Fritz Muliar wurde am 12. Dezember 1919 als uneheliches Kind in einer Wohnung in der Kandlgasse 16 in Wien-Neubau geboren, am 22. Dezember 1919 auf den Namen Friedrich Ludwig getauft[1] und wuchs in Wien-Neubau auf. Sein leiblicher Vater Josef Weichselbaum war ein Tiroler k.u.k. Offizier und Redakteur,[1][3] der keinen Kontakt zu seinem Sohn hatte und sich später den Nationalsozialisten anschloss. Muliars Mutter Leopoldine „Lea“ Johanna Stand (1896–1977),[1][3] die als Sekretärin bei der Oesterreichischen Kontrollbank arbeitete, stand den Sozialdemokraten nahe. 1924 lernte sie den ukrainisch-jüdischen Juwelier Moische „Mischa“ Leib Muliar (* 1894[4][5][6]) kennen und heiratete ihn am 24. Februar 1924.[7] Auf einen Magistratserlass vom 27. März 1924 hin wurde der Familienname von Stand auf Muliar geändert.[8]
Infolge der Eheschließung seiner Eltern trat Muliar am 14. Juli 1925 aus der römisch-katholischen Kirche aus und trat mit 9. Februar 1938 wieder ein, während Mischa Muliar vor den Nazis über Paris in die USA floh und Leopoldine Muliar eine Scheidung anstrengte, um sich und Fritz vor den Nazis zu schützen.[9][10] Nach zwei vollzogenen Ehen trat Fritz am 9. Oktober 1967 wieder aus der Kirche aus.[1] Muliars Großeltern mütterlicherseits, Johann und Leopoldine Franziska Stand (geborene König),[1] waren streng katholisch und deutschnationaler Gesinnung. Am 14. Februar 1946 heiratete er in Graz Gretl Doering, geborene Patteisky (1923–1997),[1][11] die bereits aus einer früheren Ehe den Sohn Heinz (1941–2022) hatte.[3][12][13] Aus der Ehe mit Gretl Doering hatte er ein Kind, den Sohn Hans (1946–1990). Hans Muliar war mit Doris, geborene Achammer (* 1952), verheiratet, mit der er den Sohn Markus (* 28. Juni 1976) hatte,[3] und in zweiter Ehe mit Andrea, geborene Bendixen (* 1953);[3] diese Ehe blieb kinderlos.[3]
Nachdem seine erste Ehe mit Gretl Doering kurz zuvor gescheitert war, heiratete Fritz Muliar am 15. September 1957 in der Paulanerkirche in Wien-WiedenFranziska Kalmar (* 1. September 1929; † 8. April 2024),[1][14][15] die erste Fernsehsprecherin Österreichs. Mit ihr hatte er die Söhne Alexander (* 1957) und Martin (* 4. Oktober 1960).[3]
Muliars Enkel Markus gab 2015 das Buch Damit wir uns verstehen! heraus, in dem er Tagebuchauszüge und Briefe seines Großvaters aus dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte.
Muliar war Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt und feierte 2006 sein 70-jähriges Bühnenjubiläum. Er lebte mit seiner Frau in Groß-Enzersdorf in der Nähe der Lobau bei Wien.
Muliar war aktiver Sozialdemokrat und unterstützte regelmäßig Wahlkampagnen der SPÖ. Er war ab 1959 Mitglied der FreimaurerlogeGleichheit und wurde 1966 in die Loge Libertas Gemina affiliert; 1970 war er Gründungsmitglied der Loge Zu den 3 Lichtern.[16] Sein Sohn Hans Muliar war ebenfalls Freimaurer; ab 1968 Mitglied der Freimaurerloge Gleichheit und 1974 Gründungsmitglied der Loge Zur Wahrheit.[17] Fritz Muliar war auch Mitglied im parteilosen und überreligiösen Österreichischen Pfadfinderbund.
Mit 16 Jahren beendete Fritz Muliar die Schule und begann ein Schauspielstudium am Neuen Wiener Konservatorium. Seine ersten kabarettistischen Auftritte erfolgten 1937 in Stella KadmonsKleinkunstbühne „Der liebe Augustin“, später auch im „Simpl“, wo er allerdings, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938, nur noch harmlose Opernparodien und Bauernschwänke spielen durfte. Nebenher arbeitete er als Vertreter für Babykosmetik, um Geld für den Lebensunterhalt (auch seiner Mutter) zu verdienen, nachdem der Stiefvater im März 1938 vor den Nazis in die USA geflohen war.
1946 fing er als Sprecher bei Radio Klagenfurt der Sendergruppe Alpenland an, wo er seine spätere Frau Gretl Doering kennenlernte. Doering brachte ihren sechsjährigen Sohn Heinz mit in die Ehe, aus der kurze Zeit nach der Hochzeit Sohn Hans hervorging. Muliar arbeitete als Schauspieler und Regisseur in Graz bei „Der Igel – das kleine Zeittheater“. Er wechselte an das Steirische Landestheater, wo er sogar ein Angebot als Theaterdirektor hätte annehmen können.
Vor der Kamera stand Muliar das erste Mal 1940, in dem Film Herz ohne Heimat mit seiner damaligen Partnerin Friedl Hoffmann und dem seinerzeit noch eher unbekannten Curd Jürgens.
Nach dem Krieg spielte er in mehr als 100 Fernsehfilmen und -serien mit. Daneben widmete er sich in vielen Vortragsabenden der Rezitation. Mit zahlreichen Schallplatten-, Rundfunk- und Bühnenprogrammen zum jüdischen Witz etablierte er sich überdies als äußerst populärer Interpret jüdischer Witze im deutschen Sprachraum.
Am Sonntag, dem 3. Mai 2009, stand der 89-Jährige zum letzten Mal auf der Bühne der Josefstadt als Baron von Ciccio in Peter Turrinis Stück Die Wirtin nach Carlo Goldoni.[18] In der darauffolgenden Nacht auf Montag verstarb er, nachdem er in seiner Wohnung zusammengebrochen und in das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien gebracht worden war. Am 12. Mai 2009 wurde Fritz Muliar in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33G, Nr. 42) beigesetzt.[19]
Im Jahr 2016 wurde in Wien-Liesing (23. Bezirk) der Muliarplatz nach ihm benannt. Ende 2022 wurde in der Kandlgasse 16 eine Gedenktafel für Fritz Muliar enthüllt.[20]
„Ich bin ein Darsteller des kleinen Mannes – ein jüdischer Bankier, das ist noch drinnen, den Othello muß ich nicht unbedingt spielen. Den Lear – nur in einer Musicalfassung.“
„Mit dem Aberglauben ist es auch so eine Sache: Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der sein 13. Monatsgehalt zurückgegeben hat.“
Damit ich nicht vergesse, Ihnen zu erzählen. Jiddische Geschichterln und Lozelachs. Matari, Hamburg 1967. Neuauflage: Der Apfel, Wien 2004, ISBN 978-3-85450-162-6.
Streng indiskret! Aufgezeichnet von Eva Bakos. Mit 13 Zeichnungen von Rudolf Angerer. Zsolnay, Wien/Hamburg 1969.
Jiddische Witze und Geschichten. Fontana, Hamburg 1973, DNB577896652.
Das Beste aus meiner jüdischen Witze- und Anekdotensammlung. 2. Auflage. Heyne, München 1974, ISBN 3-453-00387-X.
Wenn Sie mich fragen … . Aufgezeichnet von Trude Marzik. Zsolnay, Wien 1972; Neuauflage zuletzt Zsolnay, Wien 1990, ISBN 3-552-02430-1.
Nachwort zu William Novak und Moshe Waldoks: Das große Buch des jüdischen Humors. Athenäum, Königstein im Taunus 1982.
An Herrn Bundespräsidenten Kurt Waldheim. In: Milo Dor (Hrsg.): Die Leiche im Keller. Dokumente des Widerstands gegen Dr. Kurt Waldheim. Picus, Wien 1988, ISBN 3-85452-205-3, S. 133 ff.
Von A bis Z. Unaussprechliches ausgesprochen. Zsolnay, Wien 1989, ISBN 3-552-04140-0.
Das ist mein Kaffee. Das Kaffeebuch für Genießer. Pichler, Wien 1994, ISBN 3-85431-101-X.
Strich drunter: Bevor es wieder zu spät ist. 3. Auflage. Kremayr & Scheriau, Wien 1996, ISBN 3-218-00626-0.
Das muss noch gesagt werden! Kremayr & Scheriau, Wien 1999, ISBN 3-218-00665-1.
War’s wirklich so schlimm? Erinnerungen. Reihe Ein Bekenntnis (Band 4). Edition Va Bene, Wien 1994, ISBN 3-85167-027-2.
Ein Urlaub bei Freunden? Edition Va Bene, Wien 2002, ISBN 3-85167-134-1.
Melde gehorsamst, das ja! Meine Lebensabenteuer. Styria, Graz 2003, ISBN 3-222-13129-5.
C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2. Auflage 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 501.
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 5: L – N. Rudolf Lettinger – Lloyd Nolan. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 575.
↑Markus Muliar: Damit wir uns verstehen!, Kapitel 3 „Der Alte König“ (online in der Google-Buchsuche)
↑Valerie Strassberg: „Damit ich nicht vergesse...“ – Zum 100. Geburtstag und 10. Todestag von Fritz Muliar. In: Kulturmagazin 2019, Verein der geprüften Wiener Fremdenführer, Wien, S. 101 (PDF; 8,4 MB).
↑New York passenger and crew lists, 1909, 1925–1957; 6277 – vol 13513-13514, Jan 27, 1939. Auf: familysearch.org
↑Index der jüdischen Matriken WIEN und NÖ, digitalisiert unter Nr. 237942 auf genteam.at
↑Günter K. Kodek: Die Kette der Herzen bleibt geschlossen. Mitglieder der österreichischen Freimaurer-Logen 1945 bis 1985. Löcker, Wien 2014, ISBN 978-3-85409-706-8, S.164.
↑Günter K. Kodek: Die Kette der Herzen bleibt geschlossen. Mitglieder der österreichischen Freimaurer-Logen 1945 bis 1985. Löcker, Wien 2014, ISBN 978-3-85409-706-8, S.165.