Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Freiname | Bendamustin | |||||||||||||||||||||
Andere Namen |
4-[5-[Bis(2-chlorethyl)amino]-1-methylbenzimidazol-2-yl]butansäure | |||||||||||||||||||||
Summenformel | C16H21Cl2N3O2 | |||||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | ||||||||||||||||||||||
ATC-Code | ||||||||||||||||||||||
Wirkstoffklasse | ||||||||||||||||||||||
Wirkmechanismus | ||||||||||||||||||||||
Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 358,26 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Löslichkeit |
12,5 g·L−1 in Wasser (20 °C)[1] | |||||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
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Toxikologische Daten | ||||||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Bendamustin ist ein antitumorales Chemotherapeutikum aus der Gruppe der Alkylanzien. Innerhalb der Alkylanzien gehört es, neben Chlorambucil und Melphalan, zur Gruppe der N-Lost- oder auch Stickstoff-Lost-Derivate, die bereits im Ersten Weltkrieg als chemische Kampfstoffe bekannt waren. Haupteinsatzbereich ist die Hämatologie.
Bendamustin wurde in den 1960er Jahren am Institut für Mikrobiologie und Experimentelle Therapie (IMET) in der DDR entwickelt und 1963 von Werner Ozegowski und Dietrich Krebs beschrieben.[3] Es trug anfänglich die Bezeichnung IMET3393 und kam Ende der 1960er Jahre in der DDR als Cytostasan® in den Verkehr. Nach der Wiedervereinigung wurde es 1993 in der Bundesrepublik zugelassen. Seither gab es mehrere Einschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung wegen ungenügender Nachweise für Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.[4]
Bendamustin ist ein alkylierender Wirkstoff. Er greift auf besondere Art und Weise in die Vermehrung der Krebszellen ein. Dabei verwebt der Wirkstoff sich mit der Tumor-DNA. Dadurch können die Krebszellen sich nicht mehr teilen. Auf diese Weise limitiert Bendamustin das Tumorwachstum.[5]
Bendamustin verteilt sich unabhängig vom Alter und vom Tumorstadium schnell in verschiedenste Gewebe (Verteilungshalbwertszeit ca. 7 Minuten). Die Gewebeverteilung ist ungleichmäßig. Die Ausscheidung von Bendamustin erfolgt zu 90 % über die Faeces. Weniger als 10 % werden unverändert im Urin wiedergefunden. Inklusive der Metabolite Monohydroxybendamustin, Dihydroxybendamustin, M 3 und M 4 werden binnen 24 Stunden insgesamt 20 % der verabreichten Dosis im Urin gefunden. Es kann unabhängig von der Nierenfunktion dosiert werden. Wie andere N-Loste wird auch Bendamustin an der Bischlorethylpartialstruktur nicht-enzymatisch zu Mono- und Dihydroxybendamustin hydrolysiert. Die aktive Metabolisierung von Bendamustin findet in der Leber statt. Der Phase-I-Metabolismus läuft über Cytochrom P450 Subtypus 1A2 ab (CYP1A2). Aktive Metaboliten sind das γ-Hydroxybendamustin (M 3) und das N-Desmethylbendamustin (M 4). Die Plasmakonzentration dieser Metaboliten ist 1/10 respektive 1/100 der Muttersubstanz, sodass man davon ausgehen muss, dass dem unveränderten Bendamustin die hauptsächliche zytotoxische Wirkung zukommt (Übersicht[6][7]).
Nachdem für Bendamustin lange Zeit ein relativ günstiges Nebenwirkungsprofil galt, wurden 2013 Studienergebnisse aus der MAINTAIN-Studie veröffentlicht[8][9] die auf Basis der Auswertung von 947 Patienten aufzeigten, dass es bei der Erstbehandlung indolenter Non-Hodgkin-Lymphome (einschließlich follikulärem Lymphom) in Kombination mit Rituximab bei über der Hälfte der Patienten zum massiven Verlust CD4-positiver Zellen kam. Gleichzeitig kam es gehäuft zu Fällen Progressive multifokale Leukenzephalopathie. 2017 wurde in einem Rote-Hand-Brief nach weiteren Befunden aus klinischen Studien davor gewarnt, dass eine Behandlung mit Bendamustin zur Verlängerung einer Lymphopenie (< 600 Zellen/µl) oder zu niedrigen CD4-positiven T-Zellzahlen (T-Helferzellen) (< 200 Zellen/µl) führen kann, die mindestens 7–9 Monate nach Beendigung der Behandlung andauern und die vor allem auftreten, wenn Bendamustin mit Rituximab kombiniert wird. Patienten mit Lymphopenie und niedrigen CD4-positiven T-Zellzahlen nach der Behandlung mit Bendamustin sind anfälliger für (opportunistische) Infektionen.
Bendamustin in Kombination mit Rituximab war beim Einsatz als Primärtherapie des indolenten Non-Hodgkin-Lymphoms oder Mantelzelllymphoms in der BRIGHT-Studie verglichen zu den Standard-Rituximab-Chemotherapie-Kombinationen Rituximab plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison (CHOP) oder Rituximab plus Cyclophosphamid, Vincristin und Prednison (CVP) mit einer erhöhten Mortalität und einem ungünstigen Sicherheitsprofil assoziiert.
In ähnlicher Weise war in einer klinischen Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit bei bisher unbehandelten follikulären Lymphomen (GALLIUM-Studie) die Kombination von Bendamustin mit Obinutuzumab oder Rituximab mit einer hohen Rate an Todesfällen verbunden.[10] Die Fachgesellschaft deutscher Hämatologen DGHO nahm dazu wie folgt Stellung: „Die meisten dieser Todesfälle waren durch Infektionen bedingt. Dieser Umstand mag auf der unter Bendamustin zu beobachtenden raschen und lang anhaltenden Reduktion von CD3/CD4 Zellen beruhen, die unter CHOP oder COP nicht gesehen wurde.“[11]
Im Dezember 2020 wurde die Fachinformation des Bendamustin-Präparats Levact mit einem Hinweis zu einem erhöhten Risiko von sekundären Krebserkrankungen versehen, die von Hautzellen ausgehen:[12][13] „In klinischen Studien wurde ein erhöhtes Risiko für Nicht-Melanom-Hautkrebs (Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom) bei Patienten beobachtet, die mit Bendamustin-haltigen Therapien behandelt wurden. Für alle Patienten werden regelmäßige Hautuntersuchungen empfohlen, insbesondere für solche mit Hautkrebs-Risikofaktoren“. Die Resultate der zugrundeliegenden Prüfung durch die zuständigen Behörden werden in einem Dokument der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA dargestellt,[14] das auf einem Prüfbericht des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus dem Jahr 2020 beruht. In diesem Dokument der EMA wird unter anderem auf Ergebnisse der GALLIUM-Studie verwiesen. Demnach wurde in dieser Studie jeweils eine Chemotherapie mit entweder Rituximab oder Obinutuzumab kombiniert, wobei als Chemotherapie entweder Bendamustin, CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison) oder CVP (Cyclophosphamid, Vincristin und Prednison) zum Einsatz kamen. Die genannte Quelle der EMA gibt die in der GALLIUM-Studie gefundene Anzahl der jeweils von Basalzellkarzinomen, Plattenzellkarzinomen oder Morbus Bowen betroffenen Patienten an, woraus sich folgende Häufigkeiten errechnen lassen: 4,9 % der Patienten, die Bendamustin erhalten hatten, waren von einer der genannten Krebsarten betroffen (33 von 676 Patienten), aber nur 0,4 % der Patienten, bei denen CHOP oder CVP eingesetzt wurde (2 von 513 Patienten). In derselben Quelle wird für die BRIGHT-Studie die Häufigkeit von Nicht-Melanom-Hautkrebs mit 6,3 % der Patienten angegeben, die Bendamustin in Kombination mit Rituximab erhalten hatten (14 von 221 Patienten).
Das hauptsächliche Anwendungsgebiet von Bendamustin ist die chronische lymphatische Leukämie. Hier ist Bendamustin das Mittel der Wahl, wenn eine Therapie mit Fludarabin nicht den gewünschten Erfolg bringt oder nicht möglich ist. Des Weiteren stellt Bendamustin als sekundäre Monotherapie eine Option in der Behandlung von indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen dar, wenn dieser Lymphdrüsenkrebs trotz Behandlung mit Rituximab weiter wächst. Bei bestimmten Patientengruppen wird Bendamustin mitunter in fortgeschrittenen Stadien von multiplem Myelom (maligne Plasmazellumwandlung im Knochenmark) angewendet.[5]
Zugelassen ist Bendamustin in Deutschland laut Fachinformation[15] für folgende Indikationen:
Unwirksam ist Bendamustin bei Melanomen,[16] Keimzelltumoren,[17] Weichteilsarkomen,[18] Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich,[19] bei hepatozellulären und bei Gallengangskarzinomen.[20]
Levact, Generika