Sebastian Brunner, bearbeitetes Photo, aus „Das Katholische Deutschland repräsentiert durch seine Wortführer“, Würzburg 1878Gedenktafel für Sebastian Brunner
1843 bis 1848 stellte Brunner für Metternich Gesandtschaftsberichte über die religiöse und politische Bewegung zusammen und beurteilte diese. 1846 wurde er von Metternich nach Deutschland und Frankreich gesandt und machte über seine Beobachtungen ein Referat, worin er das Losbrechen der Revolution in längstens zwei Jahren voraussagte.
1845 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert und gründete 1848 die „Wiener Kirchenzeitung für Glauben, Wissen, Freiheit und Gesetz in der katholischen Kirche“, die er bis 1865 herausgab, und bekleidete 1853 bis 1856 die Stelle eines Feiertagspredigers an der Universitätskirche in Wien. 1856 gab er seine Ämter auf und wirkte nur mehr als Schriftsteller, wurde Apostolischer Protonotar und Päpstlicher Hausprälat und 1875 fürsterzbischöflicher Konsistorialrat sowie Domherr von Albano und Conte romano.
Sebastian Brunner war Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und war Großmeister-Procurator von 1880 bis zu seinem Tode 1893. Er war Großkreuzträger des päpstlichen Ordens vom Heiligen Grab.[1] Er war Ehrenmitglied der katholischen Studentenverbindung KÖStV Austria Wien.
Als Schriftsteller erinnert Brunner durch seinen derben Humor und Witz an Abraham a Santa Clara; nicht nur in seinem volkstümlich theologisierenden Stil, sondern auch durch einen scharfen kirchlich-katholischen Antijudaismus. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dieser in Wien schon vom alldeutschen säkularen Antisemitismus begleitet. Doch ließ sich Brunner auf seinen Reisen in Frankreich gerne als „Vater des deutschen Antisemitismus“ vorstellen.[2] Brunner hat Aufklärung, Liberalismus und demokratische Tendenzen von seinem katholisch-konservativen Standpunkt aus heftig bekämpft, in der Literatur namentlich Vertreter des Jungen Deutschland wie Heinrich Heine, Ludwig Börne, Karl Gutzkow. Die Historikerin Erika Weinzierl bezeichnete Brunner als „Schlüsselfigur im katholischen Antisemitismus“.[3] Er klagte die Juden vermeintlicher Ritualmorde an, verweigerte Juden die Mitbürgerschaft und stellte 1859 fest: „Ein Christ kann jeder werden [...] [,] aber Germanen werden geboren“.[4]
1888 wurde die Sebastian-Brunner-Gasse in der damals noch selbstständigen Wiener Vorortgemeinde Lainz (heute Teil des 13. Bezirks, Hietzing) nach ihm benannt. 2010 verlangte die Grüne Fraktion in der Bezirksvertretung die Anbringung einer Zusatztafel mit einem Hinweis auf Brunners Antisemitismus.[5]
Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling) südlich von Wien.
Correspondances intimes de l'empereur Joseph II avec son ami le comte de Cobenzl et son premier ministre le prince de Kaunitz Hrsg. von Brunner. Mainz 1871
Gesammelte Erzählungen und poetischen Schriften. 18 Bde. Regensburg 1863–77
Scheicher, Joseph: Sebastian Brunner. Ein Lebensbild, zugleich ein Stück Zeit- und Kirchengeschichte. Festgabe zur Secundizfeier des Dr. Phil. et Theol. Sebastian Brunner. Woerl, Würzburg-Wien 1888
↑Friedrich Heer: Gottes erste Liebe. 2000 Jahre Judentum und Christentum. Genesis des österreichischen Katholiken Adolf Hitler. Bechtle, München und Esslingen 1967, S. 354–357.
↑Trond Berg Eriksen, Håkon Harket, Einhart Lorenz: Judenhass. Die Geschichte des Antisemitismus von der Antike bis zur Gegenwart. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, S. 331
↑Zusatztafel für Gasse in Lainz. In: Wiener Bezirkszeitung, Mader Zeitschriftenverlag, Ausgabe Hietzing, Nr. 32, 11. August 2010, S. 6