Henri-Irénée Marrou (* 12. November 1904 in Marseille; † 11. April 1977 in Bourg-la-Reine) war ein französischer Historiker mit besonderem Schwerpunkt auf der Geschichte der christlichen Spätantike.
Geboren als Sohn katholischer Eltern, wurde Marrou aufgrund seiner hervorragenden Studien an der École normale superieure in Paris aufgenommen und erhielt dort im Jahre 1929 die Lehrbefugnis in Geschichte. Von dort aus wechselte Marrou an die École française de Rome, um dort intensive Forschungen über den heiligen Augustinus von Hippo zu betreiben. Mit Emmanuel Mounier, der ebenfalls über Augustinus forschte, verband ihn auch die Zusammenarbeit an der Zeitschrift Esprit. Marrou unternahm Studienreisen nach Neapel und nach Kairo, bevor er in Nancy und später in Montpellier lehrte. Er schrieb seine Dissertation über den heiligen Augustinus und das Ende der antiken Kultur. Die Doktorwürde erhielt er hierfür im Jahre 1937.
Während des Zweiten Weltkriegs engagierte sich Marrou im Widerstand (Résistance). Von 1945 bis 1976 war er Professor für die Geschichte des Christentums an der Sorbonne in Paris. In dieser Zeit verfasste Marrou seine Hauptwerke.
Marrou war einer der ersten Mitarbeiter der Sammlung „Sources Chrétiennes“, in der Texte der Kirchenväter in der Originalsprache und mit französischer Übersetzung veröffentlicht werden. Er gab außerdem die Reihe Patristica Sorbonensia (1957ff.) heraus, die es allerdings nur auf neun Bände brachte.
Auch politisch engagierte sich Henri Irénée Marrou: Er bezog während des Algerienkrieges öffentlich Stellung und verurteilte die Folterpraxis, wodurch er sich eine Hausdurchsuchung einhandelte. Das zweite vatikanische Konzil fand seine volle Zustimmung, da er neben den Fundamentalisten auch die Marxisten bekämpfte. Die Ereignisse des Mai 1968 erfüllten ihn mit Misstrauen. 1967 wurde er zum Mitglied der Académie des inscriptions et belles-lettres gewählt.[1] Seit 1965 war er korrespondierendes Mitglied der British Academy,[2] seit 1967 auswärtiges Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften und seit 1968 korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Sein erstes Buch „Saint Augustin et la fin de la culture antique“ (1938) wurde ins Deutsche und Italienische übersetzt. Marrou untersuchte in diesem Werk Augustins Verhältnis zur antiken Bildung und Wissenschaft. In den Mittelpunkt seiner Studie rückte er Augustins Schrift De doctrina christiana, die er als eine „charte fondamentale de la culture chrétienne“ bezeichnete. Er stellte die These auf, dass sich in De doctrina christiana das Ende der antiken Kultur ankündige. Sein Buch „Histoire de l’education dans l’antiquité“ (1948) wurde ins Englische, Portugiesische, Spanische, Polnische, Deutsche und Italienische übersetzt. Es ist „das klassische Standardwerk zur intellektuellen Bildung in der Zeit der späten Republik“.[3]
Der Historiker André Mandouze (1916–2006) schrieb in seinem Nachruf auf Marrou in der Zeitung Le Monde: „Der Name von Marrou wird immer verbunden sein mit der Entdeckung (oder der Wiederentdeckung) eines weiten Feldes: dem der christlichen Spätantike.“[4]
Seine Tochter Françoise Marrou-Flamant (1931–2015) war Professorin an der Universität Aix-Marseille und machte sich als Übersetzerin aus dem Russischen ins Französische einen Namen. Bedeutende Schüler Henri-Irénée Marrous waren der Stoizismus-Forscher Michel Spanneut und Charles Pietri.
Personendaten | |
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NAME | Marrou, Henri-Irénée |
ALTERNATIVNAMEN | Marrou, Henri Irénée |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Historiker |
GEBURTSDATUM | 12. November 1904 |
GEBURTSORT | Marseille |
STERBEDATUM | 11. April 1977 |
STERBEORT | Bourg-la-Reine |