Dieser Artikel behandelt Wassertürme als Anlagen der Wasserversorgung. Zu aus anderen Gründen Wasserturm genannten Bauwerken siehe Wasserturm (Begriffsklärung).
Wasserturm ist die Bezeichnung für ein Betriebsbauwerk der Wasserversorgung, das einen Hochbehälter zur Speicherung von Trinkwasser oder Brauchwasser besitzt. Mit dem Hochbehälter wird neben der Bereithaltung einer temporär ausreichenden Wassermenge auch für einen ausreichenden und gleichmäßigen Druck im angeschlossenen Wassernetz gesorgt.
Die Wasserversorgung der an das Wassernetz angeschlossenen Gebäude erfolgt allein mit Hilfe des aus der Schwerkraft resultierenden hydrostatischen Drucks. Dabei dient der Hochbehälter auch als Ausgleichsbehälter. Das aus dem Wassernetz entnommene Wasser führt zu einer Verminderung der Wassermenge im Hochbehälter. Daher wird der Hochbehälter regelmäßig nachgefüllt, sodass der Wasserpegel möglichst auf gleicher Höhe bleibt. Auf diese Weise wird der Wasserdruck im Netz konstant gehalten. In Wassernetzen mit Hochbehältern werden Pumpen ausschließlich zum Befüllen des Hochbehälters benötigt.
Für einen ausreichenden Druck müssen alle Abnehmer tiefer als der Hochbehälter liegen (Prinzip der kommunizierenden Röhren). Abnahmestellen, die höher liegen (z. B. Hochhäuser), benötigen eine eigene Druckerhöhungsanlage.
Wassertürme sind hydraulisch einfach aufgebaut. Sie gleichen durch ihre Konstruktion zulaufseitige Druckschwankungen und ablaufseitige Entnahmeschwankungen aus. Dadurch ergeben sich geringe Anforderungen an die Befüllung bzw. die Befüllungspumpe.
Auch ohne Energiezufuhr können sie eine gewisse Menge Wasser abgeben. Zuverlässigkeit ist z. B. für die Trinkwasserhygiene wichtig.
Sie dienen auch als Symbol und als Werbeträger.
Nachteilig ist:
Der Bau eines Wasserturms ist aufwändig.
Die Qualität des oft längere Zeit nicht ausgetauschten Wassers im Behälter kann beeinträchtigt werden.
Die Speicherfunktion von Wassertürmen kann durch erdnahe Wasserspeicher ersetzt werden. Mit geregelten Pumpen in Druckerhöhungsanlagen im Wasserverteilungssystem kann auch der erforderliche Druck erzeugt werden, allerdings mit einem höheren technischen Aufwand.
Der Schanzenturm in Hamburg, zu seiner Zeit einer der größten Wassertürme in Europa, hatte 4.600 m³ Fassungsvermögen.
Die Wassertürme Herten mit einem Fassungsvermögen von 9000 Kubikmetern gehören zu den größten Hochbehältern ihrer Art in Deutschland.
Zu den heute weltweit größten Wassertürmen zählt unter anderen der 1977 fertiggestellte Wasserturm in Roihuvuori bei Helsinki mit 12.600 m³ Fassungsvermögen.
Der Grand Central Water Tower Midrand in Südafrika ist sowohl von der Bauweise in Form eines auf der Spitze stehenden, 40 Meter hohen Kegels als auch von dem Volumen von 6.500 m³ eine herausragende Erscheinung unter den Wassertürmen.
Wassertürme unterscheiden sich sowohl im Hinblick auf die Behälter als auch in der äußeren Erscheinung. Es gibt massive Türme (aus Backstein oder Beton); im industriellen Bereich kamen allerdings hauptsächlich Stahl-Skelett-Konstruktionen zum Einsatz. Es gibt auch Wassertürme in Holzbauweise.
Eine eigene Konstruktionsform stellt der Aquaglobus dar. Diese Art von metallenen Wassertürmen wurde Ende der 1960er Jahre in Ungarn entwickelt. Dabei handelt es sich um einen kugelförmigen Wasserbehälter auf einem säulenartigen Ständer. Häufig kam diese Bauart in der DDR zum Einsatz.
Da ein gefüllter Behälter eine große Druckspannung in den Stützen bewirkt, muss bei der Dimensionierung von Wassertürmen die Verhinderung von Knicken in besonderem Maße beachtet werden.[1] Da die Gefahr des Knickens für die Achse mit dem geringsten Flächenträgheitsmoment am größten ist, finden sich bei Wassertürmen meist symmetrische, insbesondere runde Grundrisse.
Die ersten Wassertürme (ab 1830) besaßen rechteckige Wasserbehälter mit flachem Boden. Zur Verstärkung der Wände mussten innenliegende Zuganker eingesetzt werden, die anfällig für Korrosion waren und eine Reinigung des Behälters erschwerten. Später wurden die Behälter rund ausgeführt, sodass nur noch der weiterhin flache Boden zusätzlich durch eine Balkenlage unterstützt werden musste. Diese Bauform wurde fast ausschließlich in Gebäude integriert.
Eine konstruktive Verbesserung entstand ab 1860 in Frankreich. Die sogenannten Hängebodenbehälter besaßen einen Klöpperboden, dessen Verbindung mit der runden Behälterwand als Druckring fungierte. Die Ausdehnung des Druckrings führte aber immer wieder zu Beschädigungen der Anschlusskonstruktionen. Äußeres Erkennungsmerkmal dieser Bauart ist ein das Ständerbauteil nur wenig überragender Wasserbehälter.
Die Problematik der Ausdehnung des Druckrings löste der Ingenieur Otto Intze 1883 durch eine Konstruktion, die als das Intze-Prinzip bekannt wurde. Der Druckring wird weiter unter dem Behälter angeordnet und der Boden aus einem äußeren Kegelstumpf und einem inneren Klöpperboden zusammengesetzt. Hierdurch werden alle waagerecht wirkenden Kräfte ausgeglichen und können keine schädlichen Spannungen weiterleiten. Eine besondere Bauform waren die Schornsteinbehälter, die ab 1885 ringförmig um vorhandene oder neugebaute Industrieschornsteine gebaut wurden, z. B. beim Wasserturm des Bahnbetriebswerk Dahlhausen (heute Eisenbahnmuseum Bochum). Der erste Intze-Behälter wurde 1883 in Remscheid errichtet. Ein weiterer bedeutender Vertreter ist der Wasserturm der Deutschen Celluloid-Fabrik (1916) in Eilenburg.
Mit dem sogenannten Barkhausen-Behälter (Kugelbodenbehälter) entwickelte Georg Barkhausen 1898 einen Behälter mit halbkugelförmigem Behälterboden. Durch den stetigen Übergang zwischen Wandung und Boden wird der Stützring überflüssig. Die Barkhausen-Behälter wurden von der Dortmunder Firma Aug. Klönne gebaut. Als erster Behälter dieser Bauart entstand 1899 der Wasserturm der Zeche Minister Stein. Nach diesem Konstruktionsprinzip wurde unter vielen anderen der Wasserturm am Darmstädter Hauptbahnhof erbaut. Ein weiteres Beispiel ist das 1905 fertiggestellte sogenannte Lanstroper Ei im Nordosten der Stadt Dortmund.
Im Jahr 1898 erhielt August Klönne ein Patent auf einen kugelförmigen Behälter mit kegelförmiger Abstützung. Ab 1906 wurden dann hauptsächlich Wasserbehälter der Bauart Klönne gebaut. Die am Umfang des Kugelbehälters angreifenden Stützen sind in der Regel wie bei den Barkhausen-Behältern tangential mit der Behälterwand verbunden. Der erste Behälter dieser Bauart wurde 1906 in Chemnitz Außenbahnhof (königlich-sächsische Staatseisenbahn) installiert.[2]
Sogenannte Wasserkünste versorgten schon frühzeitig Burgen und Festungen mit Trinkwasser, bergmännische Künste dienten zum Herauspumpen des Grubenwassers aus den Bergwerken. Die Stadt Augsburg war im 15. Jahrhundert eine Vorreiterin in der Nutzung einer Wasserkunst zur Trinkwasserversorgung. Der älteste Wasserturm Deutschlands ist der 1416 erbaute Große Wasserturm[3] beim Wasserwerk am Roten Tor in Augsburg, dem ältesten Wasserwerk Deutschlands und wohl auch Mitteleuropas.[4] Hinzu kamen Anlagen, die die Gärten herrschaftlicher Schlösser und deren aufwendige Wasserspiele zu versorgen hatten, etwa im Schloss Weilburg, wo ein Pumpwerk das Wasser aus der Lahn in einen Hochbehälter im Turm der Schlosskirche pumpte.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden Wassertürme in Deutschland in großer Zahl, um die öffentliche Versorgung mit sauberem Trinkwasser in der Gründerzeit, in welcher es zu einer zunehmenden Verstädterung kam, zu gewährleisten. Die in dieser Zeit errichteten Wasserwerke mit großen Reservoirs und Hochbehältern trugen in Verbindung mit Versorgungs- und Abwasserleitungen wesentlich dazu bei, Epidemien vorzubeugen. Ohne die Versorgung der Industriestädte mit ihren häufig sehr beengt lebenden Bevölkerungsmassen und große Mengen von Abwasser erzeugenden Betrieben kam es zuvor immer wieder zu Epidemien großen Ausmaßes.
Eine Sonderform der Wassertürme für die Trinkwasserversorgung sind Wohnwassertürme, in denen in den unteren Etagen Wohnungen vorhanden sind. Zu nennen sind hier der Wohnwasserturm Wulsdorf in Bremerhaven (Bj. 1927) und der Wohnwasserturm Preetz (Bj. 1929).
Wassertürme dienten auch dazu, eine genügende Liefermenge bei plötzlichen großen Entnahmen für die Wassertanks von Dampflokomotiven bereitzuhalten. Beginnend mit der Entwicklung des Eisenbahnnetzes, in Deutschland ab 1840, entstanden die ersten Wasserhochbehälter. Diese waren noch keine selbstständigen Turmbauten, sondern als bloße Vorratsgefäße in Bahnhofsbauten integriert wie beispielsweise bei dem Bahnwasserturm Büchen oder in neuerer Zeit auch der Wasserturm im Bahnbetriebswerk Dortmund-Betriebsbahnhof. Später gab es konstruktiv erkennbar als Türme ausgeführte Bahnwassertürme wie z. B. den am Bahnbetriebswerk Hamburg-Altona. Das typische Fassungsvermögen von größeren Bahnwassertürmen liegt bei circa 400 m³, mit dem etwa zehn Tender von großen Lokomotiven ohne neuerliche Auffüllung des Turmbehälters betankt werden konnten. Im polnischen Iława (Deutsch Eylau) stehen drei Bahnwassertürme, die in den Jahren 1871, 1915 und 1942 errichtet wurden.
Wassertürme als Löschwasserreservoir bieten den Vorteil, dass das Wasser ohne Einsatz von Pumpen schon unter Druck steht und derartige Anlagen auch bei Stromausfall funktionieren.
In hochtechnischen Infrastrukturen wie in Mitteleuropa werden Wassertürme derzeit nur noch in seltenen Fällen gebaut und bestehende Anlagen von den Aufgaben der Wasserversorgung, sofern sinnvoll möglich, entbunden. Die Ursache hierfür liegt zum einen in den drei- bis fünffachen höheren Investitionskosten[5] und zum anderen sind beim Betrieb auch technische Vorgaben und qualitative Anforderungen an das Trinkwasser zu beachten, die zu erhöhten Betriebskosten gegenüber Erdbehältern führen können.
In jüngster Zeit wurden Wassertürme nicht zur Wasserversorgung errichtet, sondern als Fernwärmespeicher und als Oberbecken (Naturstromspeicher Gaildorf). Auch bei Abschussrampen für große Weltraumraketen wurden Wassertürme zur Flutung der Abgasschurre der Abschussrampe während des Starts gebaut. Dies dient nicht nur zur Kühlung, sondern reduziert auch zum Schutz der Rakete den entstehenden Lärm.
In den USA sind Wassertürme öfter anzutreffen, in Großstädten als Behälter auf Hochhäusern sowie freistehend an Land. Oft sind sie bemalt oder tragen zumindest den Namen der Stadt.[6] Auch in Frankreich sind Wassertürme öfter als beispielsweise in Deutschland anzutreffen, besonders in ländlichen Gebieten.
In infrastrukturfernen Gegenden wie in ländlichen Gebieten Senegals kann die Pumpen-Befüllung eines Wasserturms nur mit Dieselaggregat erfolgen, was für den Dauerbetrieb weniger geeignet wäre.[7][8]
Unter der Begründung, Wassertürme könnten auch als „Target Reference Points“[9] für Terroristen dienen bzw. als in der Landschaft stehende markante Punkte, die der Zielerfassung von Waffen wie Mörser dienen, wurden Wassertürme im Irak von der US-Armee zerstört.[10] Im Norden Syriens zerstörte der IS vor seinem Rückzug hunderte Wassertürme.[11]
Umnutzung und weitere Nutzung von Wassertürmen (Beispiele)
Heute sind viele der noch erhaltenen Wassertürme bauliche und technische Denkmäler.
Eine Alternative zum Abriss alter und sanierungsbedürftiger Wassertürme ist deren Umnutzung. Zwar gehen dadurch oft die technischen Einbauten (Speicherbecken und Pumpenanlagen) verloren, aber so kann die Hülle erhalten werden. Beachtenswert ist der im Jahr 2006 umgebaute dänische Jægersborg Vandtårn.
Eine andere Möglichkeit ist, Wassertürme über ihre eigentliche Funktion hinaus auf andere Weise zu nutzen (Zusatznutzung).
Manche Wassertürme dienen etwa als Aussichtsturm; es gibt auch Wassertürme mit einem Turmrestaurant, wie dem Goldbergturm in Sindelfingen oder der Windrose in Viersen. Im Regelfall gelangen bei Wassertürmen mit Aussichtsplattform die Besucher mit einem Aufzug zur Aussichtsplattform.
Weit verbreitet ist auch die Nutzung sowohl von aktiven als auch von stillgelegten Wassertürmen als Standort von Sendeeinrichtungen im UKW-Bereich mit kleiner Leistung, wie für den nichtöffentlichen Landfunkdienst und den Mobilfunk. Der umgenutzte Heidelberger Fernsehturm diente ursprünglich als Wasserturm. Heute dient er als Grundnetzsender des SWR für UKW und TV. Auch der Wasserturm in Waldenburg wurde bis 2009 als Sendeturm genutzt.
Eine außergewöhnliche funktechnische Nutzung liegt beim Wasserturm Wolfersberg in Wien vor, der sowohl für Funkdienste im UKW-Bereich als auch für ein Funkfeuer im Langwellenbereich genutzt wird.
Eine ursprüngliche Mehrfachnutzung ist der Schornsteinbehälter, eine Kombination von Wasserturm und Schornstein. Der zylinderringförmige Wasserbehälter aus Stahl liegt typisch in etwa halber Höhe des Schlots und umgibt diesen koaxial. Meist trägt der Wasserbehälter ein flaches Kegeldach und am Zylindermantel eine Werbeschrift. Einen Nebennutzen kann ein gewisser Wärmestrom vom heißen Abgas zum Wasser hin bieten, wenn es gilt Einfrieren zu vermeiden.[12]
Schornstein mit Wasserbehälter des ehemaligen Walzwerkes Finow
Wasserturm mit Schornstein der Heilstätten Grabowsee.
Schlachthofturm Dresden – Kesselhaus mit Wasserhochbehälter und Rauchaustrittsöffnung auf dem Dach
Kamin mit Wasserturm der Universitätsklinik Würzburg
Abluftkamin des Forschungsreaktors des Karlsruher Institut für Technologie, der auch als Wasserturm dient
Viele Wassertürme werden von Naturschützern mit wenig Aufwand zu Brutplätzen für Vögel und andere Tiere umgebaut.[13][14]
Wasserturm an der Viersener Straße in Mönchengladbach sowie Wassertürme in Dahl und an der Wickrather Straße (die ehemalige Pumpenwärterwohnung im erstgenannten Wasserturm wurde umgenutzt und wird Künstlern als Atelier jeweils für jeweils zwei Jahre kostenlos zur Verfügung gestellt)
Normenausschuß Wasserwesen [NAW] im DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.): Wasserversorgung – Anforderungen an Systeme und Bestandteile der Wasserspeicherung; Deutsche Fassung EN 1508:1998. Beuth Verlag GmbH, Berlin, Wien, Zürich 1998.
DVGW e. V. (Hrsg.): Technische Regel Arbeitsblatt W 300, Wasserspeicherung – Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserbehältern in der Trinkwasserversorgung. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, 2005, ISSN0176-3504.
Thomas Wieckhorst: Wassertürme neu genutzt. Meininger Verlag, Neustadt an der Weinstraße 1996, ISBN 3-87524-112-6.
Jan Werth: Ursachen und technische Voraussetzungen für die Entwicklung der Wasserhochbehälter. In: Bernhard Becher, Hilla Becher: Die Architektur der Förder- und Wassertürme. Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts (= Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts. Band 13). Prestel, München 1971, ISBN 3-7913-0323-6, S. 325–428 (Werth = zugleich: Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 1969).
↑Martin Kluger: Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg. 1. Auflage. Context Verlag, Augsburg 2013, ISBN 978-3-939645-72-6, S.2.
↑DVGW e. V.: Arbeitsblatt W 300, Wasserspeicherung – Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von Wasserbehältern in der Trinkwasserversorgung. DVGW Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs e. V., Bonn 2004, Absatz 5.1.3.2.
↑Wolfgang Bauer: Nordsyrien – Das große Verhängnis. In: ZEITMagazin. Hamburg 25. Januar 2018 (zeit.de).
↑Die Speisefettraffinerie Estermann, heute VFI GmbH, hatte 1912 bis zumindest 1970 einen solchen Schlot in Wels, Oberösterreich, am damaligen Standort an der Bahn nördlich der Baumgartnerstraße. Das Unternehmen > Meilensteine vfi.co.at, abgerufen am 29. Januar 2020.