Das Ā'īn-i Akbarī (persisch آئين اکبری, DMG Āʾīn-i Akbarī, „Institutionen Akbars“) ist der dritte Teil des Akbar-nāma, das der Gelehrte Abū 'l-Fazl Allāmī für den Mogulherrscher Akbar verfasst und im Jahre 1598 vollendet hat.[1] Das fünfbändige Werk enthält eine enzyklopädische Beschreibung nahezu aller Belange des Mogulreiches, wobei dem Hinduismus ein eigener Teilband gewidmet ist. Durch seine einzigartige Fülle an statistischen Daten und Sachinformationen ist das Ā'īn-i Akbarī von größter Bedeutung für die Historiographie der Mogulzeit.[2] Das Ā'īn-i Akbarī bietet eine Fülle von Sachinformationen, die vor allem zeigen sollen, dass Akbar über jedes Detail in seinem Reich genauestens informiert ist und alles aufs Beste geregelt hat, so dass seine Untertanen in einem goldenen Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit leben.[3]
Im ersten Band geht es um den kaiserlichen Haushalt (persisch manzil) im weitesten Sinne. Als erstes nennt Abū 'l-Fazl den Staatsschatz und alles, was damit zusammenhängt: die Klassifizierung von Edelsteinen und Perlen, die Gewinnung und Verarbeitung von Edelmetallen, die kaiserliche Münze und die im Umlauf befindlichen Zahlungsmittel. Zum Haushalt gehören auch der private Bereich des Herrschers (Harem), die Küche und die dort verwendeten Lebensmittel, die Kleiderkammern, die Bibliothek mit den Werkstätten für die Produktion von Büchern, das Arsenal und die Stallungen. Erwähnung finden überdies die Regeln für die Zulassung zum Hof, die Etikette und die kaiserlichen Insignien. Informationen über die Kosten von Baumaterialien und Handwerkern schließen den ersten Band ab.
Das zweite Buch des Ā'īn-i Akbarī ist der Armee (persisch sipāh) gewidmet. Hierin geht um verschiedene Einheiten und Ränge, Tiere in der Armee und ihr Futterverbrauch, um die Arten der Besoldung und um die Aufgaben der Chronisten, die nicht nur das Tagesgeschehen, sondern auch die Höhe der vergebenen Mansabs, Lehen, Gehälter, Geschenke usw. zu vermerken haben.[4] Einige Kapitel sind der Jagd gewidmet, weitere diversen Freizeitbeschäftigungen. Den Abschluss des Buches bilden mehrere Listen mit den wichtigsten Persönlichkeiten des Reiches: zunächst die Männer des Heeres, die nach der Höhe ihres Mansab aufgezählt sind, danach die Gelehrten, dann die Dichter und schließlich die Musiker.
Der dritte Band[5] befasst sich mit dem Reich (persisch mulk) und seiner Verwaltung. Abū 'l-Fazl stellt zunächst, nach einem Exkurs über verschiedene Zeitrechnungen, Akbars neuen Sonnenkalender vor, der im Jahre 1584 eingeführt wurde. Danach beschreibt er die Hierarchie der Verwaltungsbeamten und ihre Aufgaben, erklärt die unterschiedlichen Qualitäten von Ackerland und erwähnt die aktuellen Längen- und Flächenmaße. Das Ā'īn 14[6] enthält umfangreiche Statistiken über das Steueraufkommen des Reiches zwischen 1561 und 1580, aus denen auch die Arten der angebauten Feldfrüchte hervorgehen.[7] Den Rest und zugleich den größten Teil des Buches nimmt eine enzyklopädische Darstellung der zwölf Provinzen, (persisch subah), ihrer Unterprovinzen und Städte ein, die um 1595 zum Mogulreich gehörten.
Der vierte Band des Ā'īn-i Akbarī ist im Wesentlichen eine ausführliche Beschreibung der Religion, Philosophie und Wissenschaften der Inder. Im Vorwort erklärt Abū 'l-Fazl, dass er mit diesem Band die informative Grundlage für eine Begegnung mit den indischen Glaubenslehren liefern will, um auf diese Weise unter Muslimen verbreitete Missverständnisse zu beseitigen und den Weg zum Frieden zu ebnen.[9] Der Leser erfährt zunächst etwas über Kosmogonie und Kosmographie, Kastenwesen, Sprachen, einige typisch indische Tiere und verschiedene Gewichte. Ein langes Kapitel stellt die sechs orthodoxen Systeme der klassischen indischen Philosophie, die sechs Darshanas, vor. Die heterodoxen Systeme der indischen Philosophie, die auch den Jainismus und den Buddhismus umfassen, finden ebenfalls Erwähnung. Es folgt eine Übersicht über die Achtzehn Wissenschaften[10] und ihre Untergruppen. Hierzu gehören beispielsweise die vier Veden und die sechs Vedangas. Besonders viel Raum gibt der Autor dem Karma-Vipaka, in dem aktuelle Lebensumstände oder Krankheiten als Folgen von bestimmten Handlungen in früheren Leben erklärt und vorzugsweise magische Praktiken oder Sühneriten zur Tilgung des schlechten Karmas empfohlen werden. Er nennt im Folgenden noch verschiedene Formen der Divination und beschreibt in Kürze einige Inhalte der Kamashastra-Literatur. Nach einem Kapitel über die Kunstdichtung geht Abū 'l-Fazl auf Gesang, Musik und Tanz ein. Es gibt Ausführungen über die Rechte und Pflichten eines Königs und die Rechtspflege allgemein. Das religiöse Leben mit seinen Geboten und Verboten, die zehn Avataras von Vishnu und eine Aufzählung der heiligen Pilgerorte schließen die Informationen zum Hinduismus ab. Bevor das vierte Buch des Ā'īn-i Akbarī endet, hat Abū 'l-Fazl noch ein Kapitel über berühmte mythologische und historische Persönlichkeiten, die in Indien waren, und ein weiteres über bedeutende Sufis in Indien eingefügt.
Das fünfte Buch ist vergleichsweise kurz. Es besteht aus einer Sammlung von Aussprüchen Akbars, einem Schlusswort des Autors und einem ausführlichen Lebensbericht desselben.
H.S. Jarrett schreibt im Vorwort seiner Übersetzung zum Ā'īn-i Akbarī, dass er dieses Buch sorgfältig mit al-Bīrūnīs Kitāb Tarīkh al-Hind verglichen hat, und zu der Überzeugung gelangt ist, dass Abū 'l-Fazl Idee und Anordnung seines Werkes von seinem großen Vorgänger übernommen hat.[11] Die Übereinstimmungen sind aber nicht nur struktureller Art, sondern zeigen sich auch im Detail. So offenbaren etwa Abū 'l-Fazls Ausführungen zu Kosmogonie und Kosmographie seine Bekanntheit mit dem Kitāb Tarīkh al-Hind.[12] Abū 'l-Fazl hat aber natürlich noch auf eine Vielzahl weiterer Quellen und Informanten zurückgegriffen. Ihm standen die Aufzeichnungen aus den höfischen Archiven zur Verfügung, aus denen er seine die Verwaltung und das Steueraufkommen betreffenden Angaben entnommen haben dürfte. Aus Baburs Memoiren stammen größere Passagen in seinem Bericht über das Sarkar von Kabul[13]. Aus rajputischen Quellen hat er für die historischen Berichte über einzelne Provinzen geschöpft.[14] Dschāmis Hagiographie von Sufis hat er für einige Viten muslimischer Heiliger im dritten Buch verwendet.[15] Im vierten Buch konnte H. S. Jarrett auch einige zugrundeliegende Sanskrit-Quellen identifizieren: Im Kapitel Karma-Vipaka stützt er sich auf Vishveshvara Bhatta.[16] Dieser hatte dazu in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Werk mit dem Titel Madanamahārnava verfasst.[17] Im Kapitel über die Kunstdichtung hat sich Abū 'l-Fazl an den Sahityadarpana (Skr. Spiegel der Komposition)[18] von Vishvanatha Kaviraja (14. Jh.) angelehnt.[19] In den nachfolgenden Ausführungen über Gesang, Musik und Tanz hält er sich an den Samgitaratnakara (Sanskrit „Ozean von Musik und Tanz“)[20] von Sharngadeva (13. Jh.).[21] Für die Rechtspflege allgemein und die Rechte und Pflichten eines Königs im Besonderen greift Abū 'l-Fazl zumindest teilweise auf die Manusmriti zurück.[22] Die Verwendung der oben genannten Werke darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Abū 'l-Fazl, wie er selbst erwähnt, nicht des Sanskrit mächtig und daher auf die Übersetzungen der für ihn arbeitenden Pandits angewiesen war.[23]
Die allgemein gebräuchliche Edition des Ā'īn-i Akbarī stammt von Heinrich Blochmann und ist in Form von Faszikeln seit dem Jahr 1867 im Auftrag der Asiatic Society of Bengal erschienen. Der erste Band war 1872 vollständig und enthielt die Bücher 1 bis 3. Der zweite Band wurde 1877 abgeschlossen und umfasste die verbleibenden Bücher 4 und 5 des Ā'īn-i Akbarī.
Parallel zu seinen Arbeiten an der persischen Edition hatte Blochmann auch eine englische Übersetzung begonnen, die aber aufgrund seines vorzeitigen Todes bereits mit Buch 2 endet. Die Bücher 1 und 2 sind im ersten Band der englischen Übersetzung zusammengefasst, der im Jahre 1873 erschienen ist. Die verbleibenden Bücher übertrug Henry Sullivan Jarrett (1839–1919) ins Englische. Im Auftrag der Asiatic Society of Bengal wurden 1891 Buch 3, im Jahr 1894 die Bücher 4 und 5 veröffentlicht.
Ein Reprint der englischen Übersetzung von Blochmann erschien in einer von D. C. Phillott (1869–1930) überarbeiteten Fassung 1927. Band zwei und drei (mit den Büchern 3 bzw. 4 und 5 des Ā'īn-i Akbarī) wurden von Jadunath Sarkar revidiert, der vor allem die umfangreichen Anmerkungen Jarretts erheblich gekürzt oder auf den neuesten Stand der damaligen Forschung gebracht hat. Es sind diese Neuausgaben der Übersetzungen von Blochmann und Jarrett, die, von verschiedenen Verlagen immer wieder nachgedruckt, heute allgemein verwendet werden.
Blochmann war nicht der erste Europäer, der sich mit dem Ā'īn-i Akbarī befasste. Der jesuitische Missionar Joseph Tiefenthaler nahm längere Passagen aus dem dritten Buch in seiner geographischen Beschreibung Indiens auf, die 1785–1787 in Berlin erschien.[24] Die englische Übertragung von Francis Gladwin (um 1745–1812), Mitbegründer der Asiatic Society of Bengal und Professor für Persisch, ist 1783–1786 in Calcutta erschienen. Diese umfasst einen Großteil des ersten Buches, etwas mehr als die Hälfte von Buch 2 und 3, und etwa ein Viertel von Buch 4.[25]
Eine illustrierte Edition des persischen Textes war bereits 1855/56 von Sayyid Ahmad Khan veröffentlicht worden. Blochmann hat für seine eigene Edition neben verschiedenen Handschriften auch auf diese Lithographie zurückgegriffen. Ahmad Khans Ausgabe ist allerdings erheblich kürzer als die spätere: sie umfasst nicht den geographischen Teil des dritten Buches, der in Blochmanns Edition die Seiten 386 bis 599 ausmacht. Alle Illustrationen in der englische Übersetzung von Blochmann sind Reproduktionen aus der Lithographie von 1855.[26]