Prostaglandine sind chemische Verbindungen aus der Gruppe der Eicosanoide. Sie wirken im menschlichen und höheren tierischen Organismus als Gewebshormone und kommen mit verschiedener Struktur und Funktion überall im Organismus vor. Besonders reich sind sie im Sperma vertreten.
Das chemische Grundgerüst der Prostaglandine (PG) ist die Prostansäure. Drei mehrfach ungesättigte C20-Fettsäuren sind jeweils Ausgangsstoff für die Biosynthese der Prostaglandine.
Wegen ihrer vielfältigen physiologischen und pathophysiologischen Wirkungen ist der Einsatz von Prostaglandinen und ihrer synthetischen Strukturabkömmlinge von therapeutischem Interesse.
Der Name prostaglandin ist von englisch prostate gland (Prostata-Drüse) abgeleitet. 1935 wurden Prostaglandine zum ersten Mal von dem schwedischen Physiologen Ulf von Euler,[1] und davon unabhängig von Maurice Walter Goldblatt,[2] im menschlichen Sperma isoliert und beschrieben. Man glaubte damals, dass sie ein spezifischer Teil der Prostatasekretion seien, doch wurde später entdeckt, dass diese Stoffe an den unterschiedlichsten Körperstellen ausgeschüttet werden, unter anderem auch in der Bläschendrüse. Prostaglandine sind ferner im menstruellen Ausfluss, im Gehirn, in der Lunge, in den Nieren und in der Bauchspeicheldrüse vorhanden.
1962 isolierten die schwedischen Wissenschaftler Sune Bergström und Bengt Ingemar Samuelsson kristallisierbare Derivate, die ihrer Löslichkeit nach als PGE (Ether-löslich) bzw. PGF (Phosphat-löslich; schwedische Schreibweise) klassifiziert werden.[3] 1982 erhielten die beiden sowie der Brite John Robert Vane gemeinsam den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin „für ihre bahnbrechenden Arbeiten über Prostaglandine und verwandte biologisch aktive Substanzen“.
Außerhalb höherer Organismen wurde das Prostaglandin A2 (PGA2) in der karibischen Hornkoralle Plexaura homomalla gefunden.[4]
Die Prostaglandinsynthese und der Fettstoffwechsel sind eng miteinander verbunden. Aus dem Fettstoffwechsel stammen drei mehrfach ungesättigte C20-Fettsäuren, die Ausgangssubstanzen für die Prostaglandinbiosynthese darstellen:
Unter Beteiligung der Cyclooxygenasen (COX-1 und COX-2) und von Prostaglandin-Synthasen entstehen daraus die Prostaglandine der Serien I, II und III. Entscheidend ist dabei die Einführung eines Sauerstoffmoleküls und anschließende Ringbildung mit fünf Kohlenstoffatomen.
Besteht eine Biosynthesestörung bei Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, so können Serie-I- und Serie-III-Prostaglandine nicht gebildet werden. Serie-II-Prostaglandine sind nicht betroffen, da der Ausgangsstoff Arachidonsäure in jedem tierischen Fett vorkommt, und das Enzym Cyclooxygenase auch immer präsent ist.
Die Prostaglandine werden, je nach Ausgangspunkt der Biosynthese, in drei Hauptgruppen eingeteilt:[6]
Die Indexzahlen bedeuten: 1 = Δ13E, 2 = Δ5Z,13E und 3 = Δ5Z,13E,17Z
Die natürlich vorkommenden, biologisch aktiven PG besitzen eine 15(S)-Hydroxygruppe. Je nach Zahl und Stellung der Sauerstoffatome und der Lage der Doppelbindung im Cyclopentanring werden die PG durch Buchstaben gekennzeichnet.
Es bedeuten: A = 9-Oxo-10-dehydro-,
B = 9-Oxo-8(12)-dehydro-,
C = 9-Oxo-11-dehydro-,
D = 9-Oxo-10-dehydro-,
E = 9-Hydroxy-11-oxo-,
F = 9,10-dihydroxy-,
G und H = 9,11-peroxido-,
I = 6,9-Epoxy-11-hydroxy- und
J = 11-Oxo-8(9)-dehydro-[6]
Strukturell verwandt mit den PG sind die Thromboxane (TX), die aus PGH durch Integration eines O-Atoms am C-11 in den Cyclopentanring hervorgehen.
Prostaglandine modulieren Second-Messenger-Systeme. Ihre Wirkung ist überaus divers, da sie zwischen den verschiedenen Prostaglandinen variiert und teilweise sogar für ein Prostaglandin durch unterschiedliche Rezeptoren unterschiedlich vermittelt wird.
Prostaglandinrezeptoren gehören zu der Gruppe der G-Protein-gekoppelten Membranrezeptoren. Sie werden durch den Buchstaben „P“ und das Präfix „D“, „E“, „F“, „I“ oder „T“ bezeichnet, um eine Präferenz für die Prostaglandine D, E, F, I oder Thromboxane zu kennzeichnen. Bis 2004 wurden vier Subtypen des EP-Rezeptors identifiziert: EP1 bis EP4.
Darüber hinaus gibt es einige Prostaglandine (z. B. PGJ2), die Kernrezeptoren der PPAR-Klasse aktivieren können, welche IκB-Kinase hemmen und dadurch den NF-κB-Weg hemmen. Das vom PGF2α abgeleitete Bimatoprost wirkt durch seine Amidstruktur nicht an PG-Rezeptoren, sondern an Prostamid-Rezeptoren.
Die Wirkungen im Einzelnen sind in den Hauptartikeln zu den einzelnen Prostaglandinen dargestellt.
Das Hauptaugenmerk in der Pharmaforschung liegt auf den Prostaglandinen aus der Arachidonsäure (Serie-II), da diese für Schmerz, Blutgerinnung, Entzündungen und andere physiologische und pathophysiologische Vorgänge verantwortlich sind. Verschiedene, speziell chronische, Krankheitsbilder wie Rheuma, Asthma, Schmerzzustände, Allergien und Bluthochdruck entstehen unter Beteiligung der Serie-II-Prostaglandine. Ziel ist die Wirkung der Serie-II-Prostaglandine zu hemmen. Typische Arzneistoffe, deren Wirkung hier ansetzt, sind die nichtsteroidalen Antiphlogistika (z. B. Acetylsalicylsäure). Solche Medikamente hemmen jedoch nicht nur die Serie-II-Prostaglandine, sondern auch deren natürliche Gegenspieler aus den Serien I und III.
Auch durch diätetische Maßnahmen wird versucht, die Ausprägung der Prostaglandine aller drei Serien zu beeinflussen.[7][8] Beschrieben sind:
Von den natürlich vorkommenden Prostaglandinen (PG) werden das PGE1 (Freiname: Alprostadil), PGE2 (Freiname: Dinoproston), PGF2α (Freiname: Dinoprost) und PGI2 (Prostacyclin, Freiname: Epoprostenol) therapeutisch verwendet. Auch die spezifischen Wirkungen mehrerer synthetischer Abkömmlinge von Prostaglandinen werden in Anwendungsgebieten verschiedener medizinischer Fachrichtungen eingesetzt.
Die vasoaktive und thrombozytenaggregationshemmende Aktivität der PG wird in der Angiologie (Gefäßmedizin) zur Verbesserung der Durchblutung bei problematischen arteriellen Gefäßverschlüssen oder Gefäßverengungen genutzt, ferner gibt es Anwendungsgebiete in der Urologie, Kardiologie und Notfallmedizin. Die Wirkstoffe sind:
In der Gastroenterologie wird das PGE1-Analogon
Es ist oral wirksam und kann auch in fixer Kombination mit Diclofenac verabreicht werden.
In der Gynäkologie sind folgende Wirkstoffe aufgrund ihrer uteruskontrahierenden und zervixerweichenden Wirkung angezeigt:
Synthetische PGF2α-Analoga senken den Augeninnendruck (IOD) durch Verbesserung des Kammerwasserabflusses.[12] Sie werden daher in der Augenheilkunde eingesetzt zur Senkung des erhöhten Augeninnendrucks bei Patienten mit Offenwinkelglaukom (Grüner Star) und bei okulärer Hypertension. Verwendet werden:
Die Stoffe können auch als Kombinationspräparate mit dem Betablocker Timolol zur Anwendung kommen, wenn die Einzelstoffe nicht ausreichend wirksam sind. In den USA ist Bimatoprost ferner zur Therapie von Wimpernwachstumsstörungen zugelassen (Latisse). Eine wimpernwachstumsfördernde Wirkung soll auch Cloprostenol aufweisen, das kosmetisch genutzt wird (Wimpernwachstumsserum).