Carl Christian Schurz (* 2. März 1829 in Liblar, Preußische Rheinprovinz; † 14. Mai 1906 in New York) war Ende der 1840er Jahre ein radikaldemokratischer deutscher Revolutionär und nach seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten (USA) dort während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Politiker. Im Kabinett von Präsident Rutherford B. Hayes leitete er von 1877 bis 1881 das Innenministerium.
In den Fürstentümern des Deutschen Bundes hatte sich Schurz der demokratischen Bewegung angeschlossen und war an der bürgerlichen Märzrevolution von 1848/1849 beteiligt, insbesondere in der letzten Phase der badischen Revolution von Mai bis Juli 1849. Zwei Tage vor der endgültigen Niederschlagung konnte er aus der von Bundestruppen eingeschlossenen Festung Rastatt ins Exil flüchten: Bis 1852 zeitweilig in Frankreich, der Schweiz und in Großbritannien, aber auch kurz inkognito in Preußen, um seinem wegen revolutionärer Aktivitäten inhaftierten Lehrer und Freund Gottfried Kinkel zur Flucht aus dem Zuchthaus Spandau zu verhelfen.
1852 wanderte Schurz mit seiner kurz zuvor geheirateten Ehefrau Margarethe in die USA aus. Dort wurde er zu einem der bis heute bekanntesten „Forty-Eighters“. Zunächst als Publizist und Rechtsanwalt tätig, wandte er sich später einer politischen, militärischen und diplomatischen Karriere zu. 1856 schloss er sich als Gegner der Sklaverei der neuen Republikanischen Partei an. Von US-Präsident Abraham Lincoln wurde er 1861 für etwa ein Jahr als Botschafter nach Spanien entsandt. Nach seiner Rückkehr diente Schurz im Sezessionskrieg ab 1862 in der Armee der Nordstaaten, zunächst als Brigadegeneral, zuletzt im Rang eines Generalmajors. Nach dem Sieg des Nordens über die konföderierten Südstaaten und deren Wiederanschluss an die Union wandte er sich als Staatsmann ganz der Politik zu. Er war der erste gebürtige Deutsche, der Mitglied des Senates der Vereinigten Staaten wurde.
Geboren wurde Carl Schurz 1829 als Sohn des Landschullehrers Christian Schurz (1797–1876) und seiner Ehefrau Marianne, geborene Jüssen, in der Vorburg von Schloss Gracht in Liblar (heute zu Erftstadt gehörend) in der Nähe von Köln, das seit 1815 preußisches Staatsgebiet war. Er hatte drei jüngere Geschwister, Heribert (1830–1838), Anna (1833–1908) und Antoinette (1837–1923). Ab dem Schuljahr 1833/34 ging er zur Schule in Liblar, besuchte ab Ostern 1837 die Seminarübungsschule in Brühl und von 1839 bis 1846 das Marzellengymnasium in Köln. Dieser Vorläufer des Dreikönigsgymnasiums wurde damals wegen seiner Geschichte volkstümlich noch Jesuitengymnasium genannt, vom Jesuitenorden aber bereits nicht mehr unterhalten. In seinen Lebenserinnerungen schildert Schurz seine Beherbergung bei einer Kölner Handwerkerfamilie sowie die von ihm sehr geschätzte Pädagogik einiger seiner Lehrer. Aus finanziellen Gründen musste er die Schule verlassen und zog nach Bonn. Dort bestand er als Externer am 28. Juli 1847 die Reifeprüfung. Ab 1847 studierte er Philologie und Geschichte an der knapp 30 Jahre zuvor im Geiste der preußischen Bildungsreformen gegründeten Universität Bonn. Hier freundete er sich mit Professor Gottfried Kinkel an und schloss sich 1847 der Bonner Burschenschaft Frankonia sowie 1849 der Bonner Burschenschaft Normannia an.[1] Im August 1848 wurde er der Sprecher der Frankonia und am 1. Dezember 1848 Präsident des neugegründeten demokratischen Studentenvereins in Bonn.
Während der Märzrevolution nahm Schurz am 10. Mai 1849 am gescheiterten Sturm auf das Siegburger Zeughaus teil. Er begab sich 1849 über die Pfalz nach Baden in die Reihe der Aufständischen (vgl. auch Badische Revolution), wo er Adjutant von Fritz Anneke wurde, den er aus Köln kannte, und der die Artillerie der Pfälzischen Volkswehr befehligte. Nach der Niederlage gegen preußische Truppen konnte Schurz gemeinsam mit Albert Neustädter aus der Festung Rastatt durch einen Abwasserkanal entkommen und nach Frankreich ins Elsass flüchten. Von dort reisten die beiden illegal in die Schweiz. Dort trennten sich ihre Wege; Schurz gelangte am 11. August 1849 nach Zürich. Er erhielt von Gesinnungsgenossen Geld aus Bonn, wohnte am Rande Zürichs, unterhielt Kontakte zu anderen dort lebenden deutschen Revolutionsflüchtlingen und studierte historische und mit Blick auf die Aufstandserfahrungen auch kriegsgeschichtliche Werke. Ideen zu einer beruflichen Beschäftigung zerschlugen sich allerdings.
Im August 1850 reiste er nach Berlin; zur Tarnung benutzte er Namen und Pass seines Vetters Heribert Jüssen. Schurz befreite in der Nacht vom 6. auf den 7. November mit Hilfe des bestochenen Gefängniswärters Georg Brune seinen früheren Professor Gottfried Kinkel aus dem Zuchthaus Spandau und floh mit ihm über Rostock nach Warnemünde. Am 17. November 1850 reisten sie von dort mit einem Schiff des Rostocker Reeders Ernst Brockelmann nach Edinburgh in Schottland, wo sie am 1. Dezember ankamen. Noch im Dezember gelangten sie über London nach Paris. Dort wurde Schurz verhaftet und aus Frankreich ausgewiesen, so dass er am 13. Juni 1851 nach London zurückkehren musste.[2] Wegen der Befreiung Kinkels wurde er am 12. September 1851 angeklagt, aber nicht verurteilt. Bis August 1852 lebte er in London in der Nähe des Regent’s Parks; er lehrte dort die deutsche Sprache und gab Musikunterricht. Schurz wurde im Vereinigten Königreich und in Frankreich ständig von preußischen Behörden überwacht.
Am 6. Juli 1852 heiratete er in London Margarethe Meyer, die später (1856) in der Freien Gemeinde zu Watertown (Wisconsin) den ersten Kindergarten in den Vereinigten Staaten gründete.
1852 reiste Carl Schurz nach Philadelphia. 1855 wurde er dort ein Mitglied im Bund der Freimaurer, seine Loge war die Herman Lodge No. 125.[3] 1856 siedelte er nach Watertown im Staat Wisconsin über und arbeitete dort als Landverkäufer. Er war bald einer der einflussreichsten Führer der aufstrebenden Republikanischen Partei und hatte großen Anteil an deren Wahlsieg von 1860, nicht zuletzt durch seinen Einfluss auf das Wahlverhalten der Deutschamerikaner. Daher ernannte ihn der gerade gewählte US-Präsident Abraham Lincoln bei seinem Amtsantritt zum Botschafter in Spanien.
Schurz kehrte jedoch schon im Januar 1862 während des Amerikanischen Bürgerkriegs aus Spanien nach Amerika zurück, um in die Unionsarmee einzutreten. Unter Franz Sigels Führung stieg er als ungedienter Einwanderer innerhalb weniger Monate zum Generalmajor und Divisionskommandeur der Freiwilligenarmee auf. Schurz befehligte zumeist deutsche Freiwillige und nahm unter anderem an folgenden Schlachten teil: Zweite Schlacht am Bull Run, Schlacht bei Chancellorsville, Schlacht von Gettysburg, Schlacht von Chattanooga. Die amerikanische Presse suchte insbesondere nach der Schlacht bei Chancellorsville die Schuld bei den Deutschen. Eine zur Klärung dieser Vorwürfe von Schurz angeregte Verhandlung vor dem Kriegsgericht fand nicht statt. Im Jahr 1864 verließ er die Armee kurzzeitig, um am Wahlkampf der Republikaner für die Wiederwahl Lincolns teilzunehmen. Nachdem er das letzte Kriegsjahr in Stabsverwendungen verbracht hatte, verließ er 1865 die Armee.
Danach gründete Schurz in Detroit (Michigan) eine neue republikanische Zeitung, die Detroit Post. 1867 ließ er sich in St. Louis (Missouri) nieder, wo er Miteigentümer und Redakteur der von Emil Preetorius geführten deutschsprachigen Westlichen Post wurde. Im Jahr darauf traf er Otto von Bismarck in Berlin. 1869 wurde er in den Senat der Vereinigten Staaten gewählt, in dem er den Bundesstaat Missouri von 1869 bis 1875 vertrat. Schurz gehörte dort zusammen mit Charles Sumner zu den unabhängigen Mitgliedern der Republikanischen Partei und trat gegen die überhandnehmende Korruption unter Ulysses S. Grants Präsidentschaft ein. 1875 versuchte er, aus den gemäßigten Elementen der Demokraten und Republikaner eine neue, die sogenannte Reformpartei (Mugwump), zu bilden, gab aber den Versuch noch vor der Präsidentschaftswahl 1876 auf.
Der gerade ernannte US-Präsident Rutherford B. Hayes (1877–81) berief Schurz als Innenminister in sein Kabinett.[4] Schurz machte sich um die rasche Beendigung der Wirren nach dem Sezessionskrieg in den Südstaaten verdient und leitete einen Wandel der Indianerpolitik der Vereinigten Staaten ein, indem er diese – bis dahin wesentlich vom Kriegsministerium bestimmt und damit militärisch dominiert – einer zivilen Verwaltung unterzuordnen begann.[5] In seiner Zuständigkeit versuchte er auch, die Bevölkerung für die Erhaltung der Wälder zu sensibilisieren.
Von 1888 bis 1892 war er Vertreter der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) in New York. Danach war er bis 1901 Präsident der National Civil Service Reform League.
Bis zu seinem Tod 1906 engagierte Schurz sich politisch.[6] Dabei wurde er, der 1860 die Republikanische Partei mitbegründet hatte, ein entschiedener Gegner der zunehmend globalen und imperialistischen Orientierung der Außenpolitik der Vereinigten Staaten vor allem unter Präsident Theodore Roosevelt, der den Einflussbereich der USA ab 1898 nach Ostasien und Lateinamerika ausdehnte. Schurz gründete 1898 zusammen mit Persönlichkeiten wie Mark Twain, William James und George S. Boutwell die American Anti-Imperialist League, die sich gegen den Spanisch-Amerikanischen Krieg und den Philippinisch-Amerikanischen Krieg einsetzte.[7][8] Dabei griff er die Formulierung Right or wrong – my country! von Stephen Decatur junior auf und prägte sie in folgendem Satz: “Our country, right or wrong. When right, to be kept right; when wrong, to be put right.” (deutsch: „Unser Land, recht oder unrecht. Falls gerecht, gerecht zu halten; falls ungerecht, ins Recht zu setzen.“)
Carl Schurz starb in New York[9] und wurde dort auf dem Sleepy-Hollow-Friedhof beerdigt.[10] Mark Twain verfasste seinen Nachruf in Harper’s Weekly.[11]
1964 verkörperte Edward G. Robinson Schurz im John-Ford-Western Cheyenne, 1968 spielte Christian Rode Schurz in der Filmbiographie Carl Schurz – Revolutionär und Staatsmann in zwei Kontinenten.
Herbert Kranz schrieb als Band 1 seiner historischen Erzählungen Der Weg in die Freiheit – Carl Schurz: Vom badischen Leutnant zum amerikanischen Staatsmann, der 1960 erschien. Ernst Röhl veröffentlichte 1992 Auf eigene Gefahr – Carl-Schurz-Roman im Verlag Das Neue Berlin.
In den USA bestand seit 1926 die liberale Carl Schurz-Vereinigung. Die Vereinigung organisierte Besuche von Amerikanern in Deutschland. Ziel war es, das schlechte Ansehen Deutschlands in den USA nach dem Ersten Weltkrieg zu heben. Wochen, nachdem Deutschland den USA den Krieg erklärt hatte, löste sich die Vereinigung im Januar 1942 auf.[12]
Anfang der 2020er Jahre ist auch im Rahmen der postkolonialistischen Geschichtsschreibung Kritik an Schurz aufgekommen. Darin wird ihm in seiner Zeit als Innenminister (1877 bis 1881) vorgeworfen, die Zerstörung der indianischen Kultur durch Umerziehung der Kinder in staatlichen Schulen befördert zu haben, zum Beispiel in den von der Federal Boarding School Initiative der US-Innenministerin Deb Haaland, die von Laguna-Indianern abstammt, beauftragten Studien und in einem Aufsatz des Historikers Julius Wilm von 2022.[22] In der Biographie des Journalisten Walter Keßler war dagegen noch betont worden, dass er im Gegenteil für seinen aus ihrer Sicht zu freundlichen Umgang mit Indianern von seinen Zeitgenossen zum Beispiel in Karikaturen angegriffen wurde. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, als US-Senator mit dafür verantwortlich gewesen zu sein, dass 1877 die Reconstruction-Ära (Bestrebungen für die Gleichberechtigung von Schwarzen in den Südstaaten) gestoppt wurde, indem die Bundestruppen von dort abgezogen wurden. Die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geplante Aufstellung einer Büste von Schurz vor seinem Amtssitz Bellevue in Berlin wurde daraufhin im Mai 2022 vorläufig abgesagt. Steinmeier wollte mit Schurz einen liberalen Demokraten der 1848er Revolution in Deutschland ehren. Der Spiegel-Redakteur Dirk Kurbjuweit, der die Ehrung 2016 vorschlug, kritisierte dagegen die angeblich unhistorische Perspektive der Kritik an Schurz.[23]
Lexikoneinträge
Monographien
Zeitschriften-/Buchbeiträge
Personendaten | |
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NAME | Schurz, Carl |
ALTERNATIVNAMEN | Schurz, Karl |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-amerikanischer Revolutionär, General und Staatsmann |
GEBURTSDATUM | 2. März 1829 |
GEBURTSORT | Liblar, Preußische Rheinprovinz |
STERBEDATUM | 14. Mai 1906 |
STERBEORT | New York City |