Abdikation

Die Abdikation Napoleons

Die Abdikation (von lateinisch abdicare ‚sich lossagen‘), auch Abdankung oder Renunziation genannt, ist der förmliche Verzicht auf ein öffentliches Amt durch den Inhaber, insbesondere der Thronverzicht eines Monarchen. Auch ein Thronprätendent kann in Hinblick auf seinen Thronanspruch abdanken, doch spricht man in diesem Fall von Verzicht.

In der europäischen Geschichte ist die Abdankung von Monarchen – im Gegensatz zur Antike – ein relativ häufiger Vorgang. Meist erfolgte sie unter Zwang durch feindliche Dynastien, den Thronfolger, Bürgerkriege oder (seit dem 19. Jahrhundert) durch Revolutionen.

In Luxemburg und den Niederlanden ist die Abdikation des Monarchen zur Tradition geworden. Der niederländische Monarch gab mit der Abdankung von Königin Beatrix seit der Abdankung Königin Wilhelminas im Jahre 1948 zum dritten Mal in Folge zu Lebzeiten die Königswürde an den Sohn oder die Tochter weiter. Auch Großherzogin Charlotte und Großherzog Jean dankten schon mehrere Jahrzehnte vor ihrem Tod ab. Anders als in Luxemburg und den Niederlanden kamen Abdankungen aus Altersgründen in anderen europäischen Monarchien, wie z. B. Belgien oder Dänemark erstmals 2013 bzw. 2024 vor.[1]

Der abdankende Monarch verzichtet entweder nur für sich selbst, wie Prajadhipok von Thailand 1934, oder auch für seine von der direkten Erbfolge nicht betroffenen Abkömmlinge auf das Amt des Staatsoberhauptes.

Abdikation versus Abdankung

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Während der Begriff der Abdikation in der Geschichts- und Politikwissenschaft eine fest umrissene, formale Bedeutung hat, wird im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort Abdankung wesentlich häufiger verwendet – und heute oft in übertragenem Sinn.

Man spricht von der Abdankung eines Trainers, der sein (zivilrechtlich privates) Amt niederlegt, ebenso wie davon, jemand habe durch sein Verhalten von einer ihm vorher zugeschriebenen führenden Rolle abgedankt.

Wenn in der Politik eine Abdankung oder ein Amtsverzicht nicht auf äußeren Druck erfolgt, sondern aus moralischen Gründen oder durch Scheitern beim Durchsetzen von Ideen, wird ein solcher Rücktritt heute oft als ehrenhaft und mutig empfunden. Bei der früher üblichen Abdikation von Königen und Fürsten war dies eher selten. Ein Beispiel für eine ehrenhafte Abdankung war Heinrich Dusemer im Jahre 1350.

Eine wichtige Streitfrage war einst die Zulässigkeit der Abdikation, wie beim amtsmüden Papst Coelestin V. 1294, bei Königin Christina von Schweden 1654 oder bei Eduard VIII. von Großbritannien 1936.

Andere Fragen traten bei der Abdankung von Monarchen auf äußeren Druck (z. B. durch ein Parlament) auf. So erwog Wilhelm I. 1862 wegen Ablehnung seines Militäretats im preußischen Verfassungskonflikt, zugunsten seines Sohnes abzudanken. Kronprinz Friedrich Wilhelm äußerte jedoch schwere Bedenken: Ein Monarch, der wegen eines Parlamentsbeschlusses abdanke, schaffe einen unerwünschten Präzedenzfall und erschwere die Herrschaft seines Nachfolgers.

Auch Jean-Jacques Burlamaqui hielt die Abdankung eines Monarchen prinzipiell für unwürdig.[2]

In einigen deutschen Fürstentümern erstreckte sich der Begriff der Abdikation im Verlauf der frühen Neuzeit nach zeitgenössischer staatsrechtlicher Auffassung (vgl. Julius Bernhard von Rohr, Friedrich Karl von Moser) auch auf das Ende einer Regentschaft, wie etwa in Hessen.[3]

Umwälzende Abdankungen in Europa

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Die vermutlich umfangreichste Abdankung aller Zeiten fand im November 1918 in Deutschland statt, als Kaiser Wilhelm II., der Kronprinz und – mit Ausnahme des Großherzogs von Hessen, des Königs von Bayern und des Fürsten zu Waldeck-Pyrmont – sämtliche Fürsten der deutschen Teilstaaten abdankten. Beim Kaiser selbst nahm sein letzter Reichskanzler, Max von Baden, die Entscheidung des Monarchen vorweg und informierte die Öffentlichkeit; die formelle Urkunde unterschrieb Wilhelm II. erst drei Wochen später, als die Republik längst ausgerufen war.

In Österreich legte 1848 der kranke und wenig entschlussfreudige Kaiser Ferdinand I. nach der Revolution dieses Jahres auf Anraten seiner Verwandten zu Gunsten seines 18-jährigen Neffen Franz Joseph I. die Regierung nieder, behielt aber seinen persönlichen Kaisertitel. Kaiser Karl I. von Österreich dankte 1918 nicht ab, sondern erklärte lediglich seinen „Verzicht auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“. Der staatsrechtliche Effekt war der gleiche; am Folgetag wurde in Deutschösterreich die Republik ausgerufen.

Ein Beispiel für die Verzichtserklärung eines Thronprätendenten ist diejenige Otto von Habsburgs 1961, um nach Österreich einreisen zu können. Die Einreiseerlaubnis erhielt er erst fünf Jahre später.[4]

Historisch bedeutsame Abdankungen

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Abdankung von Monarchen

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Abdankung von Thronprätendenten

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Abdankung von Päpsten

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  • Susan Richter, Dirk Dirbach (Hrsg.): Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Böhlau, Köln 2010, ISBN 978-3-412-20535-5.
  • Susan Richter (Hrsg.): Entsagte Herrschaft. Mediale Inszenierungen fürstlicher Abdankungen im Europa der Frühneuzeit, Wien/Köln/Weimar 2019, ISBN 978-3-412-51563-8.
  • Lothar Machtan: Die Abdankung: Wie Deutschlands gekrönte Häupter aus der Geschichte fielen. Propyläen Verlag 2008, ISBN 978-3-549-07308-7.
Wiktionary: Abdikation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Abdikation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Nächster Royal will abdanken – aber das Datum hält er geheim. 17. April 2024, abgerufen am 26. April 2024.
  2. Viktor Cathrein SJ: Moralphilosophie. Eine wissenschaftliche Darlegung der sittlichen, einschließlich der rechtlichen Ordnung. 2 Bände, 5., neu durchgearbeitete Auflage. Herder, Freiburg im Breisgau 1911, Band 2, S. 692 f. (Abdankung).
  3. Pauline Puppel: Die Regentin: Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500–1700, (überarbeitete Version Phil. Diss. Universität Kassel 2002/03) Campus Verlag: Kassel 2004, ISBN 978-3-593-37480-2, S. 135 ff.
  4. Der Spiegel 29/1961; spiegel.de: Einmarsch verschoben. Nach der Nationalratswahl am 6. März 1966 endete Österreichs schwarz-rote (= große) Koalition. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) gab ihm sechs Wochen nach der Machtübernahme, worum Otto jahrelang vergebens prozessiert hatte: einen auch für Österreich gültigen Reisepass.
  5. Vasile Stoica: The Roumanian Question: The Roumanians and their Lands. Pittsburgh Printing Company, Pittsburgh 1919, S. 70 (wdl.org).