Bereits als Mitglied des Dresdner Kreuzchores (1951 bis 1959) unternahm er erste Kompositionsversuche. Während der Darmstädter Ferienkurse nahm er 1959 als Stipendiat der Stadt Darmstadt an einem Sonderseminar für Komposition bei Karlheinz Stockhausen teil, der nach dem Mauerbau einen umfangreichen Briefwechsel mit Goldmann fortsetzte.[1]
Nach Abschluss eines weiteren Studiums der Musikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1964 bis 1968 war er als freischaffender Komponist und als Dirigent tätig. Seit Ende der 1960er Jahre gelang ihm als Hauptvertreter einer jungen Komponistengeneration in der DDR, zu der auch Bredemeyer, Dittrich, Katzer und Schenker gehören, ein Durchbruch an den sich der Neuen Musik öffnenden Musikinstitutionen wie der Berliner Staatsoper, Komische Oper Berlin oder dem Gewandhaus Leipzig. Seit Mitte der 1970er Jahre wurden seine Werke zudem in der BRD und im westlichen Europa zur Aufführung gebracht, wobei seit Ende der 1970er Jahre eine Reisetätigkeit möglich wurde, die ihn sowohl als Komponisten als auch als Dirigenten zusehends international etablierte.
Das einzige Opernwerk von Friedrich Goldmann ist R. Hot bzw. Die Hitze mit einem Libretto von Thomas Körner nach dem Stück Der Engländer von J.M.R. Lenz. Das Werk entstand von 1971 bis 1974, die Uraufführung fand 1977 an der Staatsoper Berlin unter der Regie von Peter Konwitschny statt. Neuinszenierungen folgten u. a. in Dresden (Semperoper, 1984 und 2015/2016), Hamburg, Stuttgart, Braunschweig und Berlin (Konzerthaus 2010 und Staatsoper 2012).[2]
Als Dirigent lag Goldmanns Schwerpunkt auf neuester Musik, seine Programme waren aber oft gekennzeichnet von Gegenüberstellungen Neuer Musik mit Werken der Klassik und frühen Moderne. Er leitete regelmäßig das Ensemble Modern, die Staatskapelle Berlin, das Konzerthausorchester Berlin, das Gewandhausorchester Leipzig und als Gast u. a. die Berliner Philharmoniker sowie Rundfunkorchester u. a. in Deutschland und Österreich. Seit den 1970er Jahren gastierte Goldmann auch international als Dirigent in West- und Osteuropa, Russland, den USA, Japan und Südkorea. Seit ihren Gründungen bestand eine enge Zusammenarbeit insbesondere mit dem Ensemble Modern und der Gruppe Neue Musik Hanns Eisler (mit diesen u. a. in Donaueschingen und beim Warschauer Herbst). Noch vor dem Fall der Mauer war er ab 1988 Chefdirigent des Boris-Blacher-Ensembles der Hochschule der Künste Berlin. Von Goldmann bestehen zahlreiche Rundfunkaufnahmen sowie Tonträger, aufgenommen u. a. für Nova, WERGO und Deutsche Grammophon sowohl mit Interpretationen eigener Kompositionen als auch mit Werken anderer (z. B. Karlheinz StockhausensGruppen, 1994). Bedeutende Aufführungen unter Goldmanns Leitung waren u. a. SchönbergsMoses und Aron (Staatsoper Berlin, 1988, Regie: Ruth Berghaus) und die deutschen und französischen Erstaufführungen von Luigi Nonos Hauptwerk Prometeo (Paris und Frankfurt a. M., 1985, sowie Berlin 1988). Mitte der 1990er Jahre stellte er seine Dirigiertätigkeit aus gesundheitlichen Gründen ein.
Friedrich Goldmann war seit 1978 Mitglied der Berliner Akademien der Künste (Ost) und West (seit 1990). Ab 1980 lehrte er im Rahmen der Meisterkurse dort bis zur Vereinigung beider Akademien 1993. Auf Einladung des Goethe-Instituts leitete er auch Kompositionskurse in Seoul (Südkorea), Tokio und Kyoto (Japan). Seit 1996 war er Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. Von 1990 bis 1997 war Goldmann Präsident der Gesellschaft für Neue Musik.
Zu Goldmanns umfangreichem, mehr als 200 einzelne Werken zählendem Œuvre gehören neben kammermusikalischen Kompositionen auch mehrere Sinfonien, Solokonzerte, Filmmusiken sowie die Oper „R. Hot bzw. die Hitze“. Der Großteil seines offiziellen Œuvres wurde zu Lebzeiten aufgeführt bzw. kurz nach seinem Tod im Jahr 2009. Posthum uraufgeführt wurden die Orchesterwerke De profundis (1975) und Konzertstück (2004–2006) sowie das kurze Ensemblewerk Postscriptum (1983). Das gesamte offizielle Orchester- und Kammermusikwerk Goldmanns bis 2009 war somit 2014 im Konzert erschlossen.[4]
Werkgattungen im Überblick:
Orchesterwerke
Konzerte für Soloinstrumente mit Orchester (u. a. Klavier, Oboe, Violine, Posaune)
Sein Werk lässt sich grob in drei Schaffensphasen unterteilen. Das offizielle Werk beginnt um etwa 1963 und entwickelt sich bis Anfang der 1970er Jahre vor allem in zahlreichen Bühnenmusiken sowie kammermusikalischen Werken und mehreren „Essays“ für Orchester. Zunächst verarbeitete er vor allem Techniken des Serialismus und der Clusterbildung. Um 1969 begann für Goldmann eine Phase des Komponierens auf der Basis von getrennt gehandhabten musikalischen Materialschichten, insbesondere apropriierten traditionellen Formmodellen (Sonate, Sinfonie), die er mit neuem Tonmaterial „von innen heraus aufsprengt“ und dadurch umdeutet.[5] Dabei kommt dem Herausstellen der entstehenden Bruchstellen zwischen den Schichten ebenso Bedeutung zu wie der Erweiterung des Materials. Wichtige Beispiele sind hier u. a. die Sonate für Bläserquintett und Klavier (1969) und die 1. Sinfonie (1971).
Ab Ende der 1970er Jahre deutet sich eine Tendenz an, die seine dritte Schaffensphase bestimmen sollte, die aber erst ab den 1990er Jahren vollständig ausgebaut wird: ein autonomes, „absolutes“ Komponieren,[6] dass sich der gesamten Möglichkeiten der Neuen Musik bedient und statt Widersprüchen, etwa im Sinne einer Polystilistik, Interaktionen und Integrationen der Techniken und des Materials sucht – etwa anhand von Kontinuen zwischen Geräusch und Ton oder chromatischem Tonvorrat und Mikrotonalität. Als Teil von einheitlichen Gestalten lösen sich dadurch vermeintlich starre Materialgrenzen auf, so dass sowohl der herkömmliche Materialbegriff nicht mehr greift als auch die damit beschriebenen klanglichen Phänomene einer umfassenden Neudeutung zugeführt werden. Wichtige Beispiele sind u. a. das Trio (4 Stücke) für Viola, Violoncello und Kontrabass (1986), das Streichquartett Nr. 2 (1997), das Quartett für Oboe, Violine, Viola and Violoncello (2000) und Quasi una sinfonia (2008).
Corinna Ruth Hesse: Musikalischer Raum und Utopie in Instrumentalwerken Friedrich Goldmanns aus den späten achtziger Jahren. Magisterarbeit, Universität Hamburg, 1995 (mit Bibliografie)
Reiner Kontressowitz: Fünf Annäherungen – zu den Solokonzerten von Friedrich Goldmann. Kamprad, Altenburg 2014
Reiner Kontressowitz: Annäherungen II – Zur Biographie und zu den Sinfonien von Friedrich Goldmann. Kamprad, Altenburg 2020
Reiner Kontressowitz: Der Weg zur „5. Sinfonie“. Von Bockel, Neumünster 2021.
Matthias Krüger: Friedrich Goldmanns 1. Sinfonie. Hochschule für Musik und Tanz, Köln 2014
Dörte Schmidt: Lenz im zeitgenössischen Musiktheater. Literaturoper als kompositorisches Projekt bei Bernd Alois Zimmermann, Friedrich Goldmann, Wolfgang Rihm und Michèle Reverdy. Metzler, Stuttgart / Weimar 1997
Frank Schneider: Form und Klang. Essays und Analysen zur Musik von Friedrich Goldmann. Von Bockel, Neumünster 2021
Einzelstudien, Aufsätze, Sammelbände
Stefan Amzoll: Sisyphos. Aspekte zu Friedrich Goldmanns Spätwerk. In: MusikTexte, 124, 2/2010.
Ulrich Dibelius: Moderne Musik II 1965–1985. Serie Piper, München 1988, S. 286–289.
Friedrich Dieckmann: In memoriam Friedrich Goldmann Zum Tod des Komponisten Friedrich Goldmann (1941–2009). In: Theater der Zeit, 10/2009
Evelyn Hansen: Friedrich Goldmann: 4. Sinfonie. In: Positionen, 2, 1989
Evelyn Hansen: Friedrich Goldmann: zerbrechlich schwebend. Ensemblestück für 8 Spieler. In: Positionen, 6–7/1991
Evelyn Hansen: Present 50: Exkursion per musica con Federico Goldmanno. In: Positionen, 8, 1992
Fritz Hennenberg: Die mittlere Generation – Versuch über 6 Komponisten aus der DDR. In: German Studies Review, 1980, III, Nr. 2.
Hartmut Lück: „Singbarer Rest“ – Friedrich Goldmanns „Fünfte“: quasi una sinfonia. In: NZfM, 01/2010
Albrecht von Massow: Autonomieästhetik im Sozialistischen Realismus. In: Michael Berg, Albrecht von Massow, Nina Noeske (Hrsg.): Zwischen Macht und Freiheit. Neue Musik in der DDR. Böhlau, Köln 2004
Sigrid Neef: Aspekte einer Opernphantasie – zu »R. Hot« von Körner / Goldmann (mit Abdruck des Stücks). In: Theater der Zeit, 08/1976
Sigrid Neef: Vom Verjüngen alter Stoffe, Durchblicke zur Realität und Herausforderung zur Produktion in Goldmanns Opernphantasie Hot und Dessaus Leonce und Lena. In: Sigrid Wiesmann: Für und wider die Literaturoper. Laaber, 1982
Max Nyffeler: Fintenreiche Dialoge – Anmerkungen zu Friedrich Goldmanns Doppeltrio. In: Wolfgang Gratzer (Hrsg.): Nähe und Distanz. Nachgedachte Musik der Gegenwart II. Hoffenheim 1997
Enno Poppe: Zum Gedenken an Friedrich Goldmann. In: Sinn und Form, 6/2009
Gerd Rienäcker: In über einhundert Posen – Gedanken zu »R. Hot« von Goldmann / Körner an der Deutschen Staatsoper Berlin. In: Theater der Zeit, 05/1977
Gerd Rienäcker: R.Hot von Friedrich Goldmann – Auseinandersetzung mit Problemfeldern der Gattung? In: Manfred Vetter: Funktion von Kammermusik heute. Greifswald 1990
Utz Riese: Postmodern Culture: Symptom, Critique, or Solution to the Crisis of Modernity? An East German Perspective. In: New German Critique, No. 57, Autumn 1992
Frank Schneider: Friedrich Goldmann. In: Dietrich Brennecke, Hannelore Gerlach, Mathias Hansen (Hrsg.): Musiker in unserer Zeit. Mitglieder der Sektion Musik der Akademie der Künste der DDR. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1979, S. 284 ff.
Frank Schneider: Momentaufnahme – Notate zu Musik und Musikern in der DDR. Reclam, Leipzig 1979
Frank Schneider: Analyse: Ensemblekonzert von Friedrich Goldmann. In: MusikTexte, 2, 1983
Frank Schneider: „Das Ensemble ist zentral“: Friedrich Goldmann, ein Porträt. In: NMZ, 147, 1986
Frank Schneider: Neubau mit Einsturzgefahr: Analytische Reflexionen zur Sinfonie 3 von Friedrich Goldmann. In: Melos, 50, 02/1988
Frank Schneider: Analyse: Ensemblekonzert 2 von Friedrich Goldmann. In: MusikTexte, 23, 1988
Frank Schneider: Dialog ohne Kompromiss: Das Klavierkonzert von Friedrich Goldmann. In: BzMw, 31, 1989
Frank Schneider: Aus der Schule von Friedrich Goldmann. In: MusikTexte, 33/34, 1990
Frank Schneider: Angemessene Reaktionen: Friedrich Goldmanns „Ensemblekonzert 2“. In: MusikTexte, 23, 1998
Frank Schneider: Friedrich Goldmann in memoriam. In: Positionen, 81, 2009
Alastair Williams: Functionalism, Modernism and Tradition: The music of Friedrich Goldmann. In: Tempo, No. 193, Cambridge University Press, 1995
Dokumentensammlungen
Ulrich Dibelius, Frank Schneider (Hrsg.): Neue Musik im geteilten Deutschland. Band 2 bis 4. Henschel Verlag, Berlin 1993
Stiftung Archiv der Akademie der Künste (Hrsg.): Dokumente zur Geschichte der Akademie der Künste 1945/50-1993. Band 1 und 2. Henschel Verlag, Berlin 1993
Interviews, Gespräche
Ursula Stürzbecher: Komponisten in der DDR. 17 Gespräche. Gerstenberg, Hildesheim 1979
Matthias Hansen (Hrsg.): Probleme der Kompositionstechnik. Gespräch mit Friedrich Goldmann und Frank Schneider. In: Komponieren zur Zeit. Reclam, Leipzig 1988
Bernd Feuchtner: Mutmaßungen über die Musik in der DDR. Im Gespräch mit Friedrich Goldmann und Kurt Masur. In: NZfM, 06, 1990
Helga de la Motte-Haber: „… fast erstarrte Unruhe“ – im Gespräch mit Friedrich Goldmann. In: Positionen, 11/1992
Friedrich Goldmann, Friedrich Schenker, Karl Mickel et al.: Paul Dessau zu seinem 100. Geburtstag am 19.12.1994 Gesprächsrunde – Wiederentdeckungen und Neubewertungen des Komponisten. In: Theater der Zeit, 01/1995
Albrecht von Massow, Friedrich Goldmann: Gespräch. In: Michael Berg, Albrecht von Massow, Nina Noeske (Hrsg.): Zwischen Macht und Freiheit. Neue Musik in der DDR. Böhlau, Köln 2004
Armin Köhler: Interview mit Friedrich Goldmann. In: Armin Köhler, Rolf W. Stoll (Hrsg.): Erlebte Geschichte. Aufbrüche, Rückblicke, Zeitläufe – Sendungen und Texte. Schott, Mainz 2005