Als Überaugenwulst (Torus supraorbitalis, gelegentlich fälschlich auch: Augenbrauenwulst) wird eine horizontale, unmittelbar oberhalb der Augenhöhlen und der Nasenwurzel vorhandene Verdickung des Stirnbeins bezeichnet, die über der Nasenwurzel nicht unterbrochen ist. Dieser Knochenwulst ist ein auffälliges Merkmal am Schädel bei diversen Vor- und Urmenschen sowie bei einigen anderen Primaten wie den Schimpansen und den Gorillas.
Die Funktion des Überaugenwulstes ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt.[1] Da an ihm keine Muskeln ansetzen, wird diese Knochenverdickung meist als stabilisierende Anpassung gedeutet: Wenn der Schädel durch einen kräftigen Kauapparat hohem Kaudruck und dadurch starken statischen Belastungen ausgesetzt ist, wirke ein kräftiger Torus supraorbitalis einer möglichen Bruchgefahr entgegen.[2][3][4] Auch wurde vermutet, die vorspringenden Knochen könnten ursprünglich ein Schutz für die Augen gewesen sein.[5]
Dieser Interpretation wurde im Jahr 2018 allerdings widersprochen, da eine Computersimulation auf Grundlage des Schädels Kabwe 1 keine mechanischen Vorteile ergab.[6] Der Anatom Paul O’Higgins vom Fachbereich Archäologie der University of York, Co-Autor der Simulation, mutmaßte, dass der Überaugenwulst möglicherweise ein soziales Signal sei, das Dominanz anzeige.[7] Der Verlust des Überaugenwulstes beim anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) habe hingegen in Form von Augenbrauen-Bewegungen subtilere soziale Signale ermöglicht.
Bei vielen Menschen trägt das Stirnbein ebenfalls einen deutlichen Wulst oberhalb jedes Auges; allerdings werden diese beiden Augenbrauenbögen (Arcus superciliaris, auch: Augenbrauenwülste) oberhalb der Nasenwurzel durch die nicht wulstartig hervortretende und meist unbehaarte Glabella getrennt.
Beim Menschen treten Augenbrauenwülste hauptsächlich beim Mann auf. Grund dafür ist das Sexualhormon Testosteron, welches u. a. während der Pubertät dafür sorgt, dass sich die Gesichtsknochen verändern und es zur Herausbildung des Knochenwulstes kommen kann.[8]