Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Freiname | Dimethylsulfoxid | |||||||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C2H6OS | |||||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farb- und geruchlose Flüssigkeit[1] | |||||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
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Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 78,13 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
flüssig | |||||||||||||||||||||
Dichte |
1,10 g·cm−3 (20 °C)[1] | |||||||||||||||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||||||||||||||
Siedepunkt |
189 °C[1] | |||||||||||||||||||||
Dampfdruck | ||||||||||||||||||||||
Löslichkeit |
mischbar mit Wasser, Alkoholen, Aceton, Chloroform und Benzol, nicht aber mit Alkanen[2] | |||||||||||||||||||||
Dipolmoment | ||||||||||||||||||||||
Brechungsindex |
1,4793 (20 °C)[4] | |||||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
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MAK |
Schweiz: 50 ml·m−3 bzw. 160 mg·m−3[5] | |||||||||||||||||||||
Toxikologische Daten | ||||||||||||||||||||||
Thermodynamische Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
ΔHf0 |
−204,2 kJ/mol[7] | |||||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C |
Dimethylsulfoxid (Abkürzung DMSO) ist ein organisches Lösungsmittel und zählt zur Verbindungsklasse der Sulfoxide.
Technisch wird Dimethylsulfoxid aus Dimethylsulfid z. B. durch katalytische Oxidation mit Distickstofftetroxid in Anwesenheit von Sauerstoff hergestellt.[8] Im Labor kann der Thioether Dimethylsulfid mit stöchiometrischen Mengen Wasserstoffperoxid oder verdünnter Salpetersäure oxidiert werden. Das Dimethylsulfoxid kann allerdings weiter zu Dimethylsulfon oxidiert werden:[8]
DMSO fällt daneben als Nebenprodukt bei der Zellstoffherstellung an.[8]
Dimethylsulfoxid ist eine farblose, stark hygroskopische Flüssigkeit. Zur Kennzeichnung der Reinheit („pharmazeutische Qualität“) „wird häufig die
herangezogen.“[9] Jede Geruchsnote (ob „faulig“ oder „schwefelartig“[10] oder im unreinen Zustand „leicht an Knoblauch erinnernd“[11]) deutet auf Verunreinigungen mit anderen Schwefelverbindungen hin, meist mit Dimethylsulfid, das nach dem Syntheseprozess (s. o.) verblieben sein kann, sich aber auch bei längerer Lagerung bildet[12]. Zur Herstellung der Reinsubstanz müssen daher geeignete Reinigungsverfahren, wie
oder eine Kombination dieser Verfahren angewendet werden.[9]
Mit einem Schmelzpunkt bei 18 °C kann DMSO nur wenig unterhalb der Raumtemperatur erstarren.[13] Die Schmelzenthalpie beträgt 14,37 kJ·mol−1.[14] Bei Normaldruck siedet die Verbindung bei 189 °C.[15] Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 4,49107, B = 1807,002 und C = −60,995 im Temperaturbereich von 325,5 bis 442,1 K[16] bzw. mit A = 5,23039, B = 2239,161 und C = −29,215 im Temperaturbereich von 293 bis 323 K.[17] Es ist in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar, weiterhin mit vielen organischen Lösemitteln wie Alkoholen, Carbonsäureestern, Ketonen, und chlorierten Kohlenwasserstoffen. Es gehört der Gruppe nukleophiler, aprotischer, dipolarer Lösemittel an (wie zum Beispiel Dimethylformamid).
Die Verbindung beginnt sich am Normaldrucksiedepunkt bei 189 °C thermisch zu zersetzen, was heftig bis explosionsartig erfolgen kann.[18] Die Zersetzung wird durch Säuren oder Basen katalysiert, so dass diese schon bei wesentlich niedrigeren Temperaturen relevant werden kann.[18] Eine heftige bis explosionsartige Zersetzung erfolgt auch in Gegenwart von Halogenverbindungen, Metallnitraten, Metallperchloraten, Natriumhydrid, Periodsäure und von Fluorierungsmitteln.[18][8]
Dimethylsulfoxid kann mit Natriumhydrid[19] oder Natriumamid[20] unter Bildung eines Methylsulfinylcarbanions (Dimsylanion) deprotoniert werden, welches als sehr starkes nucleophiles Reagenz in der organischen Synthese verwendet wird. Die Reaktionsgemische können sich oberhalb von 70 °C explosionsartig zersetzen. Es besteht auch beim Isolieren des festen Natriumsalzes Explosionsgefahr.[18]
Dimethylsulfoxid bildet oberhalb des Flammpunktes bei 88 °C entzündbare Dampf-Luft-Gemische.[21] Die untere Explosionsgrenze liegt bei 1,8 Vol.‑% (58 g/m³). Eine obere Explosionsgrenze (OEG) kann wegen der thermischen Zersetzung der Substanz nicht bestimmt werden.[21] Die Sauerstoffgrenzkonzentration wurde bei 200 °C mit 3,9 Vol% bestimmt.[22] Die Zündtemperatur beträgt 270 °C.[21] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T3. Die elektrische Leitfähigkeit ist mit 2·10−7 S·m−1 eher gering.[23]
Vollständig deuteriertes DMSO (DMSO-d6) – in dem alle sechs Wasserstoffatome durch Deuterium ausgetauscht sind – wird als Lösungsmittel in der NMR-Spektroskopie benutzt.
DMSO ist ein weitverbreitetes Lösungsmittel in Labor und Technik. So wird es in Spinnlösungen von Polyacrylnitril, als Abbeizmittel, als Lösungsmittel bei der Aromatenextraktion und als Reaktionsmedium bei organischen Synthesen verwendet. Auch viele anorganische Salze haben eine gute Löslichkeit in DMSO.[24]
In der organischen Synthesechemie dient es in der Swern-Oxidation und der Parikh-Doering-Oxidation als Oxidationsmittel. In der Pharmazie dient es als pharmazeutischer Hilfsstoff als Bestandteil von Salben (siehe Pharmakologie).
In der Zellkultur findet DMSO Verwendung in Einfriermedien bei der Kryokonservierung von eukaryotischen Zellen.[25][26] Als Gefrierschutzmittel verhindert es während des Einfrierprozesses die Bildung von Eiskristallen; diese können Zellorganellen zerstören und so zum Absterben der Zellen führen. DMSO hemmt die Kristallbildung etwas besser als Glycerin.
Auch die meisten Substanzbibliotheken verwenden DMSO als Lösungsmittel. Da das Lösungsmittel jedoch nicht komplett inert ist, kann dies zu einer Verschlechterung der Probenreinheit führen.[27]
Die beiden amerikanischen Wissenschaftler Edward E. Rosenbaum und Stanley W. Jacob entdeckten Anfang der 1960er Jahre die medizinische Verwendung von DMSO.[28] Es sollte bei einer Vielzahl von Krankheiten des Bewegungsapparates sowie außerdem bei Verletzungen eine überraschende Heilwirkung entfalten. Die Datenlage dazu war dünn, „qualitativ und quantitativ bei weitem noch nicht zureichend“[29], sie genügte aber dem Bundesgesundheitsamt, um dem Antrag von fünf westdeutschen Pharmaunternehmen[30] auf Zulassung von DMSO Ende August 1965 stattzugeben.
Mitte September 1965 berichtete dann die Fachpresse über zwei nicht aufgeklärte Todesfälle nach DMSO-Therapie, ein Kausalzusammenhang war jedoch nicht nachzuweisen. Außerdem untersuchte die FDA drei Sterbefälle aufgrund fraglicher allergischer Reaktion auf DMSO.
Zwei Monate später kam aus zwei Laboren in England und den USA gleichzeitig die Nachricht, dass bei monatelang mit DMSO behandelten Tieren eine „Veränderung des Brechungsindex der Augenlinse“ aufgetreten sei.[31] Die FDA reagierte als Erste sofort und konsequent mit einem Verbot aller DMSO-Tests an amerikanischen Kliniken (betroffen gewesen sein sollen etwa 50.000 Probanden). Der FDA-Chefmediziner Dr. Joseph F. Saduk konstatierte: „Weitere Versuche mit Menschen sind nicht mehr zu rechtfertigen“.[32]
Erst vier Tage nach Bekanntwerden dieses Ergebnisses, am 17. November 1965, veranlassten die längst informierten westdeutschen Hersteller einen Lieferstopp des vorher als Wundermittel („Geradezu dramatische Erfolge“ (Schering))[33] angepriesenen Stoffs. Das bedeutete de facto die Marktrücknahme von DMSO. Das deutsche Gesundheitssystem erfuhr von der Misere erst zwei Tage später. DMSO war also in Deutschland weniger als drei Monate als Einzelsubstanz zugelassen.
Die anbietende deutsche Pharmaindustrie war sich keines Versäumnisses bewusst. Jedoch hatte schon Wochen vor dem Lieferstopp die Arzneimittelkommission der amerikanischen Ärzteschaft gewarnt: „Bis jetzt sind weder seine positiven Wirkungen noch seine möglichen Gefahren hinreichend erforscht.“[34]
Der freie Handel mit der Substanz ist weiterhin nicht verboten, solange sie nicht als Arzneimittel angeboten wird.
Nachdem seit der Gesundheitsreform 2004 nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr von den Krankenkassen erstattet worden waren, stellte z. B. ein Hersteller wie Merckle seine Produktion von Dolobene Gel ein und nahm die Produkte mit Dimethylsulfoxid im Jahr 2010 vom deutschen Markt.[37][38] Dimethylsulfoxidhaltige Arzneimittel können aber auf Grund einer ärztlichen Verordnung als Rezepturen in der Apotheke zur Herstellung abgegeben werden.[39] In der Gelben Liste wird es als Wirkstoff geführt.[40] DMSO wird (Stand April 2023) bei einzelnen fluoruracilhaltigen Warzenmitteln als pharmazeutischer Hilfsstoff („sonstiger Bestandteil“[41]), nicht als Inhaltsstoff („enthält ...“) aufgeführt. In topischen Antiphlogistica wurde DMSO als Transportvermittler ersetzt durch 2,5-Dimethylisosorbid, z. B. in Dolobene® Ibu Gel.[42]
Dimethylsulfoxid hat entzündungshemmende (antiphlogistische) und schmerzlindernde (analgetische) Eigenschaften.[8][49][50] Es findet daher trotz ungeklärter Nebenwirkungen und hiesiger rechtlicher Beschränkungen therapeutische Verwendung als perkutanes (lat. durch die Haut) Arzneimittel zur Behandlung lokaler Schmerzzustände[51] (beispielsweise bei Sportverletzungen oder rheumatischen Beschwerden). Da DMSO bei Blutergüssen zum schnellen Abschwellen beiträgt, wird es bei Bedarf[51] besonders in Kampfsportarten angewandt.[52] Eine Studie aus Brasilien konnte zeigen, dass DMSO-Gel in Kombination mit therapeutischem Ultraschall gegenüber anderen Behandlungsformen (bzw. keiner Behandlung) signifikant bessere Ergebnisse im Hinblick auf das Abschwellen stumpfer Verletzungen aufweisen.[53]
Seine besondere Fähigkeit ist das leichte Eindringen in Haut und das Passieren von Zellmembranen.[54] Es dringt in die Haut ein „wie ein heißes Messer durch Butter gleitet.“[55] und erreicht auch bis dahin unzugängliche Körperregionen. Schon wenige Minuten nach dem Auftragen auf die Haut riecht der Atem des Patienten nach Knoblauch.[55] Es dient daher als Trägersubstanz bei auf der Haut angewendeten Arzneimitteln (Salben, Gele, Pflaster, Tinkturen) zur Einschleusung der Wirkstoffe wie Schmerzmittel[56] als sogenannter Transportvermittler (auch Penetrationsverstärker oder Schleppersubstanz genannt), d. h., in DMSO gelöste Substanzen werden leicht vom Organismus durch die Haut aufgenommen.[57]
Die guten Penetrations- und Transporteigenschaften von DMSO können sich in Kombinationspräparaten auch negativ auswirken:
Zwei junge Mädchen litten an unerklärlichem Haarausfall. Beide hatten – die eine nur kurzfristig, die andere zwei Jahre lang – einzelne Warzen mit einer Warzentinktur aus Fluorouracil, Salizylsäure und DMSO behandelt. Wegen eines messbaren Serumspiegels von Fluorouracil und nach Ausschluss anderer Ursachen musste man schließlich davon ausgehen, dass das gut resorbierte Zytostatikum Fluorouracil den Haarausfall bewirkt hatte – eine seiner typischen Nebenwirkungen.[58]
Eine unerwünschte Penetration kann auch bei Giften eintreten, die sonst keine oder schwach wirksame Kontaktgifte darstellen, wie Cyanide.[59] Daher müssen Lösungen von als toxisch geltenden Verbindungen sofort, wenn diese auf die Haut gelangen, mit geeigneten Mitteln (z. B. Wasser) abgespült werden.
DMSO wird in der Alternativmedizin vermarktet. Seine Popularität als alternatives Heilmittel soll auf eine 60-Minuten-Dokumentation aus dem Jahr 1980 zurückgehen, in der ein früher Befürworter zu Wort kam.[60] DMSO ist jedoch Bestandteil einiger Produkte, die von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA als gefälschte Krebsmedikamente gelistet sind,[61] und die FDA setzt sich mit den Vertreibern juristisch auseinander.[60] Die Verwendung von DMSO als alternative Behandlung von Krebs ist besonders besorgniserregend, da es nachweislich mit einer Reihe von Chemotherapie-Medikamenten, einschließlich Cisplatin, Carboplatin und Oxaliplatin, interferiert.[62]
Außerhalb der Alternativmedizin gibt es keine Beweise für irgendeine Heilwirkung von DMSO.
Auf Nachfrage von MedWatch teilte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit, dass ihm in Deutschland Vergiftungsfälle im zweistelligen Bereich nach Hautkontakt oder Einnahme von DMSO bekannt seien.[35] Auch wurden auffällige Laborwerte der Leber und Niere nach der Anwendung beobachtet. Es ist ein Fall in Deutschland bekannt, bei dem die orale Verwendung von DMSO zum Tode führte.[63] Da Schäden an Leber, Nieren oder Gehirn nicht ausgeschlossen werden können, wird dringend von der Selbstmedikation mit DMSO abgeraten.[35][64][65]
Bei der Anwendung wird DMSO im Körper zu Dimethylsulfid (DMS) und Dimethylsulfon metabolisiert. Das Ausscheiden von DMS über die Lunge und Haut kann diverse unerwünschte Wirkungen verursachen. Dazu gehören allergische Reaktionen, Rötungen, Juckreiz, Brennen, ein knoblauchartiger Mund- und Körpergeruch sowie Verdauungsstörungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung und Appetitmangel. Weiterhin kann Dimethylsulfoxid die Freisetzung von Histamin erhöhen. Für Kinder, in der Schwangerschaft und Stillzeit gilt die Anwendung als nicht sicher. Erste-Hilfe-Maßnahmen beinhalten, die kontaminierte Kleidung zu entfernen, die in Kontakt gekommenen Körperteile mit viel Wasser zu spülen und, sobald Beschwerden auftreten, zum Arzt zu gehen.[35][66]