Im Ersten Weltkrieg diente er zuerst an der Ostfront als Krankenpfleger. 1915 kam er mit einer deutschen Sanitätsexpedition in das Osmanische Reich. 1916 war er unter FeldmarschallColmar Freiherr von der Goltz in Ost-Anatolien tätig. Er erlebte und bezeugte die Vertreibung und den Völkermord an den Armeniern durch die Türken. Bis heute bedeutend ist, dass Armin T. Wegner nicht nur Augenzeuge war, sondern das Geschehen auch fotografisch und literarisch festhielt.[3][4] Er intervenierte in dieser Angelegenheit auch bei der deutschen Regierung und beim US-Präsidenten (Offener Brief an den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Woodrow Wilson, über die Austreibung des armenischen Volkes in die mesopotamische Wüste). Seine Hoffnung, die kaiserliche Diplomatie würde Einfluss auf die Verbündeten am Bosporus nehmen, wurde ebenso enttäuscht wie die Erwartung nach 1918, die Sieger würden sich für das armenische Volk einsetzen. Dennoch gelten Wegners Fotografien auch heute noch als die wichtigsten Bildbeweise für den Genozid am armenischen Volk.[5] „Das unvorstellbare Ausmaß aber und der politische Wille, der hinter dem Genozid an den Armeniern im zerfallenden Osmanischen Reich stand, machen aus diesen Dokumenten Schätze von einmaligem Wert“, schreibt etwa der Fotopublizist Ralf Hanselle. „Wegner […] ging es um das Sammeln und Festhalten von Beweismitteln. Auf seinen Bildern sticht all das ins Auge, was das 20. Jahrhundert der Nachwelt seit langem ins fotografische Gedächtnis eingebrannt hat: Die unterlegenen Körper und die sprechenden Blicke, die Ordnung der Macht und die Ohnmacht des Individuums“.[6] Wegner hielt 1919 in der Berliner Urania einen Dia-Vortrag, in dem er auch die eigenen Bilder zeigte; den Vortrag hielt er später auch in Breslau und 1924 noch in Wien. Sein Vorhaben, zu dem Geschehen einen Roman zu schreiben, blieb in Entwürfen stecken, auch bedingt durch die Publikation von Teilen aus Franz Werfels Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh im Jahr 1932.
Nach dem Ersten Weltkrieg nahm Wegner seine Tätigkeit als Reiseschriftsteller wieder auf. Daneben betätigte er sich als aktiver Pazifist. 1919 war er aktiv an der Gründung des Bundes der Kriegsdienstgegner (BdK) beteiligt, der sich ab 1921 international mit anderen Pazifisten, Antimilitaristen und Kriegsdienstgegnern in der War Resisters’ International (WRI) organisierte. 1922 ist dokumentiert[7], dass die Privatadresse von Armin T. Wegner in Neuglobsow als BdK-Hauptgeschäftsstelle „für das Reich“ diente und er auch mit seinem Namen für das BdK-Bankkonto verantwortlich war. Im BdK gab es eine Zusammenarbeit mit Helene Stöcker.
Im November 1920 heiratete Wegner die jüdische Schriftstellerin Lola Landau und lebte mit ihr bis 1933 in dem von ihnen so genannten „Haus Sieben Wälder“[8] in Neuglobsow am Stechlin. Wegner schrieb über das Haus:
„Zwei Monate später ziehen wir in das einsame Landhaus in den Wäldern am Stechlin. […] Von den Zimmern des Hauses sieht man nichts als einige Felder, über deren sanft ansteigende Hügel der Wald wie eine Schar von Speerträgern heraufkommt. Wälder, Wälder, Wälder. Weithin über viele Meilen erstrecken sie sich. Hier begegnen sich Kiefer, Buchen, Eichen und Tannen im Forst und streiten sich um die Ufer des Sees. An den Wiesen sammeln sich die Birken, die ewigen Jungfrauen, und die schwarzen Zwerge des Wacholders kauern im Schatten. Von Norden, Süden, Osten und Westen drängen die Massen herauf, und darum haben wir unser Haus »Haus Sieben Wälder« genannt, weil es die sieben Wälder des Lebens sind, die wir durchwandern mußten, um an seine Schwelle zu kommen.“
– Armin T. Wegner: Der schwarze und der weiße Wald, in ders.: Am Kreuzweg der Welten, Ost-Berlin, 1982, S. 242f.
Im April 1923 wurde die Tochter Sibylle Anusch geboren. Die Ehe wurde nach Lola Landaus Entscheidung für den Zionismus und ihrer Übersiedelung nach Palästina 1939 geschieden.
1927/28 unternahm Wegner eine Reise in die Sowjetunion. Sein daraufhin erschienenes Buch Fünf Finger über Dir ist ein Dokument des Ringens um eine angemessene Haltung gegenüber Kommunismus und politischer Gewalt.
Eine weitere Reise führten Wegner und seine Frau im Winter und Frühjahr 1928/29 vom Kaspischen Meer zum Nil. „Nachdem er die erste Strecke von Persien mit einem Junkers-Flugzeug erkundet und See Genezareth und Jordan mit einem Klepperfaltboot durchquert hatte, gelangte er um Ostern 1929 mit seinem Beiwagen-Motorrad nach Beth Sera.“[9] Beth Sera war ein von deutschen Juden gegründeter Kibbuz im Jordantal, dem Wegner ein Kapitel in seinem Buch Am Kreuzweg der Welten widmete. Das Kapitel trägt den Titel Die Saat der Erde und nimmt damit Bezug zum Namen des Kibbuz; Beth Sera heißt übersetzt Saathaus.
Am 11. April 1933 schrieb Wegner einen Offenen Brief „Die Warnung – Sendschreiben an den deutschen Reichskanzler Adolf Hitler“, in dem er gegen die Judenverfolgungen protestierte. Mit erstaunlich prophetischem Weitblick warnte er ihn vor den späteren Folgen: „… die Schmach und das Unglück aber, die Deutschland dadurch zuteil wurden, werden für lange Zeit nicht vergessen sein … wenn einmal die Städte zertrümmert liegen, die Geschlechter verbluteten … Mit Scham und Verachtung werden sie von den Geschlechtern künden, die nicht nur das Glück des Landes leichtfertig auf das Spiel setzten, sondern auch sein Andenken für immer geschändet haben!“ Wegner sandte den Brief an das „Braune Haus“ in München, mit der Bitte um Übergabe an Hitler. Der Eingang wurde ihm vom damaligen Büroleiter Martin Bormann schriftlich bestätigt. Ob der Brief Hitler überhaupt zur Kenntnis gebracht wurde, ist nicht bekannt. Eine Veröffentlichung erfolgte erst 20 Jahre später in der Stuttgarter Zeitung am 1. April 1953.
Ab 1940 lebte er in Italien mit der Künstlerin Irene Kowaliska[10] zusammen, die er verfolgungsbedingt erst 1945 heiraten konnte. Schon 1941 war der Sohn Michael zur Welt gekommen. Zwischen 1941 und 1943 war Wegner als Lehrer für deutsche Sprache und Literatur an der Hochschule in Padua beschäftigt. Anschließend lebte er als freier Schriftsteller abwechselnd in Rom und auf der Insel Stromboli. 1954 erwarb er dort eine ehemalige Windmühle und baute diese zu einem Wohnhaus „Zu den Sieben Winden“ („Torre dei Sette Venti“, Via Regina Elena, 98050 Stromboli) aus. Im Besucherzimmer hing der Spruch an der Wand: „Dilexi iustitiam et odivi iniquitatem, propterea morior in exilio“ – „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehaßt, deshalb sterbe ich im Exil.“ Dies wurde später Wegners Grabinschrift.
Auf dem ersten deutschen Schriftstellerkongress nach dem Krieg 1947 in Berlin zählte man den vermeintlich verschollenen Wegner zu den während des Nationalsozialismus umgekommenen Schriftstellern.[11]
„Wegners Wahrheit, die er nicht müde wurde niederzuschreiben, war der apodiktische Satz: Katastrophen im menschlichen Miteinander sind Resultat einer Mangelsituation – des Mangels an Kommunikation, an Zuwendung, an Liebe.“
In Deutschland existiert seit 2002 die Armin-T.-Wegner-Gesellschaft mit Sitz in Wuppertal. 2003 wurde in Los Angeles ihre US-Schwestergesellschaft, die Armin T. Wegner Society of USA, gegründet. Sie vergibt seither zusammen mit der Arpa Foundation for Film, Music and Art (AFFMA) alljährlich den Armin T. Wegner Humanitarian Award, einen Zivilcourage- und Menschenrechtspreis für Filmschaffende.[13][14]
Der Weg ohne Heimkehr. Ein Martyrium in Briefen. Berlin 1919; 2. Aufl. Dresden 1920 (Digitalisat im Internet Archive)
Offener Brief an US-Präsident Woodrow Wilson bezüglich des Völkermords an den Armeniern, erschienen im „Berliner Tageblatt“ vom 23. Februar 1919 (Volltext bei musenblaetter.de)
Im Hause der Glückseligkeit. Aufzeichnungen aus der Türkei. „Geschrieben auf türkischer Erde in den Jahren 1915/16“, Dresden 1920
Das jüdische und das preussische Ghetto. Über die Lehre von Mittelpunkt und Kreis in der menschlichen Gesellschaft. Sonderdruck aus: Eckart Okt.–Dez. 1955
Singe, damit es vorüber geht! In: Dortmunder Vorträge, Heft 79
Zwischen 1956 und 1974 erschienen keine Werke von Armin T. Wegner im Druck.
Fällst du, umarme auch die Erde oder Der Mann, der an das Wort glaubt. Prosa – Lyrik – Dokumente. Ausgewählte Werke. Wuppertal 1974, ISBN 3-87294-059-7
Am Kreuzweg der Welten. Lyrik, Prosa, Briefe, Autobiographisches. Buchverlag Der Morgen, Berlin (Ost), 1982
Thomas Hartwig (Hrsg.): „Welt vorbei“. Abschied von den sieben Wäldern. Die KZ-Briefe 1933/1934 (Briefwechsel zwischen Armin T. Wegner und Lola Landau, aus dem Nachlass herausgegeben). Das Arsenal, Berlin 1999, ISBN 3-931109-14-3
Brief an Hitler. Dreisprachig. Vorwort von Wolfgang Thierse, Wuppertal 2002, ISBN 3-87294-910-1 (deutsch auch in: Verbannung. Aufzeichnungen deutscher Schriftsteller im Exil. Christian Wegner, Hamburg 1964, S. 21–24)
Andreas Meier (Hrsg.): Die Austreibung des armenischen Volkes in die Wüste. Ein Lichtbildervortrag. Augenzeugenbericht/Dokumentation (215 S., 103 Abb.), mit einem Vorwort von Wolfgang Gust. Wallstein, Göttingen 2011, ISBN 978-3-89244-800-6
Jörg Deuter: Armin T. Wegner – Die Italienreisen und das italienische Exil. In: ders.: Festschrift Matthias Koeppel zum 85. Geburtstag. Buchholz 2022, ISBN 978-3-933077-66-0, S. 29–56.
Thomas Hartwig: Die Armenierin. Dokumentarischer Roman über Armin T. Wegners Erlebnisse in Konstantinopel und Anatolien. SALON LiteraturVERLAG, München 2014, ISBN 978-3-939321-56-9.
Reinhard M. G. Nickisch: Armin T. Wegner. Ein Dichter gegen die Macht. Grundlinien einer Biographie des Expressionisten und Weltreporters Armin T. Wegner (1886–1978). Hammer, Wuppertal 1982, ISBN 3-87294-191-7.
Martin Rooney: Leben und Werk Armin T. Wegners (1886–1978) im Kontext der sozio-politischen und kulturellen Entwicklungen in Deutschland. Haag und Herchen, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-88129-824-X (zugleich: Bremen, Univ., Diss., 1982).
Martin Tamcke: Armin T. Wegner und die Armenier. Anspruch und Wirklichkeit eines Augenzeugen. Cuvillier, Göttingen 1993; Lit-Verlag, Hamburg 1996, ISBN 3-8258-2803-4 (= Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte, 2).
Martin Tamcke: Armin T. Wegners erste Zeugnisse zum Völkermord an den Armeniern in seinem Vortrag „Mit dem Stabe des Feldmarschalls von der Golz in Mesopotamien“. In: Koexistenz und Konfrontation. Beiträge zur jüngeren Geschichte und Gegenwartslage der orientalischen Christen (= Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte, 28). Lit, Münster 2003, S. 319–366 (enthält den Erstdruck des Vortrags von 1918; Buchvorschau bei Google Books).
Martin Tamcke: Leben im Zwiespalt. Anmerkungen zu Armin T. Wegners Armenienreise 1927. In: Armenologie in Deutschland. Beiträge zum Ersten Deutschen Armenologen-Tag (= Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte, 32). Lit, Münster 2005, S. 201–217 (Buchvorschau bei Google Books).
Johanna Wernicke-Rothmayer[17]: Armin T. Wegner. Gesellschaftserfahrung und literarisches Werk. Lang, Frankfurt am Main u. a. 1982, ISBN 3-8204-5789-5, (Europäische Hochschulschriften 1, 503), (Zugleich: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1979).
Johanna Wernicke-Rothmayer (Hrsg.): Armin T. Wegner. Schriftsteller, Reisender, Menschenrechtsaktivist. Wallstein, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0994-4.
Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. Saur, München 1983, ISBN 3-598-10089-2, S. 1213.
Armin T. Wegner, Biografie und Nachlass im Portal rheinische-literaturnachlaesse.de
Rolf Hosfeld: Retourbillet nach Elysium. (PDF; 164 kB) Armin T. Wegner am Stechlinsee. In: FAZ-Magazin. April 1988, archiviert vom Original am 22. Februar 2014; abgerufen am 26. Juli 2017.
Rolf Hosfeld: Wege, mit Knochen besät. (PDF; 109 kB) Armin T. Wegner in Eriwan. In: Die Woche. Mai 1996, archiviert vom Original am 22. Februar 2014; abgerufen am 26. Juli 2017.
↑Rundbrief der Armin T. Wegner Gesellschaft, Nr. 29, Dezember 2020, S. 23–26 (Digitalisat). Vgl. Sylvia Schraut: Bürgerinnen im Kaiserreich. Biografie eines Lebensstils, Kohlhammer, Stuttgart 2013
↑Dissertation: Der Streik im Strafrecht unter besonderer Berücksichtigung des Vorentwurfs.
↑so bei: Alfred Kantorowicz, Richard Drews: „Verboten und verbrannt“. Deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt. Ullstein / Kindler, Berlin / München 1947, S. 167.
↑Die Reise wurde im Auftrag des Volksverbandes der Bücherfreunde im Winter und Frühjahr 1928/1929 durchgeführt, siehe Am Kreuzweg der Welten, Ausgabe 1930, Angabe Seite 382