Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (* 21. November 1768 in Breslau, Schlesien; † 12. Februar 1834 in Berlin) war ein deutscher evangelischer Theologe, Altphilologe, Philosoph, Publizist, Staatstheoretiker, Kirchenpolitiker und Pädagoge. In mehreren dieser Wirkfelder wird er zu den wichtigsten Autoren seiner Zeit, in einigen auch zu den Klassikern der Disziplin überhaupt gerechnet, Ähnliches gilt etwa für die Soziologie.[1] Er übersetzte die Werke Platons ins Deutsche und gilt als Begründer der modernen Hermeneutik.
Friedrich Schleiermacher wuchs in einem Pfarrhaus als Sohn des reformierten Feldpredigers Gottlieb Schleiermacher (1727–1794), eines Sohnes des Zioniten Daniel Schleyermacher, und dessen Frau Maria Catharina (1736–1783), einer Tochter des Hofpredigers Timotheus Christian Stubenrauch (1693–1750), auf. Seine jüngere Halbschwester Anna Maria aus der zweiten Ehe seines Vaters wurde 1817 die zweite Frau Ernst Moritz Arndt. Schleiermacher wurde ab 1783 im Pädagogium der Herrnhuter Brüder-Unität in Niesky erzogen. Ab 1785 besuchte er ihr Theologisches Seminar in Barby, das er 1787 wieder verließ, nachdem er sich ab 1786 von der dogmatisch-positiven Form der Religiosität zu distanzieren begonnen hatte.
Nach dem äußeren Bruch mit den Herrnhutern und gegen den Willen seines Vaters studierte er anschließend an der Universität Halle Evangelische Theologie, wo er durch den Philosophen Johann August Eberhard mit der Wolffschen Philosophie in Kontakt gebracht wurde. Auch seine kontroverse Beschäftigung mit Immanuel Kant nimmt hier ihren Anfang. Von 1790 bis 1793 arbeitete er als Hauslehrer in der Familie des Grafen Friedrich Alexander zu Dohna auf Schloss Schlobitten in Ostpreußen. Seit dieser Zeit bestand eine enge Freundschaft mit dessen Sohn Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten, später preußischer Innenminister und Staatsmann. 1794 wurde Schleiermacher Hilfsprediger in Landsberg/Warthe. Ab 1796 war er Prediger an der Charité in Berlin. In dieser Zeit verkehrte er in der von Ignaz Aurelius Feßler gegründeten „Mittwochgesellschaft“ und im Salon von Henriette Herz. Dort lernte er Friedrich Schlegel kennen, mit dem er von Ende 1797 bis September 1799 eine gemeinsame Wohnung hatte.[2] Eng mit den romantischen Kreisen verbunden, veröffentlichte er erste Aufsätze in der Zeitschrift Athenaeum und mit dem Versuch einer Theorie des geselligen Betragens, den Reden über die Religion (beide 1799), den Monologen (1800) und den Vertrauten Briefen über Lucinde (1801, zu dem gleichnamigen Roman Friedrich Schlegels) seine ersten selbständigen Werke (alle vier zunächst anonym).
1802 wurde Schleiermacher nach Konflikten mit einem Vorgesetzten als Hofprediger nach Stolp versetzt. Dort veröffentlichte er 1804/05 die ersten drei Bände seiner durch Schlegel angeregten fünfbändigen Übersetzung der Werke Platons, die besonders durch die Einleitungen zu den Dialogen Epoche machte. Sie prägte die Platondeutung, die ausschließlich die Dialoge in den Mittelpunkt der Platoninterpretation stellte (vgl. die Diskussion um Platons ungeschriebene Lehre). An seine Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre (1803) schlossen die Abhandlungen über die wissenschaftliche Behandlung des Tugendbegriffs, des Pflichtbegriffs, über den Begriff des Erlaubten, über den Unterschied zwischen Natur- und Sittengesetz und den Begriff des höchsten Gutes an. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften ernannte ihn 1805 zum korrespondierenden auswärtigen Mitglied der philologisch-philosophischen Klasse.[3]
Nachdem er einen Ruf an die Universität Würzburg erhalten hatte, verweigerte ihm die Staatsführung die Erlaubnis zur Annahme; stattdessen erhielt er im Herbst 1804 eine Stelle als außerordentlicher Professor der Theologie und Philosophie und Universitätsprediger an der Universität Halle. 1806 wurde er dort ordentlicher Professor. Dort wohnte er in der als Gelehrten-Straße bekannten Großen Märkerstraße. In Halle veröffentlichte er 1806 Die Weihnachtsfeier, ein Gespräch und 1807 die kritische Schrift Über den so genannten ersten Brief des Paulus an den Timotheus. Wegen der kriegsbedingten zeitweiligen Schließung der Universität nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt begab er sich Ende 1807 nach Berlin. Hier wirkte er erst als Privatgelehrter, bis er im Juni 1809 als einer von zwei Pfarrern an der Dreifaltigkeitskirche in der Friedrichstadt eingeführt wurde. Er wohnte bis 1817 in einem der beiden Pfarrhäuser.[4] Gemeinsam mit dem Freiherrn vom Stein und Wilhelm von Humboldt war er eine treibende Kraft bei der preußischen Bildungsreform. Er setzte sich für die Gründung der Berliner Universität ein und verfasste 1808 die Programmschrift Gelegentliche Gedanken über Universitäten im deutschen Sinn. Als Mitglied und zeitweiliger Direktor der Wissenschaftlichen Deputation in Berlin übte er auch erheblichen Einfluss auf die Neugestaltung des höheren Schulwesens im Sinne des Neuhumanismus aus. Hauptamtlich wirkte er ab 1810 als Gründungsdekan der Theologischen Fakultät an der Berliner Universität und lehrte dort bis zu seinem Lebensende als ordentlicher Professor. Er behielt jedoch auch sein Pfarramt, in dem er nun regelmäßig durch Hilfsprediger unterstützt wurde.[5] 1810 wurde er auch Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften und hatte somit das Recht, auch philosophische Vorlesungen zu halten. Ab 1815 war er Sekretär der Philosophischen Klasse (später der Historisch-philologischen Klasse).
Am 18. Mai 1809 heiratete Schleiermacher die einundzwanzigjährige Henriette von Willich (1788–1840), geb. von Mühlenfels, die Witwe seines Freundes Pastor Ehrenfried von Willich. Der Altersunterschied betrug zwanzig Jahre. Zu den zwei Kindern, die Henriette Schleiermacher in ihre zweite Ehe mitbrachte (darunter der spätere Jurist Ehrenfried von Willich), kamen vier gemeinsame Kinder hinzu, von denen der einzige Sohn Nathanael schon mit neun Jahren starb. Die Ehe litt unter der großen Verschiedenheit der Partner und den Gegensätzen zwischen seiner Weltanschauung und Henriettes Neigung zum Okkultismus. Schleiermachers Tochter Hildegard (1817–1889) heiratete 1834 den Rittergutsbesitzer und Politiker Maximilian von Schwerin-Putzar.
Gemeinsam mit seiner Frau war Schleiermacher ab 1809 Mitglied in Carl Friedrich Zelters Sing-Akademie zu Berlin, die sich zu einem geistig kulturellen Zentrum Berlins zu entwickeln begann.[6] Auch weiteren Intellektuellenvereinen gehörte er an, wie beispielsweise der Deutschen Tischgesellschaft sowie der 1809 gegründeten Gesetzlosen Gesellschaft, deren Vorsitzender er von 1829 bis 1834 war.[7] Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersetzens (1813) gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen deutscher Übersetzungstheorie.[8]
Bis 1815 (in diesem Jahr übernahm er auch das Rektorat der Berliner Universität) hatte Schleiermacher großen Einfluss innerhalb der preußischen Politik. Nachdem er schon 1804 mit den Unvorgreiflichen Gutachten in Sachen des protestantischen Kirchenwesens eine Schrift zur Reform der Kirchenverfassung vorgelegt hatte, verfasste er 1808 und 1813 im Auftrag des Freiherrn vom Stein weitere Verfassungsentwürfe.[9] In der Zeit der Restauration nach dem Wiener Kongress geriet er jedoch in Konflikte mit dem König Friedrich Wilhelm III., der den eingeschlagenen Weg zur Umgestaltung der Kirchenverfassung nun nicht mehr fortsetzen wollte. Schleiermacher, der ab 1817 als Präses der Vereinigten Berliner Synode an vorderster Stelle für die Einführung einer presbyterial-synodalen Kirchenverfassung kämpfte, wurde nun sogar von der Polizei bespitzelt und überwacht. Nur die Union von Lutheranern und Reformierten, für die sich Schleiermacher schon 1804 ausgesprochen hatte und die er 1818/19 gegen literarische Angriffe von Claus Harms und Christoph Ammon verteidigte, wurde 1817 verwirklicht. 1819 stand Schleiermacher wegen eines Solidaritätsschreibens an den im Rahmen der Demagogenverfolgung entlassenen Fakultätskollegen Wilhelm Martin Leberecht de Wette selbst kurz vor der Entlassung. In den 1820er Jahren geriet er in neue Konflikte, als er im „Agendenstreit“ mit seiner Schrift Über das liturgische Recht evangelischer Landesfürsten (1824 unter dem Pseudonym Pacificus Sincerus) dem König das Recht zur Einführung einer neuen Gottesdienstordnung bestritt.
Als theologischer Lehrer genoss Schleiermacher weiterhin größtes Ansehen. Unter seinen Publikationen sind die Kurze Darstellung des theologischen Studiums von 1811, eine enzyklopädische Einführung in die Theologie, und die zweibändige Dogmatik Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (1. Auflage 1821/22; 2. Auflage 1830/31) hervorzuheben. Hier unternahm Schleiermacher den Versuch, die überlieferte Theologie mit der Innerlichkeit und Freiheit des Subjekts auszusöhnen und zu erfüllen und die Religion auf das Gefühl absoluter („schlechthinniger“) Abhängigkeit zurückzuführen. Weitere theologische Vorlesungen wurden erst postum herausgegeben, zuerst Die christliche Sitte (1843). Zu seinen akademischen Schülern gehörten in Halle der spätere Fakultätskollege August Neander, in Berlin August Twesten (nach seinem Tod sein Nachfolger) und Karl Heinrich Sack, ein enger Gefolgsmann Friedrich Lücke. Durch sie wirkte Schleiermacher auf die Vermittlungstheologie ein. Eine eigentliche Schule begründete er jedoch nicht.
Schleiermachers Schüler Friedrich August Pischon (sein erster Hilfsprediger), Adolf Sydow, Ludwig Jonas (sein Nachlassverwalter), Christian Friedrich Bellermann, Philipp Buttmann und Friedrich Gustav Lisco wurden einflussreiche Pfarrer in Berlin und führten dort vor allem seine kirchenpolitischen Bestrebungen fort. Seine Konfirmanden kamen aus Bürgers- und Adelsfamilien der ganzen Stadt; zu ihnen gehörten zum Beispiel Gabriele von Humboldt und Otto von Bismarck. Eine enge Freundschaft verband Schleiermacher mit Georg Andreas Reimer, der sein Verleger und ab 1817 auch sein Vermieter war, sowie mit dem Theologen Joachim Christian Gaß (1766–1831). Über seinen Schüler Julius Schubring, der als Hauslehrer seiner Kinder arbeitete, lernte er Felix Mendelssohn Bartholdy kennen, den er tief beeinflusste.[10]
Schleiermachers philosophische Werke entstanden zumeist als Vorlesungen oder als Abhandlungen für die Akademie. Die meisten Arbeiten waren Themen der antiken Philosophie gewidmet, aber er legte auch eigene Entwürfe zur Hermeneutik, zur Ethik, zur Ästhetik, zur Staatslehre und zur Pädagogik vor. Besonders einflussreich war seine Darstellung der Dialektik, die er als Einheit der Logik und Metaphysik fasste.
Schleiermacher starb am 12. Februar 1834 an einer verschleppten Lungenentzündung. An seiner Beisetzung auf dem Dreifaltigkeitskirchhof II an der Bergmannstraße in Berlin-Kreuzberg (Feld B) nahmen zwischen 5.000 und 30.000 Menschen teil.[11] Der Entwurf des Grabmals stammt von Ludwig Ferdinand Hesse. Eine Büste Schleiermachers, die den Grabstein schmückt, fertigte Fritz Schaper nach einem Entwurf von Christian Daniel Rauch aus dem Jahr 1829. Das Grab wird als Ehrengrab des Landes Berlin erhalten.[12]
Die Aufklärung hatte über das 18. Jahrhundert die christliche Religion in Bedrängnis gebracht. Die Geschichtlichkeit war anrüchig geworden, die amtskirchliche Nähe zum Staat galt als Zeichen der Abhängigkeit. Und auch die Reste der Religiosität gerieten zwischen zwei Fronten: Auf der einen Seite stand der Rationalismus, vertreten vornehmlich durch die Schule des Christian Wolff, der das Denken wie das Handeln aus einem System allgemeingültiger Wahrheiten deduzierte. Auf der anderen Seite führte die Kritik Immanuel Kants zu einer Moralphilosophie, die allein vom Menschen abhing, ihn in den Mittelpunkt stellte und damit auch den im Namen der Menschlichkeit angerichteten Grausamkeiten zu spotten schien.
Mit dem Ende des 18. Jahrhunderts schien aber auch der (Spät-)Rationalismus seinen Zenit überschritten zu haben. Die christliche Gegenbewegung fand nun im Supranaturalismus ihren Ausgangspunkt. Der nie verschwundene Pietismus entfaltete erneut seine Wirkung. Die in das konfessionelle Neuluthertum mündende Erweckungsbewegung gewann allmählich an Profil. In dieser Zeit bezog Schleiermacher Stellung, versuchte die Positionen von Rationalismus und Supranaturalismus, von im weiteren Sinne Kultur und Religion überhaupt zu vermitteln und darin über sie hinauszukommen. Sein theologischer Entwurf machte ihn zum „Kirchenvater des 19. Jahrhunderts“, der „an die Spitze einer Theologie der neuesten Zeit gehört […] und keiner neben ihn“ (Barth), in ihm kam die „Antithese der romantischen gegen die aufklärerische Bildung zur vollen Geltung“ (R. Haym), er wurde für viele „die Geburtsstunde […] [ihres] höheren Lebens“ (Claus Harms). Man sprach andererseits in abschätzigem Sinne von „Vermittlungstheologie“, „Gefühlstheologie“ und „Kulturprotestantismus“.
Schleiermachers erster Ansatz zu einer derartigen Theologie fand sich 1799 in Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. (Nach Wilhelm Dilthey stammten die ersten Ansätze aus Gesprächen mit Henriette Herz, die schon im Frühjahr 1798 stattgefunden hatten. Im Februar 1799 war die zweite Rede vollendet). Das anonym veröffentlichte Werk sollte Apologie und Kampfschrift zugleich sein. In ihm wollte Schleiermacher die Notwendigkeit religiöser Besinnung aus der Situation des Gebildeten heraus aufzeigen: Dem vernünftig Denkenden sollte gerade in seiner Vernunft die zentrale Bedeutung des Christentums nachgewiesen werden.
Zu einer der grundlegenden Behauptungen Schleiermachers wurde daher, dass die Religiosität genauso zum Menschen gehöre wie das (deduktive) Denken und das (moralische) Handeln und somit beide als gleichwertig zu betrachten seien. Die Subjekt-Objekt-Spaltung zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem der Religion sollte nach Schleiermacher gerade durch die Religion überwunden werden, in der Überwindung sollte die Religion sich erst als solche sichtbar machen (und als tertium belegen).
Denn die Religion, die für Schleiermacher „Sinn und Geschmack für das Unendliche“ war, überwand in der Wahrnehmung, die er als Verschmelzung von Subjekt (dem religiösen Menschen) und Objekt (der göttlichen Unendlichkeit) begriff, diese Spaltung. „Das Charakteristische ist also ein Doppeltes“, wie Martin Kähler später formulierte: „Es ist ein Einswerden mit unseren Gegenständen in unserem Inneren […] und ferner: Es bezieht sich auf die Gegenstände als Träger der Wirkung des Universums“ (Geschichte der protestantischen Dogmatik, 55).
Die Schleiermacher’sche Frömmigkeit als der subjektive Ausdruck der Religion, die später von vielen Theologen brüsk abgelehnt wurde, hat ihre Vorläufer in J. J. Hess mit seinem Werk Vom Reich Gottes. Ein Versuch über den Plan der göttlichen Anstalten und Offenbarungen (2. Auflage 1781) und Johann Albrecht Bengel und wurzelt in der deutschen Romantik und ihrem Menschenbild, wie es sich bei Johann Gottfried Herder, Johann Georg Hamann, schließlich Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Jakob Friedrich Fries, Wilhelm Martin Leberecht de Wette fand. So ist, wenn Religion als Privatsache ausgegeben wird, hier auch nicht egozentrische Überheblichkeit oder schales Privatisieren, sondern der in der Romantik geprägte Individualismus angesprochen, der sich gegen ein funktionell verstandenes Menschenbild der Spätaufklärung abgrenzte und gerade in der Wiederentdeckung der Gefühlswelt mechanistischen Menschenbildern, wie sie sich bei Descartes fanden, entgegenstand.
In der Religion sollen nach Schleiermacher dann aber Anschauung und Gefühl, rezeptiver und spontaner Bewusstseinsakt, das Affizierende und das Affizierte wieder zusammenfallen. Beide Pole werden in der Religion überwunden, denn „Anschauung ohne Gefühl ist nichts und kann weder den rechten Ursprung noch die rechte Kraft haben, Gefühl ohne Anschauung ist auch nichts: beide sind nur dann und deswegen etwas, wenn und weil sie ursprünglich Eins und ungetrennt sind“ (Reden, 73).
In seiner Kurzen Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen (1811[13]; zweite, wesentlich überarbeitete Auflage 1830) – Hans-Joachim Birkner sprach von einem „theologischen Reformprogramm“ – vollzog Schleiermacher die Aufteilung der auf die Kirchenleitung bezogenen „positiven Wissenschaft“ Theologie in drei Unterdisziplinen: Philosophische Theologie, Historische Theologie und Praktische Theologie. Letztere, über die er auch mehrfach Vorlesungen hielt, begründete Schleiermacher erstmals als wissenschaftliche Disziplin, die nun über die Sammlung pastoraler Klugheitsregeln hinausging und die „Theorie der Praxis“ bot.
In der Glaubenslehre, die 1821/22 in zwei Bänden erschien (zweite, wesentlich überarbeitete Auflage 1830/31), legt Schleiermacher dann eine Darstellung des christlichen Glaubens vor. In der Einleitung zu diesem Werk verankert er den Begriff der Religion in einer Theorie des unmittelbaren Selbstbewusstseins bzw. des Gefühls. Religion ist das Gefühl absoluter Abhängigkeit. Der Mensch ist sich immer einer partiellen Freiheit und einer partiellen Abhängigkeit in allem Denken und Handeln bewusst, aber gerade die teilweise Abhängigkeit in allem Bewusstsein der Freiheit führt letztlich auf ein Gefühl völliger Abhängigkeit. In der theologischen Diskussion ist Schleiermachers Religionstheorie heftig umstritten.
Weithin anerkannt ist dagegen inzwischen die Zentralstellung, die Schleiermacher dem Religionsbegriff innerhalb der theologischen Beschreibung der christlichen Frömmigkeit gibt. Denn sowohl der Gottesbegriff als auch der Begriff der Offenbarung, welche in der altprotestantischen Orthodoxie das theologische System trugen, waren in der Zeit der Aufklärung scharfer Kritik unterzogen worden. Diese wesentlichen Lehren des Christentums lassen sich demnach nicht mehr durch den Verweis auf die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift begründen. Schleiermacher versucht dieses Problem durch zwei religionsphilosophische Theorieelemente, nämlich durch Aufnahme des Religionsbegriffs und durch die Bestimmung des Wesens des Christentums zu lösen.
Schleiermachers Werke wurden vielfach kontrovers aufgenommen. Besonders seine Apologetik des religiösen Gefühls in den Reden, seine Verteidigung des Skandalromans Lucinde und seine dogmatischen Innovationen zogen viel Spott auf sich. Gern genutzt wurde dabei sein „Bedeutsamer Name“. So betitelt August Wilhelm Schlegel seine Verse:
„Der nackten Wahrheit Schleier machen,
Ist kluger Theologen Amt,
Und Schleiermacher sind bei so bewandten Sachen
Die Meister der Dogmatik insgesamt.“[15]
Zum „Schleiermacher-Fest“ 1868 erschien eine Karikatur „Was man jetzt in Berlin unter Schleier-Macher versteht“, welche die Verschleierung der Vernunft mit dem Gewande der Orthodoxie zeigt.[16] Auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling sparte 1799 nicht an „Widerporstigkeit“ vor allem gegen die Reden, aber auch den Tenor einer an Fichte, Goethe und Spinoza orientierten Religionsphilosophie und deren Popularisierung überhaupt:
„Zwar, als sie sprachen davon so trutzig,
Wurd ich eine Weile stutzig,
las, als ob ich was verstehen könnt,
Darum so Reden als Fragment.“[17]
Im Ortsteil Berlin-Kreuzberg wurde 1875 die Schleiermacherstraße nach ihm benannt; ein Bereich, in dem die Straßen nach den Gründungsprofessoren der Berliner Universität benannt wurden.[18] Auch in Augsburg (in Lechhausen-Süd), Dresden (im Stadtteilzentrum Dresden-Plauen, direkt neben dem Eisinger-Areal), Halle (Saale) (im Paulusviertel), Frankfurt am Main (im Nordend), Nürnberg, Köln (zwischen Rheinufer und Mülheimer Stadtgarten) und weiteren deutschen Städten gibt es Schleiermacherstraßen.
Zum 250. Geburtstag gab die Deutsche Post AG ein Postwertzeichen im Nennwert von 70 Eurocent heraus. Die Briefmarke zeigt neben einem Bild Schleiermachers das Zitat Es gibt in jedem Augenblick etwas Gutes und des Menschen Würdiges zu tun. Der Entwurf des Postwertzeichens stammt vom Grafiker Armin Lindauer aus Mannheim. Ersttag war der 2. November 2018.
12. Februar im Evangelischen Namenkalender.[19]
In Niesky, wo Schleiermacher von 1783 bis 1785 erzogen wurde, ist heute das Gymnasium nach ihm benannt.[20]
Siehe auch den Literaturüberblick von Ulrich Barth: Schleiermacher-Literatur im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts. In: Theologische Rundschau. 66, 2001, S. 408–461.
Primärquellen
Sekundärliteratur
Medien
Personendaten | |
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NAME | Schleiermacher, Friedrich |
ALTERNATIVNAMEN | Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher protestantischer Theologe, Philosoph und Pädagoge |
GEBURTSDATUM | 21. November 1768 |
GEBURTSORT | Breslau, Schlesien |
STERBEDATUM | 12. Februar 1834 |
STERBEORT | Berlin |