probe), während Salinibacter ruber 20[5] bis 33 %[7][8][6] der aus dem See gewonnenen DNA ausmacht.[5]
Zu den Mikroorganismen, die für die rote Farbe des Lake Tyrrell im australischen Bundesstaat Victoria verantwortlich sind, gehören ebenfalls auch die Bakterien von Salinibacter ruber.[9]
Dieses Bakterium zeichnet sich durch seine halophile Lebensweise aus, eine Eigenschaft, die in erster Linie von Mitgliedern der Archaeen gezeigt wird. Im Allgemeinen spielen Bakterien in mikrobiellen Gemeinschaften von hypersalinen Solen bei oder nahe der Natriumchlorid-Sättigung keine große Rolle. Mit der Entdeckung von Salinibacter ruber wurde diese Annahme jedoch relativiert.
Man hat festgestellt, dass Salinibacter ruber zwischen 5 und 25 % der gesamten prokaryotischen Gemeinschaft der spanischen Salinen ausmacht, und daher ist ein wichtiger Bestandteil der dortigen mikrobiellen Gemeinschaft.[1][10]
Salinibacter ruber benötigt sehr hohe Salzkonzentrationen, die Spezies kann bei einer Salzkonzentration von weniger als 15 % nicht mehr wachsen.
Die ideale Konzentration liegt zwischen 20 und 30 %.
Salinibacter ruber überlebt in dieser rauen Umgebung aufgrund seiner Anpassungen an die hohen Salzkonzentrationen. Dazu gehören: geeignete Veränderung der Sequenzen vorhandener Proteine, die Rekrutierung von neuen Proteinen aus verschiedenen Quellen mit zuvor verschiedenen Funktionen sowie der Erwerb von Proteinen bzw. Genen von anderen halophilen Organismen durch laterale Gentransfer (LGT).
Salinibacter ruber hat einen extrem hohen Salzbedarf, was es einzigartig unter den Bakterien macht.
Es benötigt Chlor (Chlorid-Ionen) für das Wachstum.
Optimale Wachstumsraten werden zwischen 2,5 und 3,9 ᴍ (mol/ℓ) an Natriumchlorid (NaCl) erreicht, für das Wachstum werden mindestens 1,7 M benötigt.[10]
Salinibacter ruber produziert ein Pigment namens Bakterioruberin,[12] das ihm hilft, Licht einzufangen und als Energiequelle für seine Photosynthese zu nutzen. Während die Lichtsammelpigmente in eukaryotischen Algen in den Chloroplasten enthalten sind, ist das Bakterioruberin über die gesamte Bakterienzelle verteilt.[6]
Dies macht es wahrscheinlich, dass die Farbe des australischen Lake Hillier als die von Salinibacter ruber bestimmt wird.[6]
Während Bakterioruberine (C50-Carotinoide) üblicherweise bei Archaeen der Familie Halobacteriaceae (Euryarchaeota) gefunden werden, gibt es unter den Bakterien nur wenige bekannte Beispiele (wie beispielsweise Arthrobacter bussei), die dieses Pigment nutzen.
Für die rote Farbe verantwortlich ist auch ein Xanthorhodopsin, von dem ein Homolog nur bei Rhodobacter sp. M37P gefunden wurde (Stand Juni 2022).[13]
Um in hypersalinen Umgebungen zu überleben, hat Salinibacter ruber seine Proteinstrukturen angepasst. Außerdem unterscheidet er sich von anderen Halophilen dadurch, dass er eine als Protonenkanal bezeichnete Technik verwendet. Er hat einen allgemein hohen Gehalt an Aminosäuren, dabei aber einen niedrigen Gehalt an hydrophoben Aminosäuren, und insbesondere einen hohen Seringehalt. Dies ermöglicht einen isoelektrischen Wert von ca. pH 5,2 – was es diesem Organismus ermöglicht, in derart extremen Umgebungen überleben.[11]
Die an die speziellen Anforderungen angepassten bzw. den Archaeen der Familie Halobacteriaceae ähnlichen Enzyme sind folgende:[2]
NAD-abhängige Isocitrat-Dehydrogenase (IDH3): Arbeitet optimal zwischen 0,5 und 2,0 ᴍ (mol/ℓ) an Kaliumchlorid (KCl) und kann mit einer Leistung von 60 % bei Werten von 3,3 ᴍ arbeiten. Die Höchste Performance lag bei 0,2 bis 1,2 ᴍ an Natriumchlorid (NaCl).
NADP-abhängige Isocitrat-Dehydrogenase (IDH1/2): Arbeitet mit einer konstanten Rate in einer NaCl-Konzentration von 1–3,2 ᴍ. Verschiedene KCl-Werte sorgten jedoch für Stimulation.
NAD-abhängige Malatdehydrogenase (MDH): Funktioniert optimal bei der Abwesenheit von Salz und verminderter Aktivität bei erhöhten KCl- und NaCl-Konzentrationen.
NAD-abhängige Glutamatdehydrogenase (GDH): Arbeitet mit einer niedrigen Aktivitätsrate in Abwesenheit von Salz und nimmt mit einer Erhöhung der Konzentration von KCl ab, zeigt jedoch eine Zunahme der Aktivität mit einer Erhöhung der Konzentration von NaCl. Optimale Aktivitätsniveaus werden bei 3,0–3,5 ᴍ NaCl erreicht.
Salinibacter ruber verstoffwechselt auch Glukose, Mannose, Stärke und Glycerin. Es verwendet einen modifizierten Entner-Doudoroff-Weg, bei der der Phosphorylierungsschritt verzögert wird.
Es metabolisiert Zucker nur, wenn es bereits alle anderen Substrate erschöpft hat.
Glycerin wird jedoch reichlich für das Wachstum verwendet, da es eines der häufigsten Substrate in Salzseen ist.
Der Glycerinstoffwechsel beginnt mit der Kinase, gefolgt von der Dehydrierung von Glycerol-3-phosphat.[14]
Zum Zeitpunkt der Entdeckung von Salinibacter ruber waren die nächsten bekannte Verwandten die thermophilen und nur leicht halophilen Bakterien der Gattung Rhodothermus.
Obwohl Salinibacter ruber genetisch gesehen der Gattung Rhodothermus am nächsten steht, ist diese Spezies aufgrund der Ähnlichkeit der Proteinstruktur am ehesten mit der Archaeen-Familie Halobacteriaceae vergleichbar.[1]
Der Typstamm ist von Salinibacter ruber ist M31T(= DSM 13855T = CECT 5946T).[3]
Im Zug einer Emendation beschrieben Makhdoumi-Kakhki et al. 2012 zwei neue Spezies, Salinibacter iranicus und Salinibacter luteus.[16]
Nach einer erneuten Emendation 2016 durch Munoz et al. wurde deren Zugehörigkeit zu Gattung 2018 durch diese Autoren bezweifelt. Sie stellten die beiden Spezies als Salinivenus iranica bzw. Salinivenus lutea in eine neue Gattung Salinivenus innerhalb der gemeinsamen Familie Salinibacteraceae.
Dieser Vorschlag wurde zwar von der List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN) offiziell übernommen,[17] und nachfolgend auch von der Taxonomie des National Center for Biotechnology Information (NCBI),[18] die genomischen Daten der Genome Taxonomy Database (GTDB) können aber die Monophylie der beiden Schwesterarten jeweils nicht bestätigen, sondern unterstützen eher eine gemeinsame Gattung (Salinibacter).[19][20]
In der Familie Salinibacteraceae werden in der LPSN aktuell neben der umstrittenen Gattung Salinivenus noch die beiden Gattungen Longibacter und Longimonas geführt,[21] ebenso in der GTDB.[22]
Die Zugehörigkeit der 2018 von Viver et al. beschriebenen Spezies Salinibacter altiplanensis zur Gattung Salinibacter gilt als sicher.
Die Gattung enthält darüber hinaus eine Reihe unbeschriebener Stämme, darunter Salinibacter sp002954405[19] alias Salinibacter sp. 10B.[23]
Der nachstehenden Systematik liegen die folgenden Quellen zugrunde:
Der Gattungsname Salinibacter leitet sich ab von lateinischsalinae‚Salinen, Salzwerke‘ und neulat. bacterStab, Stäbchen (von altgriechischβακτήριονbaktērion); ein Salinibacter ist also ein Stäbchen aus einer Saline.[17]
Das Art-Epitheton der Typusart Salinibacter ruber kommt von lat. ruber‚rot‘.[25]
Das Art-Epitheton der Art S. altiplanensis ist der lat. Genitiv von spanischaltiplano‚Hochebene‘ und bezieht sich auf den argentinischenAltiplano, wo diese Art entdeckt wurde.[32]
Die Typusart Salinibacter ruber im Speziellen bzw. die Gattung Salinibacter im Allgemeinen dient als Wirt einer Reihe bekannter Viren der Klasse Caudoviricetes vom Morphotyp der Siphoviren. Mit Stand 10. August 2022 sind die in der NCBI-Taxonomie gelisteten Viren dieses Typs alle vom International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) offiziell bestätigt.[33] Das sind:
Wirt: Salinibacter sp. (genaue Art unbekannt, aber die Viren dieser Klasse sind üblicherweise hoch wirtsspezifisch)
Celine Brochier-Armanet, Josefa Antón, Marianna Lucio, Arantxa Peña, Ana Cifuentes, Jocelyn Brito-Echeverría, Franco Moritz, Dimitrios Tziotis, Cristina López, Mercedes Urdiain, Philippe Schmitt-Kopplin, Ramon Rosselló-Móra: High Metabolomic Microdiversity within Co-Occurring Isolates of the Extremely Halophilic Bacterium Salinibacter ruber. In: PLOS ONE. 8. Jahrgang, Nr.5, 31. Mai 2013, ISSN1932-6203, S.e64701, doi:10.1371/journal.pone.0064701, PMID 23741374, PMC 3669384 (freier Volltext), bibcode:2013PLoSO...864701A.
Jonathan Sher, Rahel Elevi, Lily Mana, Aharon Oren: Glycerol metabolism in the extremely halophilic bacterium Salinibacter ruber. In: FEMS Microbiology Letters. 232. Jahrgang, Nr.2, 1. März 2004, ISSN0378-1097, S.211–215, doi:10.1016/S0378-1097(04)00077-1, PMID 15033241.
Lejla Pašić, Beltran Rodriguez-Mueller, Ana-Belen Martin-Cuadrado, Alex Mira, Forest Rohwer, Francisco Rodriguez-Valera: Metagenomic islands of hyperhalophiles: the case of Salinibacter ruber. In: BMC Genomics. 10. Jahrgang, Nr.1, 1. Dezember 2009, ISSN1471-2164, S.570, doi:10.1186/1471-2164-10-570, PMID 19951421, PMC 2800850 (freier Volltext).
LifeGate: Salinibacter – rechnet die beiden Spezies S. iranicus und S. luteus weiter zu Salinibacter, nicht zu einer Schwestergattung Salinivenus und stimmt damit inhaltlich mit OneZoom und der GTDB überein, dass diese Spezies eine gemeinsame Klade bilden.
↑ abcdefg
Josefa Antón, Aharon Oren, Susana Benlloch, Francisco Rodríguez-Valera, Rudolf Amann, Ramón Rosselló-Mora: Salinibacter ruber gen. nov., sp. nov., a novel, extremely halophilic member of the Bacteria from saltern crystallizer ponds. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. 52. Jahrgang, Nr.2, 1. März 2002, S.485–491, doi:10.1099/00207713-52-2-485, PMID 11931160 (sgmjournals.org).
↑ abc
Aharon Oren, Lili Mana: Amino acid composition of bulk protein and salt relationships of selected enzymes of “Salinibacter ruber”, an extremely halophilic bacterium. In: Extremophiles. Band 6, Nr. 3, Juni 2002, S. 217–223; doi:10.1007/s007920100241, Epub 1. Februar 2002.
↑ ab
Emmanuel F. Mongodin, K. E. Nelson, Sean C. Daugherty, R. T. Deboy, Joseph Wister, H. Khouri, Jennifer R. Weidman, D. A. Walsh, R. Thane Papke, Gabino Sanchez Perez, Adrian Sharma, Camilla L. Nesbø, Dave Macleod, Eric Bapteste, W. F. Doolittle, R. L. Charlebois, B. Legault, Francisco Rodriguez-Valera: The genome of “Salinibacter ruber”: Convergence and gene exchange among hyperhalophilic bacteria and archaea. In: Proc Natl Acad Sci U S A. Band 102, Nr. 50, 13. Dezember 2005, S. 18147-18152; doi:10.1073/pnas.0509073102, PMID 16330755, PMC 1312414 (freier Volltext), ResearchGate, Epub 5. Dezember 2005.
↑
Raul Munoz, Ramon Rosselló-Móra, Rudolf Amann: Revised phylogeny of Bacteroidetes and proposal of sixteen new taxa and two new combinations including Rhodothermaeota phyl. nov. In: Systematic and Applied Microbiology. Band 39, Nr. 5, Juli 2016, S. 281–296; doi:10.1016/j.syapm.2016.04.004, PMID 27287844, Epub 12. Mai 2016.
↑Die NCBI-Taxonomie ist wie die der EoL bis zur Rangstufe der Klasse hoch unschlüssig und (womöglich historisch bedingt) widersprüchlich und ordnet ganz im Widerspruch zu den phylogenetischen Daten Salinibacter in die Familie Rhodothermaceae, Salinivenus aber in die Familie Salinibacteraceae ein (sic!), diese beiden Familien zudem noch in verschiedene Ordnungen, wenn nicht gar Klassen.