Nach dem Studium reiste er ab 1850 als Schiffsarzt nach Australien, Peru, in die Karibik, nach Mexiko, Indien und Afrika. 1858 kehrte er nach Bremen zurück und beschrieb seine Reiseerlebnisse. 1860 erschien das dreibändige Werk Der Mensch in der Geschichte, das seinen Ruf als erster deutscher Ethnologe, der systematische Untersuchungen im Feld betrieb, begründete. 1861 reiste er nach Süd- und Ostasien. 1863 entschlüsselte er als erster die mythologischen Wurzeln von Angkor. Bastian entdeckte das längste Relief der Welt, das einen indischen Schöpfungsmythos veranschaulicht, den Milchozean, sowie ein mit Symbolen indischer Götter verziertes Flussbett. Er folgerte, dass Hindus, nicht Buddhisten, den Grundstein für diese Bauten legten.[3] 1875/76 erfolgte der zweite Lateinamerika-Aufenthalt, der Bastian nach Chile, Peru, Ecuador, Kolumbien und Puerto Rico führte. In Chile hoffte er auf ein archäologisches oder ethnologisches Museum. Diese Pläne ließen sich jedoch nicht realisieren.[4]
Bastian verfasste mehr als 80 Bücher und über 300 Artikel, insgesamt verbrachte er mehr als 25 Jahre auf Reisen. Darüber hinaus fand er Gelegenheit, einige (bis heute bestehende) wissenschaftliche Institutionen zu gründen.
Adolf Bastian starb 1905 im Alter von 78 Jahren und wurde auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg beigesetzt. Im Zuge der von den Nationalsozialisten durchgeführten Einebnungen auf dem Friedhof in den Jahren 1938/1939 wurden Bastians sterbliche Überreste auf den Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin (Block Trinitatis) umgebettet.[7] Seine dortige Grabstätte ist als Ehrengrab der Stadt Berlin gewidmet.
Bastian betonte in seinem theoretischen Werk die Idee von „Elementargedanken“, welche den ursprünglichen Denkleistungen der Menschen in Wechselwirkungen mit der Umwelt entsprechen, beruhend auf überall auf der Welt gleichen Denkleistungen und der Einheit der Menschen und des menschlichen Geistes. Die Vielfalt der menschlichen Kulturen führt er sowohl auf eine Anpassung an die Umwelt als auch auf eine individuelle, historische Entwicklung (siehe hierzu seinen Ansatz der „geographischen Provinzen“). Diese Kulturen nennt er „Völkergedanken“. Ähnlichkeiten werden auf die „Elementargedanken“ zurückgeführt. Diese können nur mehr rekonstruiert werden, da sie nicht mehr existieren. Der Ansatz der „Elementargedanken“ wurde später von manchen Richtungen der kognitiven Anthropologie weitergeführt. Forschende, welche sich mit den „Kulturuniversalien“ auseinandersetzen, zitieren Bastian als Pionier dieser Forschungsrichtung. Bastian lässt sich weder als Evolutionist noch als Diffusionist einordnen, da er sowohl Erfindungen wie auch Entlehnungen als Mechanismen der kulturellen Entwicklung anerkennt. Er war ein erklärter Feind der Deszendenztheorie als Teil der Evolutionstheorie von Charles Darwin, aber er plädierte in seinem Werk für eine interdisziplinäre Herangehensweise und meinte, man müsse aus diesem Grund Ansätze aus anderen Disziplinen, also auch die von Darwin, berücksichtigen. Diese betrachtete er aber nicht als Aufgabe der Ethnologie. Oft wurde Bastian von diffusionistisch arbeitenden Wissenschaftlern wie Friedrich Ratzel oder Wilhelm Schmidt, der hier sehr dogmatisch war, angefeindet, da er sich nicht in eine Richtung einordnen ließ.
Man hat ihn in einer Linie mit aufgeklärten und romantischen Denkern wie Giambattista Vico, Johann Gottfried Herder und Wilhelm von Humboldt gesehen. Bastian wurde oft wegen seiner interdisziplineren Vorgangsweise vorgeworfen, einen naturwissenschaftlichen Ansatz zu verfolgen, aber man hat ihn dennoch oft nachträglich in die geisteswissenschaftlich inspirierte und geschichtsbewusste Tradition der Ethnologie eingeordnet. Diese eindeutige Zuordnung fällt in seinem Fall schwer, weil er um größte Wissenschaftlichkeit und Offenheit gegenüber den Ansätzen anderer Disziplinen bemüht war.
Insgesamt scheinen sein vielschichtiges Werk und die manchmal flüchtig erscheinenden Formulierungen einer ihm angemessenen Rezeption bis heute im Wege gestanden zu haben. Carl Gustav Jung entwickelte Bastians Idee der „Elementargedanken“ weiter zu den „Archetypen“ und in Frankreich beruft sich Claude Lévi-Strauss in Zusammenhang mit den „elementaren Strukturen“ im Strukturalismus auf ihn.
Der Mensch in der Geschichte. Zur Begründung einer Psychologischen Weltanschauung. 1. Bd. Die Psychologie als Naturwissenschaft. 2. Bd. Psychologie und Mythologie. 3. Bd. Politische Psychologie. Verlag von Otto Wigand, Leipzig 1860 (Digitalisate: I, II, III)
Die Völker des östlichen Asien. 6 Bände, Jena 1866–1871 (Digitalisate: I, II, III, IV, V, VI)
Das Beständige in den Menschenrassen und die Spielweite ihrer Veränderlichkeit. Berlin 1868
Beiträge zur vergleichenden Psychologie. Berlin 1868 (Digitalisat)
Marie-France Chevron: Anpassung und Entwicklung in Evolution und Kulturwandel. Erkenntnisse aus der Wissenschaftsgeschichte für die Forschung der Gegenwart und eine Erinnerung an das Werk A. Bastians. LIT-Verlag, Berlin/Münster 2004, ISBN 3-8258-6817-6, auch E-Book 2020 https://ubdata.univie.ac.at/AC15633739.
Jutta E. Bellers: Der junge Adolf Bastian, 1826 bis 1860. Auf dem Weg zu einer neuen Wissenschaft vom Menschen. Peter Lang, Frankfurt 2014, ISBN 978-3-653-04919-0.
Manuela Fischer, Peter Bolz und Susan Kamel (Hrsg.): Adolf Bastian and his universal archive of humanity. The origins of German anthropology. Georg Olms Verlag, Hildesheim/Zürich/New York 2007, ISBN 978-3-487-13307-2.
Klaus Peter Köpping: Adolf Bastian and the Psychic Unity of Mankind. The Foundations of Anthropology in Nineteenth Century Germany. LIT, Münster 2005, ISBN 978-3-8258-3989-5.
Klaus Peter Buchheit: Die Verkettung der Dinge. Stil und Diagnose im Schreiben Adolf Bastians. Lit Verlag, Münster 2005 (Katalog HeiDOK, PDF verfügbar).
Annemarie Fiedermutz-Laun: Adolf Bastian und die Begründung der deutschen Ethnologie im 19. Jahrhundert. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte. Nummer 9, 1986, S. 167–181.
Wilhelm Seidensticker: Bastian, Philipp Wilhelm Adolf. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 1, 1977, Sp. 1324–1327.
Annemarie Fiedermutz-Laun: Der kulturhistorische Gedanke bei Adolf Bastian. Systematisierung und Darstellung der Theorie und Methode mit dem Versuch einer Bewertung des kulturhistorischen Gehaltes auf dieser Grundlage. F. Steiner, Wiesbaden 1970, ISBN 3-515-00865-9.
↑Andreas Sawall: Atlantis: Das Mysterium von Angkor, ZDF/arte-Sendung vom 14. Juli 2012.
↑Thilo Stumpf: Deutsche Ärzte als Forschungsreisende im Lateinamerika des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg, Dissertation Institut für Geschichte der Medizin Universität Heidelberg, Betreuer Wolfgang U. Eckart, 2000, S. 125–130.
↑Katja Geisenhainer: Ein unstillbarer Hang zu reisen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. November 2023, S. 10.
↑Sebastian-Manès Sprute: Dislokation des kamerunischen Kulturerbes in Zahlen. In: Assilkinga, Mikaél et al. (Hrsg.): Atlas der Abwesenheit: Kameruns Kulturerbe in Deutschland. Reimer Verlag, Heidelberg 2023, ISBN 978-3-496-01700-4, S.48.
↑Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Grabstätten. Haude & Spener, Berlin 2006. S. 299, 465.