Abraham Brauner war Sohn des jüdischen Holzgroßhändlers Moshe Brauner und seiner Frau Brana. Sein Vater stammte aus Kattowitz, die Mutter aus Odessa. Er hatte vier Geschwister. Sein 1923 geborener Bruder Wolf Brauner war ebenfalls Filmproduzent.[1] In Łódź machte er sein Abitur. Bereits in seiner Jugend interessierte er sich für den Film. Mit jungen Zionisten reiste er 1936 in den Nahen Osten, wo die Gruppe zwei Dokumentarfilme drehte. Danach studierte er bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges am Polytechnikum Łódź.
Mit seinen Eltern und Geschwistern flüchtete er 1940 vor der Ghettoisierung der Łódźer Juden in die Sowjetunion, wo er die deutsche Besetzung nach 1941 unerkannt überlebte. Nach Brauners Angaben fielen 49 seiner jüdischen Verwandten dem Holocaust zum Opfer. Seine Eltern und drei seiner Geschwister wanderten nach Israel aus.
Nach vorübergehenden Plänen, in die USA auszuwandern, kam Abraham Brauner, genannt Artur „Atze“ Brauner, nach Westdeutschland bzw. West-Berlin. Er wurde Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern und lebte mit seiner Frau Theresa Albert, genannt Maria, einer ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin, die er am 28. Februar 1947 heiratete, in Berlin-Grunewald. Eines seiner Kinder ist die Journalistin und Filmproduzentin Alice Brauner.[2] Die Schauspielerin und Sängerin Sharon Brauner ist seine Nichte.[3]
Nach seiner Ankunft in Deutschland beantragte Brauner eine Filmproduktions-Lizenz und gründete am 16. September 1946, unterstützt von Verwandten und Freunden, in Berlin die Central Cinema Compagnie (CCC-Film) und wurde Filmproduzent. 1949 baute er seine Studios auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Spandau in Berlin-Haselhorst auf, in denen seit den ersten Dreharbeiten, im Februar 1950 für Maharadscha wider Willen, über 500 Filme, die Hälfte davon eigene Produktionen, entstanden. Viele von Brauners Filmen entstanden in dieser Zeit in Zusammenarbeit mit der Filmverleiherin und -produzentin Ilse Kubaschewski.[4]
Noch während des Zweiten Weltkrieges hatte er sich einen Schwur geleistet: „Wenn ich überlebe, muss ich die Opfer lebendig machen.“ Von Anfang an engagierte Brauner sich im demokratischen Aufbau Deutschlands und versuchte, an die Verfolgung der Juden zu erinnern. 1961 setzte er 10.000 Mark Belohnung für „vertrauliche Informationen“ aus, die „dazu führen, dass der KZ-Arzt Josef Mengele ergriffen und vor ein ordentliches Gericht gestellt werden kann.“[9]
Auch in seinen Filmen ging es ihm darum, die deutsche NS-Vergangenheit aufzuarbeiten. Sein erster Film hieß Sag die Wahrheit. Der autobiographische Film Morituri (1948), den er mit Unterstützung der sowjetischen Militärbehörden produzierte, wurde ein Misserfolg. Im Rahmen der weitgehenden Verdrängung der Nazizeit in der unmittelbaren Nachkriegszeit zeigte das deutsche Publikum mehrheitlich Desinteresse an dem Film, der sich mit dem Schicksal verfolgter Juden beschäftigte. Vielmehr wurden teils die Scheiben von Kinos, die diesen Film zeigten, eingeschlagen. Letztlich entschied man, den Film aus dem Programm zu nehmen. In den folgenden Jahren setzte Brauner deshalb mehr auf Unterhaltungsfilme, die dem Publikumsgeschmack entsprachen. Sein Konkurrent und ehemaliger Angestellter Horst Wendlandt sicherte sich die Verfilmungsrechte der Karl-May-Western-Stoffe und die Rechte an den Edgar-Wallace-Büchern vor Brauner, der sich in der Folge Rechte an Werken von Bryan Edgar Wallace, dem Sohn von Edgar Wallace, und den Karl-May-Büchern nach den Orientstoffen sicherte.
Nach eigener Aussage mischte Brauner sich in die Arbeit eines Regisseurs nicht ein. Nur wenn die täglichen Kopien Mängel aufgewiesen hätten, habe er sich eingemischt.[10] Allerdings scheute sich Brauner nicht, notfalls den Regisseur mitten in den Dreharbeiten auszutauschen, wie beim Karl-May-Film Durchs wilde Kurdistan (1965) mit Franz Josef Gottlieb geschehen, der den Drehplan in Spanien völlig überzogen hatte. Brauners Vertragsverhandlungen mit Schauspielern und anderen Filmschaffenden waren berüchtigt. So verpflichtete er zum Beispiel den US-amerikanischen Schauspieler Lex Barker für einen Karl-May-Film (wieder: Durchs wilde Kurdistan) und drehte dann mit ihm gleich zwei Filme (auch die Fortsetzung Im Reiche des silbernen Löwen), wollte Barker aber nur für einen Film bezahlen. Barker verlangte daraufhin in einem Gerichtsprozess eine Nachzahlung von 100.000 Mark und gewann den Prozess.
Das Mitte der 1960er Jahre in Deutschland einsetzende Kinosterben traf die CCC-Studios empfindlich. Die bearbeiteten Themen, die bisher dem Publikumsgeschmack entsprachen, waren immer weniger gefragt. Auch mit den Problemen von „Opas Kino“ und dem Aufkommen des Neuen deutschen Films geriet Brauners Filmproduktion in den 1970er-Jahren in erhebliche Schwierigkeiten. Eine neue Strategie, das Publikum wieder zu gewinnen, musste her. Brauner überwand diese Schwierigkeiten. Zugleich zeigte sich bei Brauner in dieser Zeit die Konzentration auf die Produktion von Filmen, die sich mit dem NS-Regime auseinandersetzten. In den Mittelpunkt rückte er dabei immer wieder Menschen, die als Juden den Verfolgungen der Nationalsozialisten ausgesetzt waren: Charlotte, Die weiße Rose, Zeugin aus der Hölle, Eine Liebe in Deutschland, Hitlerjunge Salomon. Letzterer Film wurde in den USA mit einem Golden Globe ausgezeichnet.
Artur Brauner verfolgte dabei eine besondere Geschäftsstrategie. Das Geld aus der Produktion und dem Verkauf von Unterhaltungsfilmen setzte er ein, um Filme, die Themen der Auseinandersetzung mit dem NS-Regime zum Gegenstand hatten, überhaupt herstellen zu können. Diese Themen lagen ihm, auch aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen aus jenen Jahren, besonders am Herzen. Aber es war eher schwierig, damit Geld zu verdienen. Eine Schlüsselrolle nimmt hier der 1965 gedrehte Film Zeugin aus der Hölle ein. Regie führte Žika Mitrović. Gegenstand des Filmes ist es, die Auswirkungen des Holocaust auf die überlebenden Opfer zu zeigen.
Brauner eröffnete 1999 in Berlin das 4-Sterne-Hotel Hollywood Media Hotel Berlin am Kurfürstendamm. Außerdem gehörte ihm das Holiday Inn Berlin Mitte in Gesundbrunnen. Im Jahr 2004 geriet Brauners Immobilienfirma vorübergehend in finanzielle Schwierigkeiten, da die krisengebeutelte Cinemaxx-Gruppe Mietzahlungen hinausgezögert hatte.[15][16][17] Laut verschiedener Berichte aus dem Jahr 2018 verlangte der Fiskus von Brauner Schuldenzahlungen in Höhe von rund 73 Millionen Euro.[18]
Brauner produzierte etwa 500 Filme, viele davon für Fernsehanstalten. Er erhielt zwei Golden Globes, einen Oscar als Coproduzent und 2003 bei den Filmfestspielen BerlinDie Berlinale Kamera für sein Lebenswerk.
Im Jahr 1991 wurde die Artur-Brauner-Stiftung gegründet: Zweck ist die Förderung der Verständigung zwischen Juden und Christen sowie der Toleranz zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen, Kulturkreise, Hautfarben und gesellschaftlicher oder ethnischer Herkunft. Sie unterstützt Filmproduzenten, die sich diesen Themen widmen, durch jährliche Vergabe des Artur-Brauner-Filmpreises in Höhe von 25.000 Euro.[19]
Im August 2007 wurde Artur Brauner in Berlin, auf Vorschlag von Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, zum ordentlichen Ehrenmitglied der Europäischen Kulturwerkstatt (EKW) Berlin-Wien ernannt.
Yad Vashem ehrt Brauner seit 2009, indem 21 seiner Produktionen, die einen Bezug zur Schoah aufweisen, ständig in der Gedenkstätte gezeigt werden, beispielsweise Charlotte, Die weiße Rose, Der 20. Juli oder Mensch und Bestie. Der so Geehrte bezeichnete diese Vorführungen als „Krönung meines Filmschaffens“. Im März 2010 wurde dort eine eigene Mediathek für seine Filme eingerichtet.
Im August 2017 starb seine Ehefrau Maria, mit der er seit 1946 verheiratet gewesen war, mit 92 Jahren.[20][21] Sie war für ihr soziales Engagement in Berlin bekannt. In über 60 Jahren kümmerte sie sich um die Jüdische Gemeinde Berlin, insbesondere die jüdischen Senioren; sie war Patientenfürsprecherin im Jüdischen Krankenhaus.[22][23]
Artur Brauner starb nach einem Schwächeanfall im Juli 2019 im Alter von 100 Jahren in Berlin. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Jüdischen Friedhof Heerstraße in der Ehrenreihe.[24][25]
Artur Brauner: Mich gibt’s nur einmal. Herbig, München / Berlin 1976, ISBN 3-596-21945-0 (Fischer-TB 1982).
Claudia Dillmann-Kühn: Artur Brauner und die CCC. Filmgeschäft, Produktionsalltag, Studiogeschichte 1946–1990. Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-88799-034-X.
Wolfgang Bittner, Mark vom Hofe (Hrsg.): Man muss den Film lieben. Artur Brauner. In: Ich bin ein öffentlicher Mensch geworden. Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen. Bad Honnef 2009, ISBN 978-3-89502-277-7.
Frank Blum: Artur Brauner, Filmproduzent. Leben und Werk. Köln 2012, ISBN 978-3-00-025216-7.
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 1: A – C. Erik Aaes – Jack Carson. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 536 ff.
Alice Brauner: „Also dann in Berlin...“ Artur und Maria Brauner. Eine Geschichte vom Überleben, von großem Kino und der Macht der Liebe. S. FISCHER, Frankfurt am Main 2021, ISBN 978-3-10-397060-9.
Jonathan Schilling: Zum Umgang mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung im Film der Nachkriegszeit. Die Auseinandersetzungen umLiebling der Götter(1960) als Beispiel, in: Historisches Jahrbuch, 143. Jg., 2023, S. 330–353.
Ein Leben für die Traumfabrik. Porträt des Filmproduzenten Artur Brauner. Dokumentation von Michael Strauven, Deutschland 1998, NDR, 90 Min.
Ihn gibt’s nur einmal – Artur Brauner. Dokumentarfilm von Wolfgang Dresler, Deutschland 1994, Deutsche Welle, 35 Minuten.
Rosas Welt. Kurzfilm-Portrait über die Familie Brauner von Rosa von Praunheim in dem Film, der aus 70 Kurzfilmen besteht. 2012.
Der Unerschrockene: Der Berliner Filmproduzent Artur Brauner. TV-Dokumentarfilm von Kathrin Anderson und Oliver Schwehm, Deutschland 2018, 59 Minuten; Erstsendung am 1. August 2018 auf arte.
↑Michael Kamp: Glanz und Gloria. Das Leben der Grande Dame des deutschen Films Ilse Kubaschewski. 1907 – 2001. August Dreesbach Verlag, München 2017, ISBN 978-3-944334-58-5, S. 131ff, 141, 147, 150, 173, 182f, 195, 216f, 219ff, 224, 282.
↑Harry Balkow-Gölitzer: Eine noble Adresse: Prominente in Berlin-Dahlem und ihre Geschichte. be.bra verlag, 2014, ISBN 978-3-8393-4115-5 (google.de [abgerufen am 12. November 2019]).
↑David SANSON: Berlin: Histoire, promenades, anthologie dictionnaire. Groupe Robert Laffont, 2014, ISBN 978-2-221-15673-5 (google.de [abgerufen am 12. November 2019]).
↑Ein Leben für die Traumfabrik. Dokumentarfilm zum 80. Geburtstag. D 1998, Regie Michael Strauven (unter gleichem Inhalt aus Anlass des 90. Geburtstags vom NDR wieder ausgestrahlt)
↑»Gegen das Vergessen«. Artur Brauner erhält für sein Lebenswerk den Marler Medienpreis für Menschenrechte. In: Jüdische Allgemeine, 16. Oktober 2017, abgerufen am 16. Oktober 2017.