Siegfried Behrend (* 19. November 1933 in Berlin; † 20. September 1990 in Hausham) war ein deutscher Gitarrist und Komponist sowie Herausgeber von Gitarrenmusik.
Siegfried Behrends Eltern waren der Schlosser und engagierte Freizeitgitarrist Karl Behrend und dessen aus Riga stammende Frau Kornelia.[1] Nachdem er zwei Jahre das Klindworth-Scharwenka-Konservatorium besucht hatte, wo er Unterricht in den Fächern Klavier, Cembalo, Komposition und Dirigieren erhielt, widmete er sich ganz der Gitarre.[2] Durch Ehrgeiz und musikalisches Können, gepaart mit Geschäftstüchtigkeit und einer wirkungsvollen Vermarktungsstrategie gelang es ihm bereits nach wenigen Jahren, sich im internationalen Konzertbetrieb zu etablieren.[3]
1962 lernte der Gitarrist während der Aufnahmen zu der Personality-Show Belina – Porträt einer Sängerin die Hauptdarstellerin näher kennen Die beiden gingen fortan künstlerisch gemeinsame Wege. Belina und Siegfried Behrend repräsentierten mit ihren Folk-Songs, Chansons, jiddischen Liedern und internationalen Schlagern als Botschafter deutscher Kultur die damals noch junge Bundesrepublik Deutschland und führten mit Unterstützung des Goethe-Instituts mehrere ausgedehnte Konzertreisen durch. Die beiden gastierten in mehr als 120 Ländern. In dieser erfolgreichen Zeit nahm das Duo mehrere LPs auf und war in mehreren Fernsehsendungen zu Gast (z. B.: Lieder am Kamin bei SWF). Siegfried Behrend heiratete in den 1970er-Jahren die Schauspielerin Claudia Brodzinska.
Durch Kompositionsaufträge und Eigenkompositionen förderte Siegfried Behrend die zeitgenössisch-avantgardistische Musik. Er leitete zahlreiche Uraufführungen von Werken von Anestis Logothetis, Klaus Hashagen, Heinrich Konietzny, Dietrich Erdmann, Friedrich Gaitis und anderen. Mit seiner Frau Claudia Brodzinska-Behrend (Sprechstimme) brachte er regelmäßig experimentelle Werke zur Aufführung, darunter die Uraufführung und Einspielung von Sylvano Bussottis Ultima Rara.[4][5] Für diese Duobesetzung schrieb Klaus Hinrich Stahmer Canti della vita (1980; Texte: Eugenio Montale). Gemeinsam mit dem Schlagzeuger Siegfried Fink spielten Claudia Brodzinska und Siegfried Behrend auch Stahmers radiophone Komposition tre paesaggi (1976; Texte: Cesare Pavese) für den Bayerischen Rundfunk ein. In Verbindung mit live-elektronischer Klangverwandlung brachte er 1980 in Zagreb die für das dort ansässige Tanzensemble „savremeni ples“ komponierte Ballettkomposition espace de la solitude von Klaus Hinrich Stahmer zur Uraufführung.
Siegfried Behrend war ein gefragter Gitarrenlehrer, gab Meisterkurse und trug durch seine Medienpräsenz erheblich dazu bei, dass die Musik für Gitarre und andere Zupfinstrumente einen festen Platz im öffentlichen Musikleben erhielt. Martin Maria Krüger, mit dem er in späteren Jahren weltweit als Deutsches Gitarrenduo auftrat, erhielt von ihm den ersten Gitarrenunterricht. An den von Behrend in den 1970er-Jahren im bayerischen Riedenburg abgehaltenen „Internationalen Meisterkursen für künstlerisches Gitarrespiel“ nahmen unter anderen Michael Tröster, Matthias Henke und Helmut Richter teil, der sich in späteren Jahren in verschiedenen Publikationen mit dem Lebenswerk Behrends beschäftigte. 1963 moderierte Siegfried Behrend die Fernsehsendung Die Geschichte der Gitarre[6], 1971 eine dreizehnteilige Fernsehsendung mit dem Titel Instrumente - Klänge - Strukturen beim Hessischen Rundfunk über die Gitarre und ihre Verwendung in der Kammermusik. Von 1960 bis 1973 leitete Behrend das Saarländische Zupforchester (SZO)[7] und von 1968 bis 1990 das Deutsche Zupforchester (DZO)[8]
Behrend widmetet sich seit der zweiten Hälfte der 1950er Jahre einer umfangreichen Tätigkeit als Komponist und Herausgeber von Musik für Gitarre und andere Zupfinstrumente. Dem Vorbild namhafter und auch als Herausgeber erfolgreicher Gitarristen wie Andrés Segovia (Schott Verlag) oder Karl Scheit (Universal Edition) folgend, etablierte er bei verschiedenen Verlagen eigene Werkreihen. Bei Bote & Bock (Berlin) erschienen die in sechs Themenbereiche unterteilte Gitarre-Bibliothek[9] und 15 Hefte unter dem Titel Volkslieder aus aller Welt, im Frankfurter Musikverlag Zimmermann unter anderem Kammermusik für Gitarre (ca. 25 Ausgaben) und im Hamburger Musikverlag Hans Sikorski Die Konzertgitarre. Eine Sammlung aus dem Repertoire von Siegfried Behrend, Spielmusik für 2 Gitarren und Alte Europäische Lautenmusik.[10]
Siegfried Behrends kompositorisches Schaffen war stilistisch vielfältig, in weiten Teilen aber auch durch einen oberflächlichen Eklektizismus geprägt, der keinen Raum für die Entwicklung künstlerisch nachhaltiger Werke bot. Neben seinem zwar umfangreichen, aber auch klischeehaften und epigonalen Œuvre von Stücken vornehmlich spanischer Couleur und mit meist nur geringer individueller Schaffenstiefe standen Veröffentlichungen, mit denen er z. B. durch die Verwendung graphischer Notation den Anschluss an aleatorische Tendenzen der Avantgarde des 20. Jahrhunderts suchte,[11] deren kompositorische Qualität aber auch Kritik provozierte:
„Seinen aleatorisch angelegten Stücken haftet [...] über ihren per se indeterminierten musikalischen Gehalt hinaus eine Willkürlichkeit an, die sich m. E. auch auf den Schaffensprozeß beziehen läßt und so ganz allgemein den Verdacht nährt, daß es sich hier weniger um die Entäußerung musikalisch kreativen Gestaltungswillens als um unreflektiertes Epigonentum handelt.“
Behrends Tätigkeit als Herausgeber war in Fachkreisen aufgrund teilweise unzeitgemäßer Editionsstandards nicht unumstritten,[13] aber auch sein Wirken im Bereich folkloristischer Musik war hinsichtlich der Provenienz des verwendeten Materials nicht frei von Widersprüchen. So veröffentlichte er im Musikverlag Hans Sikorski zwischen 1957 und 1958 unter seinem Namen die Impressionen einer spanischen Reise mit angeblich „bisher noch nie in Noten festgehaltenen“[14] Stücken für Gitarre solo, für zwei Gitarren und für Gesang und Gitarre in 6 Bänden, die jedoch überwiegend aus Bearbeitungen von vorab bereits veröffentlichten Werken spanischer Komponisten bestehen (unter anderem Tomás Bretón und Joaquín Nin), auf deren Urheberschaft aber an keiner Stelle hingewiesen wird.[15]
Siegfried Behrend erhielt 1981 auf Vorschlag von Franz Josef Strauß das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.[16]
Am 30. Mai 1991 gab das Deutsche Zupforchester unter Leitung von Wolfgang Bast für ihn ein Gedenkkonzert im Otto-Braun-Saal der Berliner Staatsbibliothek.[17]
Personendaten | |
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NAME | Behrend, Siegfried |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Gitarrist und Komponist |
GEBURTSDATUM | 19. November 1933 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 20. September 1990 |
STERBEORT | Hausham |